Köln, 02.03.2023, Gloria. Ausverkaufte Halle. PALE baten zum allerletzten Mal zum Tanz und ich persönlich habe mich schon sehr auf diesen Abend gefreut, obwohl es diesen Abend nie geben hätte sollen. PALE waren eigentlich schon im verdienten Ruhestand, doch die Krebsdiagnose von Gitarrist Christian Dang-anh und eine ebenso schlimme Diagnose von Schlagzeuger Stephan Kochs führte die Band wieder zusammen und man nahm zusammen neue Musik auf, die schlussendlich auf dem Album „The Night, The Dawn And What Remains“ zu hören war, welches Ende 2022 das Licht der Welt erblickte.
Chapeau, liebe PALE!
Das erlebte jedoch Christian nicht mehr. Er erlag leider im Mai 2021 seinem Krebsleiden. Doch PALE veröffentlichten trotzdem dieses Album als ein Denkmal der Freundschaft, des Lebens und der Liebe zur Musik. Und ganz in Christians Sinne sollte dies auch noch einmal ein letztes Mal live gefeiert werden. Dieses ganz besondere Konzert schafft es jetzt auf eine Vinyl-On-Demand-Pressung und das ist Grund genug für mich, dieses Konzert noch einmal für Euch Revue passieren zu lassen:
Neues aus Uhlenbusch
Ich war schon relativ früh in Köln an dem Tag, aber tatsächlich waren schon ca. eine Stunde vor Konzertbeginn die ersten Menschen vor dem Gloria. Alle waren bester Dinge, man tauschte sich ein wenig aus und wartete gespannt auf den Einlass. Schließlich wurde heute voll und man wollte sich gute Plätze sichern. Pünktlich wurde dann auch der Laden geöffnet und die schon mittlerweile stattliche Menschenmasse durfte ins Gloria strömen. Der Merchstand war tatsächlich noch nicht eröffnet, da sich Pale für heute Abend eine ganz besondere Shirt-Idee hatten: Die Setlist als Shirt. Coole Idee, aber deswegen konnten die natürlich nicht im Vorfeld verkauft werden. Spoilerfreie Zone. Aber man konnte auch schon Hilly-Ultras-Shirts (Hilly ist der Bassist der Band) erspähen. Die sahen auch schon ziemlich lässig aus. Man sah auch viele in Band-Shirts rumlaufen, die schon einige Waschgänge über sich ergehen lassen haben. Zum Glück war ich dann doch nicht der Einzige.
Da es dann aber nichts weiter zu tun gab, ging es an die Bar und dann wurde sich ein guter Platz im doch recht weitläufigen Gloria gesucht und auf die Vorband gewartet. Diese war niemand Geringeres als Thees Uhlmann und Marcus Wiebusch, die den Abend heute mit einer schönen Auswahl Ihrer Songs akustisch eröffneten. Songs, wie zum Beispiel „Ich sang Die Ganze Zeit Von Dir“ oder „Landungsbrücken raus“ brachten das Publikum bereits ordentlich auf Touren und es wurde mehrfach lauthals schon mitgesungen, was schon für den ein oder anderen Gänsehautmoment sorgte und dabei war die Band des Abends noch nicht einmal auf der Bühne. Die Beiden sorgten aber auch immer mal wieder schöne Lacher. Die beiden wären doch sehr dankbar, dass PALE einer so jungen und aufstrebenden Band die Möglichkeit gäbe, vor großem Publikum zu spielen und an hätte ja auch die neue Platte „Neues aus Uhlenbusch“ (grandioses Wortspiel inklusive Anlehnung an die alte Fernsehserie) dabei. Diese kleinen Scherzereien waren aber auch bitter nötig, denn der Abend sollte noch emotional genug werden.
Für Christian
Dann war es auch endlich soweit. Und lautem Beifall enterten PALE die Bühne. Ein allerletztes Mal. Mit „Wherever You Will Go“, dem Anfangstrack des letzten Albums, wird der Abend begonnen. Da Stephan Kochs aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hinter dem Schlagzeug sitzen kann, wird er heute von Benni Thiel vertreten und Christians Parts übernehmen Philipp Breuer und Peter Tiedeken gemeinsam. Quasi sind heute die PALE SIX auf der Bühne. Nach dem Song lässt es sich Frontmann Holger Kochs nicht nehmen, ein paar Worte ans Publikum zu richten. Er hatte sich hierfür zwar erst eine Rede überlegt, dachte sich dann aber doch spontan „Scheiss drauf.“ Denn alle hier im Gloria wussten genau, weswegen sie heute hier waren. Um Christian ein letztes Mal die Ehre zu erweisen.
„Es wird ein langer Abend“, verkündet Holger vollmundig und das wird er auch tatsächlich den PALE haben sage und schreibe 27 (!) Songs auf die Setlist geschrieben. Bei solch einem Mammut-Programm brauch man selbstverständlich Unterstützung und hier haben sich PALE echt nicht lumpen lassen und das „Who is Who“ und langjährige Wegbegleiter eingeladen, die nur zu gern Ihre Unterstützung zugesagt haben. Simone Sohn von der Popmusikförderung NRW, die auch die ersten Konzerte mit PALE veranstaltet hat, sang „Drop That Beat“ mit Holger im Duett, David Frings von Fjørt spielte beim Emo-Kracher „Hello, Lucky Thing“ mit, Kettcar-Bassist Reimer Bustorff wirkt bei „I Am Sorry (You Are Not) mit, Tanja Kührer von Still Talk bringt mit Ihrer Stimme „500 Songs“ zum Leuchten und Kilians-Sänger Simon den Hartog kehrt nach vielen Jahren Bühneabstinenz für „Still You Feel“ zurück. Dieser hat sogar noch einen besonderen Part, denn direkt im Anschluss spielen PALE zusammen mit Simon den Kilians-Hit „Start The Fight“. Einfach großartig.
