NOFX, Circle Jerks, Scream, Negative Approach, The Last Gang und Clowns

NOFX, Circle Jerks, Scream, Negative Approach, The Last Gang und Clowns live in Hannover, Faustwiese
Foto: Maria Graul

NOFX sind derzeit auf Abschiedstournee. Ihre finale „40 Years, 40 Cities, 40 Songs“-Tour ist in vielen Städten ausverkauft. Am Samstag, den 25. Mai macht die Tour auf der Faustwiese in Hannover-Linden halt, wo die Band nun das vierte Mal zu Gast ist. Ganz ausverkauft ist das Konzert wohl nicht, aber mit mehr als 7.500 Besuchern ist es die bis dahin größte Show der Tour in Europa. Und bei bestem Wetter ist es ein grandioser Tag, das kann vorweggenommen werden. Mit dabei sind im Übrigen Clowns, The Last Gang, Negative Approach, Scream und The Circle Jerks.

Freitagnachmittag, ein Tag vor dem Event auf der Faustwiese: Das Wetter ist mäßig, es regnet stark, aus der Stadt Hannover und dem Umland kommen Meldungen von Blitzeinschlägen und viel Wasser pro Quadratmeter. Da stellt sich dann schon die bange Frage: Passt das denn dann morgen überhaupt beim Open-Air mit dem Wetter? Ja, es passt. Denn am Samstag ist das Wetter mehr als gut. Sonne, warm, aber nicht zu heiß und somit bestes Festivalwetter. Und matschige Stellen hat die großartige Konzertcrew im Vorfeld ausgebessert.

Lärm für den Frieden

Und so ist es schon gut gefüllt auf der Faustwiese in Linden-Nord, als um 15:30 Uhr die Clowns die Bühne betreten. Die Australier haben heute die Ehre zu eröffnen und können dabei vollauf überzeugen. Es gibt viele Stimmen, die sogar Clowns bei den Performances an diesem Tag ganz vorne sehen. Zu Klängen von „I´ve Been Looking For Freedom“ von David Hasselhoff geht es los. Sänger Stevie begrüßt das Publikum dann auch mit den Worten „Make Some Noise When Yo Looking For Freedom“, dann geht die wilde Fahrt ab. Denn nur so kann man den Auftritt am besten umschreiben. 30 Minuten feuern Clowns aus allen Rohren, haben dabei einige neue Songs vom aktuellen Album „Endless“ dabei, wie „Formaldehyd“ oder „Scared To Die“. Die Band aus Melbourne wirkt wie aus der Zeit gefallen in ihren 80er Outfits, die stark an Flashdance erinnern. Musikalisch gibt es aber eher Punkrock, mit Hardcore und Thrashelementen auf die Ohren. Und das wird gefeiert, so dass Frontmann Stevie schon bald im Graben steht und die Leute mitsingen lässt. Später dann springt er von der Bühne, über den Fotograben, ins Publikum, singt dabei weiter, bevor es zurückgeht. Weitere Songs der Setlist sind im Übrigen u.a. „Euthanise Me“, „Bisexual Awakening“, „Bad Blood/These Veins“ oder „Play Dead“. Ein großartiger Auftakt einer wirklich starken Band, die sogar auf so einer riesigen Bühne perfekt performt. Clowns hätten auch noch länger als die 30 Minuten spielen können.

Scream for me, Hannover

Es folgt eine schnelle Umbaupause, dann geht es direkt um 16:15 Uhr mit The Last Gang weiter. Die Band um Sängerin Brenna Reid ist mittlerweile auf ein Quartett angewachsen, was den melodischen Punkrock der Band aus Südkalifornien noch druckvoller macht. Los geht es mit „FTW“ und den dazu passenden Mittelfingern. Brenna, die mit ihren knallgrünen Haaren heute besonders auffällt, fordert das Publikum zum gemeinsamen Schreien auf, dann folgen „Sing For The Supper“, „Turn The Record Over“ und etwas später „Noise Noise Noise„“, Die Stimmung ist gut, auch wenn die Band in einem kleinen Club sicher für einen wahren Abriss sorgen würde. Und dennoch, das Publikum in Hannover nimmt The Last Gang an, was auch an der Ausstrahlung und Präsenz von Brenna liegt, die wenig später ohne Gitarre ausgelassen über die Bühne tanzt. Die Kalifornier zeigen Spielfreude und haben sichtbar Bock, woran auch ein paar technische Probleme nichts ändern können. Der musikalische Schwerpunkt liegt auf dem aktuellen Album „Noise Noise Noise“, was dann auch direkt „Gimme Action“ unter Beweis stellt. Zum Finale wird die Band noch kurz vorgestellt und mit „Prosthetic Lost Cause“ und Blood Drunk“ noch einmal Gas gegeben. Brenna bedankt sich noch fürs zeitige und zahlreiche Erscheinen, dann geht es in die nächste Umbaupause. Das hat durchaus sehr viel Spaß gemacht.

