Während ich diese Zeilen schreibe, befinden wir uns erneut im Lockdown und ich glaube, ich stehe nicht allein da, wenn ich sage: “Was für ein verf**ktes Jahr“ und das nicht nur wegen den immer noch vorherrschenden Rassismus-Problemen, Donald Trump, der AfD, oder immer noch menschenunwürdigen Lage in Moria und so weiter und sofort. Aber besonders COVID-19 hatte uns und vor allem die Musikszene fest im Würgegriff und wird diesen wohl auch nicht so schnell lockern. Leider.
Dabei ging es im Januar gut los und ich durfte mit meiner kleinen buckligen Kombo die Band Marathonmann im „Bei Chéz Heinz“ supporten. Mann, was war das für ein großartiger Abend und hätte ich zu dem Zeitpunkt gewusst, dass das mein einziges Konzerterlebnis dieses Jahr sein wird, hätte ich den Abend höchstwahrscheinlich noch mehr genossen als ich es eh schon getan hab. COVID-19 war zu dem Zeitpunkt zwar schon in den Nachrichten, aber für mich einfach noch nicht greifbar und zu weit weg, was sich aber in den nächsten Wochen schlagartig ändern sollte.
Das Virus schlug immer mehr Wellen und bevor man sich versah, befanden wir uns im Lockdown. Ich fand das zwar auch, bestimmt wie manch anderer, anfangs etwas befremdlich, aber man arrangierte sich mit der Situation. Es ging und geht hier schließlich immer noch um Menschenleben. Leider hatte der Lockdown einen ziemlichen Impact auf die Konzert- und Veranstaltungsbranche und so wurde Tour um Tour verschoben, Festivals abgesagt und viele Clubs rangen und ringen immer noch mit dem Tod. Ich hoffe hier nur, das die neuen Hilfen auch die Clubs und Musiker vernünftig unterstützen und nicht so etwas Dahingerotztes vorgeworfen bekommen, wie noch zum ersten Lockdown.
Aber viele harrten, wie so auch ich, aus, denn es musste ja bald besser werden. Denkste Puppe, da hat der Staat die Rechnung ohne die Schwurbler, Querdenker und Verschwörungsnazis gemacht. Man sagt ja immer, dass Deutschland das Land der Dichter und Denker sei. In diesem Jahr jedoch war es das Land der dichten Querdenker. Über Maßnahmen kann man gerne diskutieren, aber ein ganzes Virus wegzuleugnen und zu behaupten, man sei in einer Diktatur und man fühle sich wie Sophie Scholl (Ja, Jana aus Kassel, du taube Nuss bist gemeint!) geht eindeutig zu weit. Nicht nur, dass diese Gruppierungen den Staatsapparat gefährden, sie setzen vor allem Menschenleben aufs Spiel. Und genau wegen solchen Vollpfosten sind wir jetzt erneut im Lockdown, ca. alle drei Minuten stirbt ein Mensch an oder mit Corona und wenn mir meine Mutter erzählt, dass ein Freund mit Lungenentzündung und Corona-Virus aktuell ins Krankenhaus gekommen ist, verspüre ich so eine sch**ß Wut in mir gegen diese Eso-Nazis aufkommen, dass es schon weh tut.
„Man sagt ja immer, dass Deutschland das Land der Dichter und Denker sei. In diesem Jahr jedoch war es das Land der dichten Querdenker.“
Aber warum erzähl ich Euch das alles? Erstmal, weil Musik schon immer politisch war, ist und auch bleibt und ich in der Musikwelt mit meiner Meinung – zum Glück – nicht alleine bin (Bestes Beispiel ist wohl hier der Song „Super Spreader“ von Fear No Empire) und es vor allem jetzt schon wieder der ganzen Musikbranche an den Kragen geht. Wieder keine Konzerte, viele Künstler und Clubs haben in diesem Jahr so gut wie nichts verdient und wer weiß, wie viele von denen sich unbeschadet ins neue Jahr retten können. Und wenn ich an sowas denke, blutet mir einfach das Herz. Ich bin zum Glück, trotz semi-professionellem Musikerdasein, nicht von der Musik zum Leben abhängig und kann es auch – wenn auch nur schwer – verkraften, meine Bandkumpanen (An dieser Stelle: Ich hab‘ Euch lieb, bleibt gesund!) für längere Zeit nicht zu sehen und uns im Proberaum die Tage mit Aufnahmen, Songwriting und vor allem mit einer Menge Spaß um die Ohren zu schlagen. Andere wiederum, sowohl in der Künstler- als auch in der Clubszene, haben nicht das Glück und ich hoffe einfach nur inständig, dass sie die Hilfen bekommen, die sie auch verdienen. Ansonsten sehe ich an vielen Ecken schwarz für unser heißgeliebtes Hobby Musik.
