Für kreative Ruhephasen scheint Sänger Maynard James Keenan ein Faible zu haben. Während nach gefühlten „10 000 Days“ die Gerüchteküche um einen anstehenden Release der Band Tool brodelt, melden sich auch A Perfect Circle nach satten 14 Jahren Schaffenspause mit ihrer vierten Studioplatte „Eat The Elephant“ zurück. Die gewohnt tiefsinnigen Lyrics orientieren sich dabei an einer gesellschafts- und sozialkritischen Thematik. Der musikalische Part wäre bestenfalls als avantgardistisch in eine Schublade zu bekommen.
Kein Sturm nach der Ruhe
Der Titeltrack des Albums setzt sich aus Klavier, Schlagzeug und Gesang zusammen. Er leitet den Hörer durch seine ruhige Atmosphäre allmählich in das Album ein. Sofort fällt auf, dass Keenans Stimme irgendwie anders ist. Im Vergleich zu den Vorgängeralben ist sie deutlich klarer, als hätte man den Gain ein gutes Stück runtergedreht. Doch wer glaubt, „Eat The Elephant“ sei die Ruhe vor dem Sturm, liegt falsch. „Disillusioned“, der zu den vier bereits im Vorfeld veröffentlichten Songs des Albums gehört, startet zwar schneller, gleicht dennoch maximal einem leichten Nieselregen. Auffällig ist die fehlende Kontinuität im Lied: Gesangparts wechseln sich lediglich begleitet von einzelnen Klavieranschlägen mit schnelleren und melodischen Parts im Chorus unregelmäßig ab.
Als Hit des Albums ist wohl „The Doomed“ zu bezeichnen. Mit sinnreichen Zeilen wie: „Behold a new Christ, behold the same old horde“ und das prophetische „all doomed, all doomed“ wird eine Beziehung von der Religion zu den Problemen der modernen Gesellschaft hergestellt. Untermauert wird das Ganze dabei von paradeartigen Melodien. Im Vergleich zu bekannten Vorgängern, wie „Passive“ oder „Pet“, weist dieser ansonsten gehaltvolle Song dennoch nicht die eigentümliche Energie von A Perfect Circle vor. Keenan liefert nach wie vor großartige Texte, die zum Nachdenken anregen und auch, wenn man sich an seine neue, nun etwas (und sicher auch intendiert) leidenschaftslose Stimme vielleicht gewöhnen muss, ist sie bestens für die atmosphärische Konzeption des Albums geeignet. Dem zuträglich ist ebenso die großartige Arbeit am Piano und der Gitarre von Billy Howerdel.
„And when you’re no longer 27, are you even relevant?“
Die musikalische Unbeständigkeit ist das Markenzeichen der Band. Unregelmäßig wechselnde Takte und Melodien kennzeichnen die einzelnen Songs. Dass sich durch die gesamte Platte kein roter Faden ziehen lässt, beweist ebenso der ungewöhnlich elektronische Song „Hourglass“, der an eine Mischung aus Marilyn Mansons Sprechgesängen und Jonathan Davis’ Solo-Projekt erinnert und (vielleicht auch gerade deswegen) unglaublich catchy ist. Der abschließende Track „Get The Lead Out“ befriedigt alle Bedürfnisse nach Stilbruch, indem er von einem ruhigen Piano-Intro in einen rhythmischen, doch atmosphärischen EDM-Track überleitet und aus dem Album rauszuführen versucht. Am Ende vermag man sich kaum noch sicher zu sein, welche Platte man sich da gerade zu Gemüte geführt hat.
Für die Tanzfläche ist das zwölf Tracks umfassende Album wohl kaum geeignet, allerdings sehr wohl zum Hervorrufen transzendentaler Zustände in einsamer Stunde, als auch in kleinen Runden. In einem Interview mit dem Rolling Stones Magazine nannte Keenard, als eine der Fragen, die er sich während der Produktion des Albums stellte „And when you’re no longer 27, are you even relevant?“ Ja, A Perfect Circle haben sich offensichtlich verändert. Ob sie nun wirklich erwachsener geworden sind, darüber lässt sich streiten. Mit ihrer neuen LP haben sie sich neu erfunden und unter diesem Aspekt betrachtet, findet man in „Eat The Elephant“ eine stimmungsvolle, wunderbar inkonsistente Platte, die ihren Kauf wert ist.