43 Jahre Brachialität

Als nächsten sind nun Negative Approach an der Reihe. Im Vorfeld wurde immer wieder darüber diskutiert, inwieweit diese Band in so ein Line-Up passt. Es sei aber festgestellt: Sie hatte mit Sicherheit ihre Berechtigung und wurde auch entsprechend und zahlreich gewürdigt. Aber auch hier bleibt die Überzeugung, Negative Approach sind in kleinen und dunklen Clubs deutlich besser aufgeboben. Die Band um den oft etwas grimmig schauenden Frontmann John Brannon macht dann auch keine Gefangenen. Außer einem „We are Fucking Negative Approach“ zur Begrüßung wird fast ausschließlich auf Ansagen verzichtet. Viel mehr füllt man die Spielzeit mit schnellen und brachialen Hardcore-Punk-Songs wie „Can´t Tell No One“, „Evacuate“, „Dead Stop“, „Live Your Life“ oder „Ready To Fight“. Die Band aus Detroit spielt dabei ein wildes Potpourri aus den Songs der gesamten 43-jährigen Badhistorie. Dazu zählt auch der gleichnamige Namenssong, das Sham 69-Cover „Borstal Breakout“ oder „Fiend Or Foe“. „I´ll Survive“ setzt schließlich den Schlusspunkt unter das dreißig-minütige Set. Wie gesagt, das war sicher nicht für Jedermann, wurde aber dennoch zum Teil wohlwollend aufgenommen.

Freude über die tolle Venue

Auch Scream gibt es bereits seit 1982. Die Band wurde in Washington D.C. gegründet und ist in Teilen auch heute noch in Originalbesetzung unterwegs. Dave Grohl, der Ende der 1980er Jahre dort als Drummer aktiv war, ist allerdings nicht dabei. So eröffnete die Band um den sympathischen Sänger Peter Stahl mit „DC Special Sha La La“ und „Bored To Life“ vom aktuellen Album „DC Special aus dem Jahr 2023. Auch Scream gehören in die musikalische Sparte des Hardcore-Punk, verarbeiten dies aber melodischer und grooviger. Die Band hat auf jeden Fall eine Menge Spaß und Spielfreude auf der Bühne, was deutlich zu merken ist. Auch ein Grund, warum der Funke recht schnell auf die Hannoveraner überspringt. Weitere Songs des erneut gut 30 minütigen Sets sind u.a. „Human Behaviour“, „This Side Up“, „Laissez-Faire“ oder „Fight/American Justice“. Der Auftritt stimmt, die Band gibt gut Gas und so gehört das Quartett tatsächlich zu den Highlights und Überraschungen an diesem Tag.

Macht euch eine schöne Zeit und gewinnt neue Freunde

Als nächstes sind Circle Jerks dran. Um 18.45 Uhr betreten Keith Morris und seine Mitstreiter zu Polkaklängen die Bühne. Als erstes stellt der Frontmann direkt seine Band vor, die man durchaus als Allstar-Combo bezeichnen kann. Denn die verschiedenen Mitglieder seiner Band waren u.a. schon bei Queens Of The Stone Age, Joe Strummer oder Bad Religion (Greg Hetson) aktiv. Zum Start gibt es u.a. „Deny Everything“, „Letterbomb“, „In Your Eyes“ oder „Stars and Stripes” auf die Ohren. Für Keith Morris ist es wichtig, dass die Leute Spaß haben, rumspringen, eine tolle Zeit haben und so bei Circle Jerks neue Freunde finden. Der Ausschlag im Publikum ist nun deutlich und klar zu erkennen: Ein Großteil der Hannoveraner feiert den kompromisslosen Hardcore-Punk der Band aus Kalifornien ab. Auch die Circle Jerks gründeten sich bereits zu Beginn der 1980er Jahre. Somit steht hier heute bereits die dritte „Hardcore“-Legendenband auf der Bühne. Das liegt auch an Keith Morris, der u.a. bei Black Flag, Flag und Off! aktiv war. „Wild In The Streets“ vom gleichnamigen Album ist das nächste Highlight an diesem Tag und kommt besonders gut an. Dann folgen u.a. noch „Under The Gun“, „Trapped“, „Deny Everything”, „Don´t Care”, „I, I & I”, „World Up My Ass” oder „Live Fast Die Young” sowie einige mehr. Keith bedankt sich bei Allen und auch den anderen Bands, bevor es nach 35 Minuten schon vorbei ist mit der Circle Jerks Herrlichkeit. Man sieht doch eine ganze Reihe an glücklichen Gesichtern. Die Band aus LA konnte also punkten.

