Drei Jahre nach der Veröffentlichung von „Mutiny At Muscle Beach“ schießen die Night Birds aus New Jersey das Mini-Album „Roll Credits“ nach und überzeugen mit klassischem Oldschool-Punk – eingefleischte Fans werden somit schon seit Tagen sehnsüchtig mit den Füßen scharren. Wem die Fat Wreck Chords Band bis dato unbekannt ist, sei es schleunigst empfohlen, diese „Bildungslücke“ zu schließen. „Qualität statt Quantität“ scheint zu den Motti 2018 zu gehören und so geht es im Jagdgalopp in nicht einmal 20 Minuten durch die acht Songs der Platte.
„Roll Credits“ ist trotz der klassischen Punkstrukturen musikalisch so detailverliebt, dass es gefühlt auch nach dem zwanzigsten Hören noch Neues zu entdecken gibt.
Zum 10-jährigen Band-Jubiläum ehrt die Band also die 12″-EP und holt erstmals seit 2012 Mike Hunchback (Screeching Weasel) zurück an die Gitarre. Dieser begleitet den Prozess gleichermaßen als Produzent des Albums. Absolut treffend erklärt Frontmann Brian Gorsegner die Idee hinter den acht Tracks: „Whether it’s Negative Approach’s „Tied Down“ or Minor Threat’s „Out Of Step„, people think of those as full albums but, technically speaking, they’re not. They go down smoother, and you’re not left with any filler album tracks.“
Instrumentale Surf Sounds wechseln sich mit klassischem Higspeed-Punkrock ab
Ob man den warmen Asphalt der letzten Sommertage unter dem Skateboard oder die sich aufbäumenden Wellen der sieben Weltmeere unter dem Surfbrett spürt, die Night Birds, die nun zu fünft sind, liefern einmal mehr die perfekte Musik dafür. So geht es trotz der „wenigen“ Songs und relativ kurzen Spieldauer auf „Roll Credits“ hoch her. Instrumentale Surf Sounds wechseln sich mit klassischem Higspeed-Punkrock ab und vereinen sich in irgendeiner dieser Garage, irgendwo in den 80ern, die zu wahren Bastionen des Punkrocks wurden.
Dass PJ Russo glücklicherweise nicht für Mike Hunchback gefeuert wurde, zeigt sich im instrumentalen Opener „Pull The String“. Während auf dem Rest der Platte Russo an der Gitarre zu hören ist, übernimmt hier Hunchback und zieht sozusagen die Fäden, um den Startschuss in das neueste Night Birds Werk zu geben. Nach nicht einmal anderthalb Minuten macht das Intro Platz für das treibende, aber auch irgendwie konfuse „Onward To Obscurity“, das sich mit der Frage der Vergänglichkeit von Scheinwerten auseinandersetzt. Hier lieh man sich prompt das Solo bei den Kollegen von The Electric Deads. Mit „My Dad Is The BTK“ wird es nahezu skuril. Goresegner singt über ein Kind, welches seinen Vater beim FBI verpfeift, da es denkt, dieser sei der lang gesuchte Serienkiller Dennis Rader. Chapeau für so viel Kreativität!
Das kann sich mehr als sehen lassen
Kreativ ist auch das Artwork. Die Night Birds luden acht befreundete Künstler zur Gestaltung des Covers ein. Chris Shary, Nathan Gattis, Perry Shall, Marissa Paternoster, Michael Saunders, Paul D’Elia, Alex Hagen und Keith Marlowe vereinen sich auf dem Cover der Platte. Somit verbinden acht der bedeutendsten Künstler der aktuellen Szene die Stories der Night Birds mit der des Punks. Das kann sich sehen lassen und bringt die Inhalte der Songs glasklar auf den Punkt.
Niemals nur einen fußbreit über der 3-Minuten-Marke reiht sich auch das leicht zynische „The Day I Beat My Brain“ in die teils wirklich harmonischen Klänge der Platte ein. Das geht allerdings immer wider alles so schnell, dass das eigene Gehirn beim ersten Höranlauf kaum hinterherkommt, da „Roll Credits“ trotz der klassischen Punkstrukturen musikalisch so detailverliebt ist, dass es gefühlt auch nach dem zwanzigsten Hören noch Neues zu entdecken gibt.
Die Night Birds covern The Suicide Commando und bewegen außergewöhnliche Themen
Mit „White Noise Machine“ landet ordentlich Straßenkampfgekloppe auf der Platte, während es darum geht, die verblendete Überzeugung seines Gegenübers absolut nicht mehr nachvollziehen zu können. Kommt Euch bekannt vor? Mir auch! Der folgende Titel „Radium Girls“ beschäftigt sich mit einem Thema der amerikanischen Geschichte von 1917 bis 1926, von der man sonst nicht so viel mitbekommt. Wenn man es ganz genau nimmt, könnte man sogar behaupten, dass die Tragödie um die über hundert, während der Arbeit verstrahlten, Radium Girls ein wichtiger Schritt für die Entwicklung der Arbeitssicherheit in den Vereinigten Staaten war. Dabei gibt es Unterstützung von der Big Eyes Sängerin Kate Eldridge. Mit „I need a Torch“ covert der Fünfer den The Suicide Commando Song aus dem Jahr 1978.
Am Ende kann man sich fragen, ob der Albumtitel „Roll Credits“ mehr oder weniger zynisch, ernst, ermahnende, anklagend oder vielleicht sogar ein wenig endzeitlich daher kommt. Zu beanstanden gibt es jedenfalls nichts, außer, dass das Ende bereits am Anfang viel zu nah ist. Klare Kaufempfehlung!