Thees Uhlmann und Grillmaster Flash live in Hannover

Foto: Maria Graul

Thees Uhlmann hat fünf Jahre nicht gesungen und seine Abwesenheit hat geschmerzt. In der Zwischenzeit hat der Gründer der Band Tomte den Roman „Sophia, der Tod und Ich“, „Thees Uhlmann über Die Toten Hosen“ und sein neuestes Album „Junkies und Scientologen“ geschrieben. Mit diesem ist er aktuell auf Tour und hat seinen Kumpel „Grilli“ alias Christian Wesemann alias Gillmaster Flash auch im Capitol in Hannover im Schlepptau.

„Lieber, als vor der Mona Lisa im Louvre, stehe ich mit Verspätung auf dem Hauptbahnhof in Hannover.“

Es wirkt ein bisschen, wie ein freies Casting am Theater, als Thees Uhlmann auf die Bühne des ehemaligen Kinos spaziert und die Ankündigung seines Grand Hotel van Cleef Labelsprößlings Gillmaster Flash mit den Worten „Ich mach mir noch Produkt ins Haar, dann komme ich wieder“ beendet. Und Grilli, der ist eine wahre Wucht. Schreibt die schönsten Liebeserklärungen an das niedersächsische Sottrum. Das Sottrum, wo der Punk begraben ist. Denn wenn es nach ihm geht, dann spürt man die eigene Herkunft einfach, oder eben nicht. Sein Publikum hat der Kerl aus Bremen-Nord schnell auf seiner Seite und so gewährt er Einblicke in die Uhlmann´sche Setlist. Mit einem schelmischen Grinsen wird „Landungsbrücken Raus“ verlesen und lässt, nach heiterem Gekicher, die Gedanken gen Sommer ziehen, als die Kollegen Kettcar die Freitagnacht des Fährmannsfestes verzauberten. Am Ende ist sich der Grillmaster sicher, dass er nach Hannover auf die Bühne gekommen ist, „…um neue Fans zu gewinnen und wieder zu verlieren. So, wie es sich eben für eine richtige Band gehört!“ Letzteres wird ihm vermutlich nicht gelingen, denn es scheint, als würde der sympathische Songwriter das ausverkaufte und bereits gut gefüllte Capitol überzeugen.

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Gut drei Dekaden (Musik)Geschichten

Als Thees Uhlmann dann so richtig die Bühne betritt, ist vom ersten „Castinggefühl“ nichts mehr zu spüren. Das Produkt sitzt in den Haaren, wie der Fußballkommentator in seiner Kabine und mindestens genauso aufgeregt, wie vor dem entscheidenden Elfmeter, zeigt sich auch das hiesige Publikum – man vermeldet Ausverkauf. Mit seiner sechs Mann starken Band bringt der Wahlberliner Songs aus allen drei Soloalben zur Aufführung, schwelgt mit Tomte Hits in Erinnerungen und covert die Hosen, denen er vermutlich drei Stunden später und das eine oder andere Bier schwerer noch eine Mail schreiben wird – dazu aber später mehr.

Kurz bevor er den vierten Song „Zugvögel“ anstimmt, werden Shirts verschenkt: Der Musiker entdeckt einen Fan mit einem „The Clash“ Shirt in der Menge und ehrt, wie stark er es findet, dass Menschen in Punk-Shirts auf seine Shows kommen. Das zweite Shirt geht an eine Frau, die, wie Uhlmann dem Rest im Saal erklärt, die ganze Zeit so schön lächelt.