Ein letztes großes Aufgalopp mit NOFX

Nun dauert es gute 40 Minuten Umbaupause, bis NOFX an der Reihe sind. Auf das Quartett hat das Publikum nur gewartet. Zuerst betritt Schlagzeuger Erik zu „Time Warp“ vom Band die Bühne, dann der Rest. Auch El Hefe ist heute dabei, der die beiden Shows zuvor in Kopenhagen und Hamburg wegen anderer Termine verpasst hat. Als kleine Unsitte fliegen zu Beginn zahlreiche Bierbecher auf die Bühne. Fat Mike scheint dies aber nicht zu stören. Er ist sowieso noch mit einem Apfel beschäftigt. Viel mehr wirft er den Drummer ab, der mit Drumsticks antwortet. Die Stimmung ist prächtig, auf der Bühne und davor. Und selbst Fat Mike hat extrem gute Laune. Wir haben viel geübt, so der Frontmann und Bassist, aber wir spielen heute auch Songs, die wir vergessen haben zu proben. Dann wird die Band vorgestellt, wobei Mike sich nicht als ganz so Namenssicher erweist. Nun kann es losgehen, und dies geschieht mit „60%”, „Stickin In My Eye“, „Murder in The Government“ und „Bob“. Der Songs wird aber wie ein, zwei andere Lieder später abgebrochen, da jemand im Publikum zu Fall gekommen ist. Band und Stuff haben da ein besonderes Auge drauf. Starke Nummer. Hauptsache alles sind am Leben, was besonders El Hefe wichtig erscheint.

Ansonsten ist dies eine wirklich gute NOFX-Show. Es wird wie immer unglaublich viel geblödelt auf der Bühne. Die Meute nimmt vor allem die Musik dankend an und so wird getanzt, gefeiert und bei sehr vielen Songs sehr laut mitgegröhlt. Was für eine tolle letzte Show von NOFX in Hannover. Das denkt sich wohl Stevie Williams von der Band Clowns und springt splitterfasernackt von der Bühne ins Publikum. Wie „Punk“ das noch ist, muss sich jeder selbst beantworten..Musikalisch folgt ein Hit nach dem anderen. Die Setliste ist ein Best-Of der vergangenen 40 Jahre NOFX. Dazu zählen auch „All Outta Angst“, „Kids Of The K-Hole“, „Six Years On Dope“, „180 Degrees“ oder „The Man I Killed“.

„Ich liebe dich Hannover“

Und Hannover liebt Fat Mike und NOFX. Denn auch dieses Konzert ist wieder besonders und macht sehr viel Spaß. Im Laufe der Show wird das kleine gelbe NOFX-Bühnenbanner durch ein großes gelbes „Hannover“-Banner ersetzt – der Bandname ist aber genauso klein wie zuvor. Neben der Musik steht der Witz im Mittelpunkt und so sorgen die Musiker immer wieder für Lacher, erzählen Geschichten oder machen sich über amerikanische Präsidenten lustig. Überhaupt seien die USA 2024 ja ziemlich am Arsch. „The Brews“ setzt anschließend das nächste musikalische Highlight. Bei „Lori Meyers“ erhalten die Kalifornier Unterstützung von Brenna Reid von The Last Gang. Und songtechnisch geht es immer weiter, so z.B. mit „Johnny Appleseed“, „“Leave It Alone“, „Fuck The Kids“, „Instant Crassic“, „I´m Telling Tim, „I Wanne Be An Alcoholic“ oder „Linoleum“.

