The Adolescents und Tank Shot in Hannover

The Adolescents am 18.07.2018 im Café Glocksee in Hannover
Foto: Nikita Pohlan

Vor der ersten Show im Rattinger Hof in Düsseldorf schrieben die Adolescents auf ihrem Instagram-Account: „Das ist für uns eine verdammt schwierige Sache, aber für unseren Bruder werden wir alles möglich machen“. In Hannover heißt es dann am 18. Juli „Carry on!“.

Es ist dunkel im Café Glocksee. So dunkel wie man es eben kennt. An der Wand, die Bühne und Backstage trennt, prangert das Banner der Band – geprägt durch die typische rote Schrift auf blauem Grund. So deutlich, wie man es eben seit der ersten Veröffentlichung des selbstbetitelten Albums 1981 von den Adolescents kennt. Auf dieser Tour liest man jedoch nicht benannten Namen in Großbuchstaben, sondern Soto und weiß genau, um was es geht.

„Steve hat Shows nicht abgesagt und hielt dies für schlampig, störend und unprofessionell. Wir werden tun, was Steve sich vorgenommen hat. Was er von uns will und was richtig ist. Wir werden unsere Verpflichtung erfüllen, diese Lieder zu teilen.“

Am 27. Juni verstarb Steve Soto. Gründungsmitglied, Bassist, Sänger, Songwriter, Produzent und vor allem langjähriger Freund der Adolescents und ihres Dunstkreises. Auch bei der 80er-Hardcore-Punk-Legende Agent Orange war er als Gründungsmitglied aktiv und unterstütze viele namenhafte Bands wie Legal Weapon, Joyride oder die Supergroup Punk Rock Karaoke. Nachdem lange Zeit die Vermutung nah lag, die Band würde die Tour durch benannte Umstände absagen, äußerten sich die Musiker vergangene Woche in einem Statement:

„Nach vielen internen Auseinandersetzungen, dem Ergründen der eigenen Seele und herzzerreißenden Diskussionen, stellen wir fest, dass Steve – der am härtesten arbeitende Mann im Punkrock – verärgert wäre, wenn wir die Tour nicht beenden würden um das neue Album, an dem er über ein Jahr lang unermüdlich gearbeitet hat, vorzustellen. Steve hat Shows nicht abgesagt und hielt dies für schlampig, störend und unprofessionell. Wir werden tun, was Steve sich vorgenommen hat. Was er von uns will und was richtig ist. Wir werden unsere Verpflichtung erfüllen, diese Lieder zu teilen.“

„Es geht loohooos!“

Seit bereits 39 Jahren gibt es die durch Soto gegründete Band The Adolescents. Auch die einzelnen Mitglieder des heutigen Supports Tank Shot aus Hannover machen mittlerweile seit den 80er Jahren Musik. Pünktlich um 21.00 Uhr hallt ein Pfiff über den Hof der Glocksee und es folgt die sympathische Aufforderung: „Es geht loohooos!“ Während Tank Shot die zahlreichen Besucher in der zünftigen Manier des 80er Jahre Punkrocks anheizen, treffen mehr und mehr Gäste auf dem Hof der Glocksee ein. Der Tod Sotos, das neue Album der Adolescents „Cropduster“ (CD-Review) und die Freude und der Respekt der gespielten Tour gehören zu den Top Themen der Besucher.

Kurz vor 22.00 Uhr wird es wuselig im Hof. Die Fans der Band aus Kalifornien begeben sich ins Innere der Glocksee. Das Café ist schnell gut gefüllt. Das Publikum ist angenehm durchmischt. Neben vielen bekannten Gesichtern der Szene wird schnell klar, dass The Adolescents kein hipper Trend sind, sondern unbestritten Musikgeschichte prägten.

„Are you ready? Ready, steady, blast-off! Are you ready? Ready, steady, blast-off!“

Am Bass steht heute Brad Logan. Ein alter Freund der Band und kein unbekanntes Gesicht für Freunde des 80er-Jahre Hardcore-Punks. Auch bekannt als Brad Minus gehört/e er Bands wie Leftöver Crack, F-Minus, Rats In The Wall, Recidivist oder The Unseen an. Das große Erbe, was er im Zuge dieser Tour antritt, trägt er mehr als würdig. Energiegetrieben geht es mit „No Way“ vom Debutalbum los und entert direkt die Lyrics „Are you ready? Ready, steady, blast-off! Are you ready? Ready, steady, blast-off!“ des Songs „Monolith At the Mountlake Terrace“ vom 2014er Album „La Vendetta…“.

