Popperklopper – Wahnsinn Weltweit

Ich gebe es zu, ich bin ein Verpackungsopfer. Schon immer gewesen und werde ich auch, aller Bestrebungen und besseren Wissens zum Trotz, wohl immer sein. Wer sich darin wiedererkennt und nun missmutig ob des eigenen schlechten Gewissens den Kopf hängen lässt, sei versichert: das hat auch seine guten Seiten! Case in Point das neue Album von Popperklopper. Denn an dieser Stelle folgt Geständnis Nummer zwei: ich war nie großer Popperklopper Fan. Oder nein, lasst mich das anders formulieren. Ich war nie großer Deutschpunk Fan und deshalb auch an Popperklopper höchstens peripher interessiert. Deshalb ließ mich auch die Meldung ihres neuen Albums „Wahnsinn Weltweit“ kalt. Was mich aber sofort abgeholt hat war das Cover, welches angemessen bunt und chaotisch um die Ecke kommt und dazu einlädt, etwas genauer hinzuschauen. Also habe ich genau das gemacht und die Platte unter die Lupe genommen.

Der Hauptriff des Songs lag mir nach dem erstmaligen Hören den ganzen Tag im Ohr und wollte auch nach einer Kerzenwachsbehandlung nicht verschwinden. Chapeau und danke dafür!

Deutschpunk meets Propagandhi

Und, siehe da, schon der Opener bietet die erste Überraschung! „Panik und Angst (S.O.S.)“ ist ein Songtitel der so sehr nach Deutschpunk klingt, dass sich vor meinem inneren Ohr Erinnerungen an schrammelige AJZ-Abende manifestierten, bei denen die Instrumente zu einem homogenen Einheitsbrei verschwammen und heiseres Gebell gegen die Polizei aus müde-versifften PA’s wummerte. Talking about Erwartungshaltungen. Und obwohl dieser Trend (bis auf den tollen Titel „Pleiten pflastern seinen Weg“) über die gesamte Albumlänge erhalten bleibt, beweisen Popperklopper bereits zu Beginn, dass sie musikalisch deutlich mehr zu bieten haben und erinnern dabei sogar stellenweise an Propagandhi. Neben immer wieder wunderbar eingestreuten Metal- und Hardcore-Einflüssen bedienen sich die Herren aus der Eifel in „Zur rechten Zeit am falschen Ort“ dann sogar beim Reggae und werden dabei von Dritte Wahl Gunnar unterstützt.

Deutschpunk meets 77‘-Britpunk

Dann folgt mit „Nicht angesagt“ mein erstes Highlight des Albums. Der Hauptriff des Songs lag mir nach dem erstmaligen Hören den ganzen Tag im Ohr und wollte auch nach einer Kerzenwachsbehandlung nicht verschwinden. Chapeau und danke dafür! Dann der nächste Richtungswechsel. „Without You“ ist die erste von zwei englischen Nummern auf dem Album und zugleich der erste Song mit weiblicher Beteiligung. Ihr ahnt es vielleicht, weil ich es als den ersten Song bezeichnet habe, dass es nicht der letzte sein wird. Eine wirklich gute Entscheidung, denn die stimmlichen Akzente brechen die entsprechenden Songs wunderbar auf und ergänzen immer da, wo Monotonie einzusetzen droht.

Deutschpunk meets Rock`n`Roll

Nach dem bereits erwähnten „Pleiten pflastern seinen Weg“ machen Popperklopper einen Schwenk zum Rock‘n’Roll und zeigen, dass sie auch dazu ohne Probleme in der Lage sind. Mit Rock-Klavier und Solo-Gewitter geht es in „So weit – so schlecht“ weiter. Ein ironischer Titel, wenn ich bedenke, wie gut mir das Album bis zu dieser Halbzeitmarke gefallen hat. Mit Sven von Graupause steht in „Mann-O-Mann“ dann das nächste Feature auf dem Plan und auch das funktioniert stimmlich sehr gut, gerade bei diesem Song, der sich mit dem Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau auseinandersetzt, wäre ein stärker beteiligter weiblicher Gesang aber spannend gewesen. Stattdessen übernehmen die Männer den Großteil des Tracks und werden nur durch Background Vocals und Chöre ergänzt. Angesichts der Thematik aber auch ganz passend, schließlich ist der Song aus Sicht genau der Männer geschrieben, über die (Szene-übergreifend) nur allzu oft berichtet werden muss. Trotzdem hätte ich mir hier eine starke Gegenposition als Feature gewünscht.