Nach knapp 80 Minuten gibt es eine kurze Pinkelpause. Später folgen dann noch u.a. „72 Hookers“, „Les Champs-Elysee“, „Franco Un American“, „Dinosaurs Will Die“ und als Krönung „Kill All The White Man“. Hier geben Band und Publikum noch einmal alles. Ein wenig abrupt endet dann nach einer Stunde und knapp 50 Minuten die wohl letzte NOFX-Show in Hannover. Und wenn man diese Band doch recht oft und vor allem die vergangenen viermal auf der Faustweise gesehen hat, so bleibt doch etwas Wehmut. Doch die Erinnerungen an zumeist tolle und witzige Liveshows in Hannover von Fat Mike, El Hefe und Co bleiben. Und wer weiß wie lange dieser Abschied wirklich dauert. Diese Show geht auf jeden Fall in die Bücher ein. Klasse! Und ein toller Tag in Hannover-Linden dazu.

Anmerkung der Redaktion

Maria, hatte mir auf die Agenda geschrieben dieses eine Mal privat und ohne Kamera bei NOFX zu sein. Ich unterschreibe Roberts Konzertbericht total, hatte aber ein paar kritische Wahrnehungen, die ich gern ergänzen würde. Für mich waren Clowns und The Last Gang definitiv die besten Bands des Tages, Scream die größte Live-Überraschung und Negative Approach absolut unnötig. Bei den Circle Jerks wusste ich immerhin, was mich erwarten wird und das wurde tatsächlich positiv übertroffen.

Spliterfasernackt ins Publikum zu springen, wie es der Sänger der Clowns tat, finde ich allerdings hart daneben – da bringen auch alle Suff-Reels im Nachhinein wenig Verständnis. Um ehrlich zu sein hätte ich vermutlich vor 5 Jahren auch einfach noch die Augenbraue hochgezogen, einen abfälligen Spruch gebracht und dann wäre es mir egal gewesen, heute ist es das nicht mehr. Auch Punk darf nicht alles und wenn ich mir vorstelle, dass Menschen im Publikum standen, die das warum auch immer in ein altes Erleben gebracht haben könnte, weil Sie beispielsweise Opfer von sexueller Gewalt oder Missbrauch sind oder waren, finde ich das galant gesagt ganz schön scheiße, grenzüberschreitend, mackerhaft und unsolidarisch. Die wenigsten möchten ungefragt einen Penis im Gesicht habe. Auch hier gehört zu einem ganzheitlichen Verständnis von Awareness, dass sich in diesem Moment niemand frei dafür oder dagegen entscheiden kann. Kackmove!

Ich fande NOFX um ehrlich zu sein viel zu leise. Ich habe gehört, dass es eine Dezibelbeschränkungen gab, aber ganz ehrlich, bei manchen Gesprächen in meinem Umfeld musste ich mich sehr anstrengen, die Musik nebenbei zu verstehen. Was die „Pinkelpause“ sollte, raff ich bis heute nicht oder war das der berühmte „wir lassen uns feiern“-Moment vor der Zugabe? Und dass das Ende so abrupt oder eben mehr klang als sanglos kam, weckt in mir auch echt Irritationen. Viele Menschen haben richtig viel Kohle für ein Mittelklasse Line-up (besonders im direkten Vergleich mit anderen Städten) ausgegeben, da kann man doch echt zumindest so tun, als würde man sich freuen, sich von der jeweiligen Stadt verabschieden zu können und ein paar warme Worte verlieren.

Zehn vor zehn war Schluss. Songs gibt es, trotz das die Setlist echt gut war, in der Historie genug, um auch noch zehn weitere Minuten zu füllen und die 40 Songs, die man groß angekündigt hat, vollständig zu spielen. Aber gut, aus Köln hörte ich, es war ähnlich – inklusive der Enttäuschung bei den Besuchern. Hat eigentlich irgendeine Stadt tatsächlich 40 Songs gehört? Und erzählt mir nicht von Intro und Outro.

Mit NOFX war es das jetzt und ich fühle mich nicht wehmütig. Ich bin froh, dass diese Band mit all ihren Hymnen ein Teil meiner Sozialisierung war, dass ich „The Decline“ beim Jera on Air mit Orchester sehen durfte und dass ich all diese Punk in Drublics erleben durfte, aber jeder hat wohl tatsächlich seine Zeit.

Mein absoluter Dank geht an das Faust-Team: Wenn ich an das erste NOFX Fest mit Pennywise und Good Riddance denke und sehe, wie umfänglich Ihr an der Open Air Thematik gewachsen seid, macht es mich irgendwie stolz, Euch in der Nachbarschaft zu haben und schon so lang „dabei“ zu sein. Alles Organisatorische, was ich mitbekommen habe, war einfach richtig gut. Hoffentlich hören die Open Airs auch ohne NOFX bei Euch nicht auf. Ich bin immer wieder gern dabei!