Rock am Ring 2022 (Tag 2)

Foto: Cynthia Theisinger

Nach einer langen Nacht und zu wenig Schlaf geht es weiter mit dem zweiten Tag. Die Ersten sind sichtlich gezeichnet vom Vortag. Ob zu viel Alkohol, zu wenig geschlafen oder zu viel Sonne geht dabei fließend ineinander über.

Startschuss

Wer noch fit ist, sind auf jeden Fall Boston Manor, die früh am Tag keine Gnade haben und direkt reinhauen. Kein Wunder, ist es doch für sie das erste Mal, dass sie am Ring spielen dürfen. Und seien wir ehrlich, wenn man es geschafft hat, am Ring spielen zu dürfen, hat man es auf jeden Fall zu etwas geschafft. Also ab in den Circle Pit, es ist Zeit für etwas früh Sport.

Apropos Frühsport. Auf der Utopia Stage machen sich Sportfreunde Stiller bereit und die Menschen strömen nur so über die Start/Zielgerade in die vorderen Wellenbrecher. Angespornt von der Band geht es auch für immer mehr in die zweite Etage. Wobei nicht wie sonst surfend auf den Weg nach vorne, sondern ab auf die Schultern. Frauen auf Frauen, Frauen auf Männer, Männer auf Frauen, Männer auf Männer es wird in allen Kombinationen aufgesattelt und ab geht die wilde Fahrt.

„Ich habe euch versprochen. Ich bring die kleine Bühne auf die großen Bühnen zurück“, und zu diesem Versprechen stand Alligatoah auch. Nach einer mysteriösen Umbaupause stand sie da, die kleine Bühne. Dreist haben Bühnenbau Basti und seine Kollegen auf die riesen Utopia Stage eine eigene kleine Bühne komplett mit Wellenbrecher und Soundsystem aufgebaut und Alligatoah während der Show nach und nach wieder zerlegt. Die Menge fand es gut und sang bei jedem Song lautstark mit.

Masken und Klettereinlagen

Eine andere Art von außergewöhnlicher Bühnenshow war bei Ice Nine Kills auf der Mandora zu sehen. Die Band kam in Anzügen und Masken auf die Bühne. Nachdem sie ihre Masken gelüftet hatten, bekamen sie aber auch noch Besuch von Figuren, die genauso aus dem nächsten Slasher Film hätten sein können – bewaffnet mit Widderkopf, Kettensäge und Axt. Mit jedem Song ändert sich die Szene. Man sieht Enthauptungen – Anm. Keine Lebewesen sind dabei zu schaden gekommen – Exorzismen und andere Horrorfilmszenen live on Stage.

Fever 333. Wer letztes Mal beim Rock am Ring war, wird dieser Name Erinnerungen wecken. Das Trio aus Texas ist mittlerweile bereits bekannt dafür, dass die Grenzen von Bühnen relativ sind und ihnen Arbeitssicherheit ein Fremdwort ist. Nach einer bewegenden Ansprache gegen Rassismus, Ausgrenzung und den Ukraine-Konflikt drehen sie vollständig auf. Es wird auf alles geklettert und gesprungen, was sich finden lässt. So baut sich Sänger Jason Butler einen Turm aus Monitorboxen, um von dort aus runter zu springen oder Drummer Aric Improta macht einen großen Satz von seinem Hocker über das Drumkit. Zum Abschluss wird es aber auch noch wirklich gefährlich. So klettert Gitarrist Stephen Harrison samt Gitarre auf das Gerüst über die Bühne und Sänger Jason Butler springt fröhlich in die Menge. Erst von der Bühne und dann – weil es noch nicht genug war – klettert er auf den FOH für einen beherzten Sprung in die Menge. Zurück auf der Bühne sind die Zurufe der Menge überwältigend. So überwältigend, dass Jason den „Ausziehen“ Rufen sogar nach kommt und am Ende in Boxershorts von der Bühne spaziert. Was eine wilde Fahrt.

Endspurt

Auf der Utopia Stage begrüßt einen als nächstes Placebo mit einem Auszug aus ihrem neusten Album „Never Let Me Go“. Aber natürlich bleibt es auch nicht aus, dass sie ihre Klassiker auspacken und die Menge lautstark zu „The Bitter End“ und „Running Up That Hill“ mitsingen können. Einzig auf „Every You Every Me“ aus dem Set ihrer Klassiker wartenden Fans vergeblich.

Direkt im Anschluss präsentieren uns Muse ihr neue Arena Show. Mit einer Kombination aus gewaltigem Feuerwerk und spektakulärer Lichtshow. Wobei das nicht alles ist. So wandeln sich Band und Bühne an unterschiedlichen Stellen. Aber nicht nur optisch kann die Show einiges. Musikalisch sind die Briten voll dabei und haben eine Weltpremiere im Gepäck: „Kill Or Be Killed“. Der 4. Song des Albums „Will Of The People“, das für den 26. August angekündigt ist, hat es ordentlich in sich und kann die Menge sichtlich begeistern.

Wo gestern Casper bei Materia gefehlt hat, fehlt heute Materia – der heute im Park war – bei Casper. Casper bietet stattdessen ein Konzert in 4 Akten direkt aus dem heimischen Blumenbeet. Aber nicht nur Casper ist zu hören. Neben dem fleißigen Mitsingen der Menge kommen auch Drangsal mit auf die Bühne für „Keine Angst“.

„Unfassbar, Ihr seid alle die schönsten, aber nicht nur von außen“. Mit Dankeswort und einem gewaltigen Feuerwerk im Nachthimmel verabschiedet sich Casper und entlässt die Menge aus dem zweiten Tag Rock am Ring 2022.