Deutschpunk meets Duden

„Dorfnazi“ und „Zurück in die Vergangenheit“ sind dann im Vergleich zum bisher Dargebotenen recht klassische Lieder, wie sie zu erwarten waren, was so weit hinten auf der Platte auch überraschend gut funktioniert, da sich Popperklopper auf den acht vorherigen Tracks bereits ordentlich austoben konnten und deshalb auch bei quasi-Bekanntem keine Müdigkeit einsetzt. Davon abgesehen folgt prompt der Höhepunkt der Scheibe, „Erklär mir mal: Krieg“. Ein Song über die Bedeutung von Krieg und die Notwendigkeit der Menschen, immer wieder bewaffnete Konflikte anzuzetteln, obwohl wir uns der Folgen und Sinnlosigkeit bewusst sind. Ganz, ganz wunderbar!
Im Endspurt macht das Trio nochmal einen Schwenk zum englischen Punk, der meiner Meinung nach nicht unbedingt hätte sein müssen und für mich den Schwachpunkt des Albums darstellt. Zum Glück holen sie mit „Verliebt, verlobt, verprügelt“ aber nochmal aus und setzen ein weiteres Ausrufezeichen gegen Gewalt (an Frauen). Ein starker Abschluss, der „Wahnsinn Weltweit“ nach dreizehn Songs den Deckel aufsetzt.

Fazit

Meinen musikalischen Vorlieben geschuldet, bin ich mit recht geringen Erwartungen an das neue Popperklopper Album rangegangen. Insgesamt verirrt sich Deutschpunk nur selten auf meine Playlists, weil er mir oft zu repetitiv, zu einheitlich und zu parolenbeladen ist. Letzteres ist am Ende auch der einzige Kritikpunkt, den ich an „Wahnsinn Weltweit“ richten kann. Zwar landen sie jeden verbalen Treffer, ein wenig mehr Feingeistigkeit hätte aber gut getan. Hier und da gab es über die gesamte Platte zudem immer wieder Momente in denen mich die Texte an Folge 17 des Tatortreinigers, „Der Fluch“, erinnerten, in der Schotty und der Auftraggeber dauerhaft in Reimen sprechen mussten, um nicht dem alten Fluch zum Opfer zu fallen. Good times, funktioniert hier aber leider nur bedingt. Insgesamt sind die Lyrics zwar auf den Punkt gebracht und inhaltlich ohnehin lupenrein, hätten aber etwas mehr Mut vertragen können, abseits der gewohnten Reimmuster geschrieben zu werden.

Das ist aber Meckern auf ganz hohem Niveau, denn was Popperklopper auf ihrer neuen Platte „Wahnsinn Weltweit“ in 13 Songs abliefern ist wirklich gelungen. Das Album strotzt nur so vor Ideenreichtum, Spielfreude und Wut, ist mindestens so abwechslungsreich wie kurzlebig und bietet selbst einem Deutschpunk-Muffel wie mir einige erinnerungswürdige Momente des zufriedenen Kopfnickens. Und wer weiß, wenn der nächste Output auch so stark ausfällt, werde ich vielleicht noch zum Fan!

Video: Popperklopper – Scheiße bleibt Scheiße

Chris

Während seiner Jugend kultivierte Chris eine Vorliebe für laute Gitarrenmusik, die er in der Garage seiner Mutter ausleben durfte, dem Unmut axtschwingender Nachbarn zum Trotz. Er fühlt sich im Punk zu Hause und würde niemals eine Chance versäumen, einen Auftritt von The Bronx oder Clowns zu besuchen. Abseits der Bühnen findet man ihn auf dem Basketballplatz, mit einem Gläschen Whisky vor Brettspielen oder grübelnd an seinem aktuellen Buchprojekt tüfteln.

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Veröffentlicht von
Chris

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