„Fingers Crossed“ also für ein besseres Jahr 2021. Es kann ja nur noch besser werden.
„Bleibt gesund, passt auf Euch auf und nächstes Jahr sehen wir uns wieder auf Konzerten. Versprochen.“
Meine Lieblingsalben 2020
Trotz fehlender Konzertbesuche konnten wir uns aber dieses Jahr über jede Menge neue Alben freuen, welche uns gut über die schwierige Zeit brachten oder immer noch bringen.
Diese fünf Alben haben mich in diesem Seuchenjahr besonders abgeholt:
Ohne Vasudeva wäre es im Homeoffice verdammt still und einsam geworden. Aber diese Band hat es geschafft, dass ich im ersten Lockdown nicht den Kopf verloren hat. Warum? Hört am besten selbst.
Loathe – I Let It In And It Took Everything
Letztes Jahr habe ich Loathe noch im Vorprogramm von Stray From The Path live bestaunen dürfen und wurde regelrecht weggeblasen. Was für ein Auftritt. Dementsprechend war ich schon Feuer und Flamme für das neue Album und wurde nicht enttäuscht. Die Jungs kennen keine Grenzen und haben dadurch ein Wahnsinns-Album kreiert. Loathe sind mit Sicherheit einer der Bands im Modern Metal-Bereich der Zukunft.
Cremations – Dissolution Of Balance
„We are born with nothing and we are doomed to fade away“. Gleich die erste Textzeile des Openers „Nothing“ trifft den Nagel der aktuellen Weltlage voll auf den Kopf und bei mir voll ins Schwarze. Ein geiles Ding, das jeder HC/Metal-Fan mal auschecken sollte.
Das mich August Burns Red noch einmal so dermaßen abholen, hätte ich nie gedacht. Aber Guardians ist von vorne bis hinten eine ganz großartige Scheibe geworden, die auch heute noch in „Heavy Rotation“ bei mir läuft. Die Typen können es halt einfach.
Hach, der Evan. Er ist wieder da und das besser denn je. Mehr kann man dazu nicht sagen.
Außerdem haben noch zwei meiner absoluten Lieblingsbands neue Alben veröffentlicht, die ebenfalls sehr, sehr genial geworden sind. Das wären zum einen die Deftones mit „Ohms“ und „Black Stallion“ und The Smashing Pumpkins mit „Cyr“. Vor allem „Cyr“ läuft aktuell rauf und runter und begeistert vor allem auch meine Tochter, die dazu immer fröhlich durchs Haus tanzt.
Meine Lieblingsshows 2020
Zum Glück durften wir wenigstens auf Live-Musik nicht ganz verzichten, da viele Bands einfach per Livestreams einige Ihrer Songs akustisch zum Besten gegeben haben (z. B. Jimmy Eat World oder Pine) oder sogar in voller Montur auf den Bühnen ein wenig Konzertatmosphäre ins Wohnzimmer gezaubert haben (z.B. Underoath, Into It. Over It. oder August Burns Red).
Meine Neuentdeckung 2020
Und so kommen wir auch schon zu meiner Neuentdeckung des Jahres: Gaelynn Lea. Diese außergewöhnliche Künstlerin macht so gut wie wöchentlich Livestreams, die sich definitiv lohnen. Abgesehen davon ist sie eine wirklich begnadete Violinistin. Checkt auf jeden Fall mal ihr Tiny Desk Konzert aus. Gänsehaut pur.
In diesem Sinne: Bleibt gesund, passt auf Euch auf und nächstes Jahr sehen wir uns wieder auf Konzerten. Versprochen.
Euer Sash