„Wir haben Frauen noch nie vom Gerüst hinterher gepfiffen, weil wir das Scheiße finden!“

Während Thees zu Beginn sein Hauptaugenmerk vor allem auf seine Songs legt, steigern sich die Geschichten, die der sympathische Niedersachse, der mittlerweile gut drei Dekaden Musikgeschichte auf dem Buckel hat, zu erzählen weiß. Gespannt hängt ihm das Publikum an den Lippen, wenn er erzählt und zeigt sich stimmstark und textsicher, wenn er singt. Im perfekten Ausgleich zwischen Selbstironie und messerscharfer, ab und an angenehm überspitzter Beobachtungsgabe, berichtet Uhlmann von Symbolen in der Jugenkultur und wie sich die Zeiten zwischen Jesus und Hip Hop veränderten. Und während er mit all seinem Witz und Charme den Song „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt“ vorbereitet, wird er dann, kurz bevor der erste Ton erklingt, ganz klar und positioniert sich und seine Band mit den Worten „Wir haben Frauen noch nie vom Gerüst hinterher gepfiffen, weil wir das Scheiße finden!“

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Was wird aus Hannover?

Wie kündigt man nun ein Lied an, das man über die Stadt geschrieben hat, in der man gerade vor einem ausverkauften Saal auf der Bühne steht? Das fragt sich Thees Uhlmann hörbar und berichtet kurze Zeit später, wie sich der Rest der Welt (oder zumindest der Republik) fragt, ob der Song nun wohl eher positiv oder negativ gemeint sei. Uhlmann und sein Publikum sind sich unangefochten einig, dass man darüber nicht diskutieren müsse. Denn nachdem Thees kürzlich in einem Interview sagte, dass er glaube, dass sich die Hannoveraner mal alle unterm Schwanz getroffen haben, um festzulegen, dass man wisse, dass Hannover die geilste Stadt der Welt sei, man das aber keinem verraten wolle, setzt er heute noch einen drauf und erntet mit seinem Song „Was wird aus Hannover“ und den Worten „Lieber, als vor der Mona Lisa im Louvre, stehe ich mit Verspätung in Hannover am Hauptbahnhof“ einen schier nicht enden wollenden Applaus.

Von einem Eisverkäufer und Straßenkampfutopien

Zwischen dem Tomte Song „Ich Sang Die Ganze Zeit Von Dir“ und der Liebeserklärung „Lat: 53.7 Lon: 9.11667“ an seinen Ursprung ins niedersächsische Hemmoor berichtet der Künstler über seine Tochter, die offensichtlich früh dabei war ihren Charakter zu bilden und ihrem Vater so in vollster Autonomie lehrte, dass auch der hochpädagogische Schachzug des Nachäffens ein Echo enthalten kann und den geschundenen Erwachsenen dazu befähigt in letzter väterlicher Autorität das WLAN Kabel zu ziehen. Und wenn man dem Musiker all seine Liebe zu seinem willensstarken Kind unbestritten glaubt, kauft man ihm auch seine bedingungslose Liebe zum Fußball ab. Mit dem geschlagenen Bogen zu den Toten Hosen, dem FC Liverpool und einem Pressevertreter, der Thees, welcher zuerst an medialen Erfolg eines Fotos glaubte, dann aber von seiner „Frau“ Reiner G. Ott eines Besseren belehrt wurde, zu einem Eisverkäufer umschult, stimmt dieser „Liebeslied“ an und verwandelt das Capitol in die postromantische Szene einer weltverbessernden Straßenkampfutopie, die in einem gewaltigen Publikumschor gipfelt. Außerdem verrät er, dass die Hosen mit dem aktuellsten Buch sehr einverstanden waren – mit der Bedingung es so zu schreiben, wie die Mails, die Thees morgens um 05.00 Uhr an Campino verschickt.

Mit „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ geht es in das offizielle Ende. Summend holt das Publikum die Musiker zurück. So werden insgesamt drei Zugabenblöcke gespielt, bis Thees Uhlmann und seine Band „Die Schönheit der Chance“ nutzen und die Bühne nach gut zweieinhalb Stunden mit einer Geschichte über die Unwissenheit, Joe Strummer und Shane McGowan, einer ausführlichen und sehr freundschaftlichen Bandvorstellung, einem Mic Drop und ganz viel Dank verlassen.

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