Sperling – Zweifel

Sperling stellen heute mit „Zweifel“ ihr Debütalbum vor. Der Titel legt dabei bereits nahe, worum es sich inhaltlich dreht; in den Geschichten, die Sperling in ihren Songs erzählen. Es geht um menschliche Emotionen, den Umgang mit Ängsten und Depression, dem Alleinsein und Zweifel – Themen, die zur Zeit vielleicht prägnanter sind und die endlich immer mehr Erwähnung finden. Das Besondere an der fünfköpfigen Band aus dem Hunsrück: Statt einer zweiten Gitarre ist ein Cello mit dabei.

„Mit „Zweifel“ wagen Sperling ein großes und mutiges Debüt, halten mit Meinungen nicht hinterm Berg und zeigen musikalisch, was sie können. Dabei wandern sie zwischen Komplexität und Simplizität, alles ehrlich, nicht übermäßig hochpoliert.“

Mutiger Anfang

Eingeleitet wird das 12 Songs umfassende Debüt von „Eintagsfliege“, das sich mit ruhigen Klängen und Sprechgesang langsam aufbaut, mit immer kratziger werdender Stimme steigert, bevor es seinen Höhepunkt erreicht und schließlich mit einem starken musikalischen Outro endet. Thematisch geht es um die populäre Musikindustrie, die immer und immer schnelllebiger wird, ohne wirklich Veränderung mit sich zu bringen. Nicht gerade ein dezentes Statement für den Anfang – aber warum sollte es das auch sein?

Ein wenig fühlt man sich beim folgenden „Bleib“ an Heisskalt erinnert, wenn man nach einem energievollen Intro halb gesungenen halb gesprochenen Worten lauscht, die in einen starken Refrain munden, der sich durch seinen rauen Gesang dann doch deutlich von der vorher genannten Band abgrenzt. Auch macht das Cello hier zum ersten Mal wirklich auf sich aufmerksam, während der Song die Einsamkeit und das Verlassen besingt. „Stille“ fängt im Anschluss direkt mit Sprechgesang an und folgt was die Stimmlagen angeht dem gleichen Schema wie sein Vorgänger und die meisten anderen Songs auf diesem Album. War das Cello bei „Bleib“ noch ein leichter Akzent, so bekommt es nun seine Glanzmomente und symbolisiert musikalisch eben jene Stille zwischen zu viel Meinung und zu wenig Ahnung, die den Frust über die Realität und die Dinge, die gesagt werden sollten, verdrängen sollen.

Wechselspiel von Gitarre und Cello

Mit „Toter Winkel“ folgt ein erstes größeres Highlight auf „Zweifel“, bei dem sowohl Gitarre, als auch Cello wunderbar zum Einsatz kommen. Dabei ist die Nummer zwar langsamer, aber um so wirkungsvoller, mit schweren Riffs irgendwo zwischen Blues, Stoner und Shoegaze. Auch beweist sich hier Sperlings Talent für das Geschichten erzählen, fühlt man sich doch beinahe wie ein Gast in einer verrauchten, spärlich beleuchteten kleinen Kneipe, während man eben jenen Worten zuhört und die Menschen um sich herum beobachtet, deren Leben an diesem Ort aufeinandertreffen.

„Baumhaus“ war die erste Single, die es vorab zu hören gab. Es klingt, wie eine Metapher fürs Leben, das man sich langsam aufbaut wie ein Haus, das Risse bekommt, zusammenstürzt, wieder aufgebaut und ergänzt, stärker, stabiler, voller oder leerer wird. Begleitet von Musik, die ihr eigenes Wechselspiel spielt.
Der nächste Song trägt den Namen „Fuchur“, jener Drache aus „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Gitarre und Cello bilden auch hier ein spannendes Zusammenspiel, das den Gesang unterstützt.

