Stiff Little Fingers in Hannover

Stiff Little Fingers
Foto: Maria Graul

1977!

40 verdammte Jahre„, stellt der Stiff Little Fingers Frontmann Jake Burns fest, „das fühlt sich manchmal echt unglaublich an und manchmal echt wie 40 verdammte Jahre!“ Burns ist nicht nur die Frontröhre der Kultformation, sondern auch das einzig aktive Gründungsmitglied. 1977. 1977! Eine Band, wie ein Exkurs durch Generationen von Freidenkenden, durch vier Dekaden Subkultur, vor der sofort und kompromisslos der Hut gezogen werden kann.

Kurz nach 22.00 Uhr geht es los. Die Band aus Belfast betritt gut gelaunt die Bühne. In seinem schwarzen Hemd mit weißen Punkten erinnert Burns an den Musikerkollegen und ehemaligen Dead Kennedys Frontmann Jello Biafra. In den folgenden 90 Minuten belegt der gesamte Habitus des Musikers, dass die beiden Sänger exakt dem gleichen Jahrgang entstammen und die Leidenschaft zum gesellschaftskritischen Politpunk teilen.

„Das ist eher so Frank Sinatra Punkrock, was du da gleich machst!“

Das Publikum nimmt direkt zu Beginn der Show höchst motiviert Fahrt auf. Trotz – oder gerade wegen – eines eher hohen Altersdurchschnittes, benötigen die faustgepilgerten Punkanhänger keine überkandidelte Aufwärmphase und lassen die Temperaturen des Venue schnell ansteigen. Da können sich einige der jüngeren Besucher eine gehörige Scheibe abschneiden. Die Nordiren geben Gas. Zwischen den Songs erzählt Burns aus der Bandgeschichte. Er betrachtet sich selbstkritisch und stichelt sympathisch in Richtung Bandkollegen Ian McCallum, Ali McMordie und Steve Grantley. Egal ob man mal den falschen Ton trifft oder den BH verliert, wichtig ist darüber zu reden: „Das Allererste muss immer das Miteinandersprechen sein! Ihr müsst miteinander reden!„, wiederholt Burns eindringlich. Aber auch ihren Humor haben die Musiker im Gepäck. Liebevoll foppt man sich gegenseitig, wenn es um das einzige Liebeslied der Band geht: „Das ist eher so Frank Sinatra Punkrock, was du da gleich machst!“, witzelt Ali McMordie und kündigt in lupenreinem Deutsch „Barbed Wire Love“ an. Auch The Clash und insbesondere dem Freund und Kollege Joe Strummer wird bei „Strummerville“ sympathisch frech Tribut gezollt: „Die haben sich alles von uns abgeguckt, ich war quasi deren Schlagzeuger!„, grinst Jake Burns und erklärt weiter, dass The Clash eine der bedeutendsten Bands für Stiff Little Fingers waren.

Ein Abend, der unterschiedliche Nationen durch handgemachten Punkrock der 70er Jahre vereint

Dass Stiff Little Fingers ihren Wurzeln stets treu bleiben, zeigt sich spätestens bei „Guilty Of Sin“. Die Band, die zuvor Highway Star hieß und bis dato Coversongs spielte, entdeckte 1977 den Punk für sich. Prompt benötigte man einen „reizvolleren“ Namen und erfand Stiff Little Fingers. Durch den Journalisten Gordon Ogilvie kamen sie auf die Idee sich in ihren Texten mit dem Nordirlandkonflikt auseinanderzusetzen. In seiner Erklärung zu dem Song macht Burns deutlich, wie stark der Einfluss der Kirche in seiner Heimat auch aktuell noch ist.

Während es irgendwie erstaunlich ist wie die Hits des „modernen“ 2014er Albums „No Going Back“ gefeiert werden, überrascht es wenig, wie textsicher die Songs „Wasted Life“ und „Alternative Ulster“ der ersten Stunde mitgegrölt werden. Burns Redlichkeit gegenüber der eigenen Songs und die Nähe zum Publikum machen das Konzert der Nordiren zu einem wahren Meilenstein der Hannoverschen Musikgeschichte im Jahr 2017. Belohnt wird der stets sympathische und aufrichtige Auftritt Stiff Little Fingers durch eine treue Fanbase. Ein Abend, der unterschiedliche Nationen durch handgemachten Punkrock der 70er Jahre vereint: Da läuft irgendwas definitiv ziemlich richtig!