Eigentlich ist es kaum zu glauben, aber die Spermbirds sind mittlerweile mehr als 30 Jahre aktiv. Was heutzutage auch nicht alltäglich ist: Noch 3/5 der Band sind Original-Mitglieder und waren schon bei der Gründung 1983 dabei. Nun veröffentlicht die Band aus Kaiserslautern mit „Go To Hell Then Turn Left“ ihr mittlerweile zehntes Studioalbum, das erste seit 2010. Darauf präsentiert sich die Combo um Sänger Lee Hollis frisch, energetisch, aber auch angepisster und wütender als je zuvor. Dadurch braucht das neue Album zwar ein paar Anläufe, aber wer „Go To Hell Then Turn Left“ ein wenig Zeit einräumt, wird voll auf seine Kosten kommen.
„Mit jedem Hördurchgang wird „Go To Hell Then Turn Left“ besser und im Endeffekt haben die Spermbirds hier ein hartes, ein derbes, aber saugutes Album vorgelegt.“
13 Songs mit Klassiker-Potenzial
Wie es Sänger Lee Hollis mit dem Opener „Breathe Deep“ schön auf den Punkt bringt: Holt noch einmal Luft, bevor Ihr „Go To Hell Then Turn Left“ startet, denn diese wird euch sicher schnell wegbleiben. Von Beginn an drücken die Spermbirds aufs Gaspedal, zelebrieren schon bei „Breathe Deep“ Hardcore-Punk in Reinkultur. Was für ein Auftakt voller Aggressivität und Wut, bei dem Hollis dem Zuhörer die Lyrics dermaßen entgegen rotzt, dass es eine wahre Freude ist. Wie gesagt, vor allem bei jedem weiteren Hördurchlauf steigert sich diese Freude. Es folgen weitere zwölf Hardcore-Punk-Kracher. Direkt weiter geht es mit dem gleichnamigen Titeltrack, der Schnelligkeit mit Melodie und treibenden Drums und Gitarren verbindet. Richtig gut ist hier vor allem der Refrain, laut und rotzig!
Zwischen Tempo, Wut und Humor
Aber die Spermbirds können nicht nur Gaspedal. So ist „Agent 9“ eine groovige Midtempo-Nummer, wobei Hollis‘ Gesang hier teilweise an die kratzige Bösewichtsstimme aus alten Gangsterfilmen erinnert. Die Brachialität, sowie die ungeschliffene Produktion machen auch aus diesem Song etwas Besonderes. Dagegen ist „All Rights Reserved“ wieder eine fiese schnelle Nummer geworden, ohne Kompromisse, mit einigen Gangshouts, die hier die Hardcore-Anleihen mehr als verdeutlichen. Klasse Song! In eine ähnliche Kerbe schlägt auch das extrem angepisste „A Lot Of Talk“, das durch eine vertrackte, versteckte Melodie punktet und auch richtig Lust auf mehr macht. Und auch „I’m Not From Here“ hat diese unbändige Aggressivität, diesen Druck, der sich auf dem gesamten Album immer wieder findet.
Bei „From This Direction Comes War“ drosselt die Band das Tempo etwas. Die Wut bleibt. Der Song klagt an und erinnert im Übrigen an einigen Stellen an die Dead Kennedys. Auch „Balancing Act“ gehört zu den ruhigeren Liedern, lädt beinahe schon zum Verschnaufen ein. Dies liegt hier auch am Refrain, nach dem es immer einen kleinen Break, eine klitzekleine Pause gibt. Genauso geht es dann mit „If I Ever Find My Pants (Someone’s Gonna Die)“ weiter, ein nicht ganz ernst gemeinter Song, der trotzdem richtig gut gelungen ist.
Unsexy, ungeschliffen, brachial – einfach gut
Die Spermbirds landen mit „Go To Hell Then Turn Left“ einen unglaublichen wütenden und angepissten Schlag in jeden Gehörgang. Es gab im Punkrock-Bereich schon lange kein Album mehr, das auf den ersten und vielleicht zweiten Blick dermaßen unsexy wie das neue Album der Pfälzer wirkte. Das liegt an den unglaublich vielen Ecken und Kanten, die die Band auf „Go To Hell Then Turn Left“ eingearbeitet hat. Das liegt auch an einer Sperrigkeit und einer rauen Produktion, die sich wie ein roter Faden durch diese Platte zieht. Und genau das macht das Werk im Endeffekt, nach einigen Hördurchgängen, so gut. Unsexy? Hier völlig egal!
Ein Widerspruch? Mag sein, aber vielleicht auch nicht, denn dieses Album braucht einfach etwas Zeit. Wer „Go To Hell Then Turn Left“diese aber einräumt, der wird dafür belohnt, denn dieses Werk wächst ständig mehr und gibt Stück für Stück mehr von seiner Stärke preis und entwickelt zunehmend einen Charme, den man hier sicher nicht vermutet hätte. Mit jedem Hördurchgang wird „Go To Hell Then Turn Left“ besser und im Endeffekt haben die Spermbirds hier ein hartes, ein derbes, aber saugutes Album vorgelegt. Nicht mehr, aber schon gar nicht weniger!