Danach geht es mit „Relikt“ weiter, das vom Intro her an einen Metalcore-Song erinnert, nur eben mit einem vordergründigen Cello, was überraschend gut funktioniert. Generell ist der Titel zeitweise etwas heavier als seine Vorgänger und enthält Passagen, die tatsächlich mit Rap vergleichbar sind. Der Wechsel verschiedener Gesangsarten macht das Lied noch facettenreicher und interessanter, bevor ausgerechnet „Laut“ zunächst wieder entschleunigt. Die aktuellste Single baut sich ebenfalls langsam auf, wird durch ein zeitweise etwas schrilles Cello tatsächlich laut, was aber letztlich zum Text passt.

Das Beste kommt zum Schluss?

Nach einem abrupten Ende von „Laut“ erwartet einen „Mond“, die zweite Vorab-Veröffentlichung, die sehr Cello-lastig und eine eher ruhige Nummer ist. Definitiv auch ein Höhepunkt auf dem Album! Einen Moment der Stille, dann erklingt die etwas zähe Gitarrenspur von „Laut“. Stilistisch ähnlich wie bereits „Bleib“ beschrieben, doch ein wenig abwechslungsreicher. Den Endspurt läutet der Titelsong „Zweifel“ ein, wobei erneut das Cello im Vordergrund steht, begleitet von einem langsamen, beinahe pulsierenden Schlagzeug. Der Name ist dabei gleichzeitig beschreibend, erweitert vielleicht um Aussichtslosigkeit mit einem schmalen Silberstreif am Horizont, wenn auch eher vage formuliert. Oder ist es doch ein Dialog mit einer höheren Macht? Man weiß es nicht! Jedenfalls beweisen Sperling hier noch einmal, dass sie Vielfältigkeit eindeutig können.

Zum Schluss gibt es noch das „Schlaflied“ zu hören. Das thematisiert den Tod, das Gehen und eben die Personen, die den sterbenden Menschen auf seinem Weg begleiten. Passend zu diesem sehr intimen Thema ist der Song ein Akustik-Stück. Auch ist das Thema etwas, mit dem Sänger und Rapper Jojo als Altenpfleger täglich konfrontiert wird. Vielleicht vermittelt der Song gerade deswegen eine tröstliche Perspektive.

Ein gelungenes Debüt

Mit „Zweifel“ wagen Sperling ein großes und mutiges Debüt, halten mit Meinungen nicht hinterm Berg und zeigen musikalisch, was sie können. Dabei wandern sie zwischen Komplexität und Simplizität, alles ehrlich, nicht übermäßig hochpoliert. Es ist wahrlich kein Album, das man sich zwischendurch mal anhören kann, aber gerade das macht ein wenig seinen Charme aus. Man muss sich eben darauf einlassen und sich die Zeit nehmen, um dem Ganzen Raum zu geben.

Die Sperlinge sind eine Vogelgattung mit zahlreichen Unterarten, unter anderem dem Hausspatz. Jene kleine Vögel, die immer da sind, ungeachtet der Jahreszeit, die manch einer kaum noch wahrnimmt und die durch ihr Gefieder manchmal mit ihrer Umwelt zu verschwimmen scheinen. Ein wenig, wie die kleinen Details des alltäglichen Lebens, die man so gerne übersieht, vielleicht absichtlich, vielleicht versehentlich, vielleicht, weil man in seinem eigenen Trott gefangen ist. Eben jene Details finden sich auch auf „Zweifel“ wieder, das insgesamt ein starkes Debüt geworden ist.

Video: Sperling – Mond

Hier erhältlich

Sperling - Zweifel AlbumcoverSperling – Zweifel
Release: 22. Januar 2021
Label: Uncle M

Überblick der Rezensionen
Bewertung
Vorheriger ArtikelAntiheld stellen die nächste Single ihres neuen Albums vor
Nächster ArtikelGet Dead zeigen Musikvideo zu „Hard Times“
sperling-zweifel-albumreviewMit "Zweifel" wagen Sperling ein großes und mutiges Debüt, halten mit Meinungen nicht hinterm Berg und zeigen musikalisch, was sie können. Dabei wandern sie zwischen Komplexität und Simplizität, alles ehrlich, nicht übermäßig hochpoliert.