Heut Abend geht es bunt durch die Diskografie der Adolescents

„Feiert mit uns und ehrt Steve so, wie wir es kennen – indem wir die Musik spielen, die er mitgestaltet hat. Jetzt ist keine Zeit für Hass. Umarmt Eure Lieben; das Leben ist zu kurz. Kommt und feiert Steves Vermächtnis und singt die Lieder, die wir geschrieben haben“, schreiben die Herren aus Fullerton weiterhin in ihrem Statement. Das beschreibt ganz gut, das Gefühl, das am heutigen Abend in der Glocksee schwebt. Die hiesige Szene ist gekommen, um sich zu verabschieden, um Anteilnahme zu zeigen, zu ehren, zu tanzen, um Musik zu feiern und das zu zeigen, was wohl das Wichtigste Merkmal dieser Subkultur ist: Zusammenhalt.

Heut Abend geht es bunt durch die Diskografie der Adolescents. Die klaren Hits bilden dabei „Amoeba“ und „Kids Of The Black Hole“ des Debütalbums. Mit heute insgesamt elf davon gespielten Songs ist dieses nach wie vor DAS Album der Band. Mit den Songs „Queen Of Denial“, „Just Beacause“, „Flat Earth Stomp“ und „5150“ stellen die US-Amerikaner das morgen erscheinende Album „Cropduster“ vor. Auch die Titel „OC Confidential“ vom gleichnamigen und „Forever Summer“ vom sechsten Studioalbum „Presumed Insolent“ sind Bestandteil des heutigen Sets.

Das scharfsinnige, trotzige und rebellische Aufzeigen der aktuellen politischen Missstände gehört seit Anbeginn ihrer Zeiten zu den Adolescents

Dass es hier um das reine Handwerk, die Musik im Allgemeinen und das Zugehörigkeitsgefühl einer Generation geht, bleibt nicht unerkannt. Ihrem Publikum zuwinkend und lächelnd betreten die Mannen um Sänger Tony Cadena die Bühne. Zwischendurch umarmt selbiger einen Fan und stellt kurz darauf fest, dass er diesen ganzen Effekt-Schnickschnack nicht brauchen würde – man solle doch einfach bisschen grünes Licht machen und gut sei es. Wie gewohnt performt er den Großteil seiner Songs mit geschlossenen Augen. Öffnet er sie, lächelt er in die Menge. Es ist ein wirklich authentisches Lächeln – kein Grinsen oder Schmunzeln. Man kann nur spekulieren, welche Gedanken in diesem Moment in seinem Kopf ablaufen.

Natürlich wird es auch politisch. Tony lässt es sich nicht nehmen, klar zu machen, dass Trump ein Arschloch ist und dass es eine Farce ist, dass von außen bestimmt wird, wie man mit sich und seinem Körper umgeht. Tony jedenfalls will keine Mauer, das sagt er klar und auch von Trumps Umgang mit Flüchtenden hält er nichts. „Kinder gehören nicht von ihren Eltern getrennt“, flucht er und führt fort, dass man Trump lieber in einen Käfig stecken solle. Das scharfsinnige, trotzige und rebellische Aufzeigen der aktuellen politischen Missstände gehört seit Anbeginn ihrer Zeiten zu den Adolescents. Passend dazu trägt Gitarrist Dan Root ein No Gods No Masters-Shirt mit der Aufschrift „Illegal immigration started in 1492“. Das Shirt von Schlagzeuger Mike Cambra unterdessen schmückt der Schriftzug „Learn To Forget“ seines eigenen Klamottenlabels – eine Aufforderung, der sich heute und in diesem Kontext wohl jeder verweigern würde.

Das Erbe Sotos lebt – in der Musik und den Herzen

Wie gewünscht ist die Bühne in ein tiefes und angenehmes Grün getaucht. Im Takt der Musik erleuchtet ein roter Spot das Banner hinter Cambra und es wirkt wie ein Herzschlag. Es passiert genau das, was die Band angekündigt hat. Das Erbe Sotos lebt – in der Musik und den Herzen der Musikerkollegen, seiner Freunde und Fans. Lauthals werden die Hits mitgesungen und es wird ausgelassen gefeiert.

Cadena unterdessen transportiert seine geballte, bissige Stimme in die Menge der Zuhörerschaft. Die Adolescents sind musikalisch gut aufgestellt. Wir erleben ein wahnsinns Brett. Davon wird man sich noch eine Weile erzählen. Immer wieder finden Absprachen auf der Bühne statt, die vermutlich eine große Anerkennung für die Hannoveraner Fanszene bedeuten. Nach „Kids Of The Black Hole“ ist Schluss. Denkste! Natürlich fordern die Gäste den üblichen „weiteren Song“ und die Band macht mit. Mit dem aktuellen Titelträger ihres zehnten Studioalbums „Cropduster“ soll dann wirklich Schluss sein. Aber weil es gerade so schön ist und einfach alles passt, folgt der wirklich letzte Knaller: Mit „Creatures“ werden die Gäste der Adolescents am heutigen Abend nach Hause geschickt. Und den Song, den spielt die Band heute ganz allein für ihren Freund Steve Soto. Ein Abend, über den man in Hannover wohl noch eine Weile reden wird.

The Adolescents

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Tank Shot

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