Das PALE aber auch eine Band von Welt waren bzw. auch immer noch sind, beweist wohl der hochkarätigste Gast an diesem Abend. Niemand Geringeres als Steve Norman von Spandau Ballett spielt auch live sein Saxophon-Solo zu „Someday You Will Know“. Ein wirklich atemberaubender Moment an diesem Abend. Danach erzählte uns Steve, wie es dazu kam, dass grade er das Saxophon für die Studioversion einspielte. „Gold“ von Spandau Ballett war damals der Tourbus-Jam schlechthin und hat vor allem bei Christian immer für gute Laune gesorgt, selbst wenn der Tag nicht so pralle war. Diese Story hat Steve dann erzählt bekommen, sich den Song angehört und dann kurzerhand gesagt, dass er ein Solo für den Song einspielen will. Geschichten, die einfach nur das Leben schreiben kann. Und wo wir grad von „Gold“ sprechen. Das darf dann natürlich heute Abend auch nicht auf der Setlist fehlen, inklusive erneutem Solo von Steve vorweg.
Gänsehautmomente und Tränen in den Augen
Dass aber natürlich an diesem Abend sich ein Gänsehautmoment an den anderen reiht und auch die ein oder andere Träne in den Augen funkelte, dürfte auch keinen wundern. So richtig emotional wurde es aber zu „Bigger Than Life“, den Song, der Christian gewidmet ist. Schon davor ist Holger sichtlich ergriffen, meistert den Song aber mit Bravour, während im Hintergrund auf einer Leinwand Bilder und Aufnahmen von Christian laufen. Danach wird auf der Bühne den Gefühlen freien Lauf gelassen und Hilly und Holger fallen sich in die Arme. Zu dem genauen Zeitpunkt standen glaub ich bei allen Zuschauer*innen die Tränen ziemlich hoch in den Augen. Aber es gab noch mehr dieser Momente. Das Publikum fing bei „How To Survive Chance“ an zu schnipsen, Holger spielte akustisch den Song „Tonight (We Can Be Everything)“, der dadurch einen ganz wundervollen melancholischen Anstrich bekam und bei „Teenage Heaven“ wurde so dermaßen laut mitgesungen, dass Christian das oben definitiv gehört haben muss.
Für den aber krassesten Gänsehautmoment an dem Abend, was mir aber auch erst im Nachhinein so richtig bewusstwurde bzw. ich es dann erst so richtig greifen konnte, war Peter Tiedeken. Dieser übernahm die Gesangparts von Christian und vor allem beim Song „Split Kick (My Friend David)“ dachte ich, dass Christian auf der Bühne steht und singt. Die beiden klingen so verdammt ähnlich, dass man den Unterschied nur bei genauerem hinhören erkennt.
Die letzten drei Songs des Abends waren eh ein einziger Gänsehautmoment – „Six Shining Minutes At The Airport“ inklusive Emo-Outro, welches mit überwältigender Mehrheit im Vorfeld als Wunschtitel von den Fans gewählt wurde, das eben schon beschriebene „Teenage Heaven“ und „Goodbye Trouble“ inklusive der Vorstellung sämtlicher Bandmitglieder an diesem Abend und einem völlig freidrehenden Holger, der kurzerhand auf die Schultern von einem Zuschauer schwang, um mitten in der Zuschauermenge zu feiern. Unter langem und wirklich ohrenbetäubendem Applaus verließen PALE dann die Bühne. Ein allerletztes Mal. Und es war einfach nur wunderschön.
Ein klitzekleiner Wermutstropfen
Es gab noch natürlich viel, viel mehr schöne Begebenheiten an diesem Abend, aber das soll erst einmal genügen. Ich denke, Ihr habet schon ein gutes Bild davon bekommen, was für ein toller Abend es war. Warum erzähl ich Euch erst jetzt nach all der Zeit davon? Ich habe einfach lange mit mir selbst gehadert, ob ich mit einem Bericht über solch einen emotionalem Abend dem überhaupt gerecht werden kann und meine Antwort war bis vor kurzem ein „Nein“ – wenn auch kein Klares. Dadurch aber, dass jetzt dieses Konzert noch einmal als Platte veröffentlicht wurde und meine Erinnerungen an dem Abend immer noch so präsent sind, sagte ich mir, wie schon Holger auf der Bühne: „Scheiss drauf!“
Und genau dazu kommen wir jetzt auch, zu dieser Live-Veröffentlichung. Um es direkt vorweg zu nehmen: Es lohnt sich über alle Maßen, sich diese Dreier-LP zu besorgen. Der Sound ist wirklich sehr gut und vor allem die Atmosphäre wird genau richtig eingefangen. Selbst das Schnipsen bei „How To Survive Chance“ kann man hören. Ein Song musste aber leider aus rechtlichen Gründen gestrichen werden und das ist die wirklich gelungene Cover-Version von „Gold“. Sehr schade, wie ich finde, aber das beeinträchtigt den Gesamteindruck glücklicherweise trotzdem nicht und die 26 Songs erklingen wie aus einem Guss aus den heimischen Lautsprechern. Und nicht selten hatte ich beim Hören wieder feuchte Augen. Wunderschön.
Wer jetzt noch nicht zugeschlagen hatte, sollte sich beeilen, denn Grand Hotel Van Cleef hat noch ein paar Restbestände auf Lager. Wenn die weg sind, dann für immer. Also, tut Euch was Gutes und beschenkt Euch in dieser Zeit einfach mal selbst. Es lohnt sich.