Tiger Army zählen seit Jahren zu den Speerspitzen der Psychobilly-Szene. Nun erscheint mit „Retrofuture“ das insgesamt sechste Studioalbum der Kalifornier. Das Trio um den charismatischen Frontmann Nick 13, der mit seiner einzigartigen Stimme die Musik seiner Band prägt und vom Rest der Szene abhebt, liefert hier insgesamt 13 neue Songs, die sich stark am Vorgänger „V“ orientieren. Und vielleicht ist dies der Knackpunkt an diesem Album, das – um es vorwegzugreifen – nicht richtig schlecht ist, aber irgendwie auch nicht komplett überzeugen kann. Denn die erhoffte Weiterentwicklung bleibt aus.
„Das neue Album ist zwar vielschichtig und durchaus abwechslungsreich, allerdings ohne diesen Wiedererkennungswert“
Studioalbum Nummer sechs: Ein Auftakt auf Maß
Freitag, der 13., ist ein Datum, das wie gemalt ist für die Veröffentlichung von neuen Psychobilly- oder Horrorpunk-Releases. Und so haben sich auch Tiger Army diesen Tag für die Veröffentlichung von „Retrofuture“ sicher nicht zufällig ausgewählt. Es passt einfach. Drei Jahre sind vergangen seitdem „V“ erschien, das – wie der Name schon sagt – fünfte Album des Trios. „Retrofuture“ knüpft nun da an, wo „V“ aufhört und startet gleich mit dem obligatorischen Intro, dem „Prelude: Tercio de Muerte“, in das neue Album. Von Beginn an wird klar: Tiger Army sind noch immer im Psychobilly verwurzelt, lassen aber auch immer mehr Einflüsse aus den Bereichen 50er- und 60er-Jahre Rock N Roll, Surf, Americana, Flamencopop, Country und etwas Punk mit einfließen. Dies ist schon beim Intro deutlich zu hören.
Nach dem instrumentalen Opener hat das Album seine stärksten Momente. Denn mit „Beyond The Veil“ und „Last Ride“ glückt der Auftakt. Beide Songs haben Hitcharakter. „Beyond The Veil“ reißt sofort mit und besticht durch Melodie und eine großartige Catchiness. „Last Ride“ ist etwas grooviger, melodiöser und im Midtempo angesiedelt, kann aber auch voll punkten. Doch je länger „Retrofuture“ dauert, umso weniger kann das Werk das hohe Niveau vom Anfang halten.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Zwar gelingen Tiger Army weiterhin noch starke Songs, wie mit dem ruhigen Rausschmeißer „Shadowlight“. Auch das groovige und halbschnelle „The Past Will Always Be So“ oder die 50er Jahre Rocknummer „The Devil You Don’t Know“ zählen zu den Highlights. Der insgesamt nur 81 Sekunden lange, schnelle und treibende Song „Eyes Of The Night“ erinnert dann aber doch noch einmal an die ersten Alben der Band und ist als schöne kurzweilige und nostalgische Zeitreise in die Historie von Tiger Army zu verstehen. Mit „Amor La Luna“ wagen Tiger Army dann den schon obligatorischen Ausflug in die spanische Sprache. Allerdings misslingt dieser diesmal. War der Trip auf den letzten Alben noch innovativ, wirkt es hier etwas gezwungen. Zudem erinnert der Song zu sehr an „Hechizo De Amor“ vom „Music From Regions Far Beyond“-Album aus dem Jahr 2007. Und somit ist die schnulzige Americana-Ballade einfach nur überflüssig.
Auch die Rockabilly-Nummer „Black Neon“, das völlig unscheinbare „Sundown“, die ruhige Country-Rocknummer „Valentina“ oder das komplett merkwürdig und anders klingende „Death Card“, bei dem die Gesangslinie von Nick 13 verändert ist und der Song somit nicht so recht in dieses Album hineinpassen will, können auch nach einigen Hördurchgängen nicht so recht begeistern.
Mal gut, mal eher durchwachsen
„Retrofuture“ ist beileibe kein schlechtes Album, plätschert aber in zu vielen Momenten ein bisschen vor sich hin. Zwar gibt es starke Songs, aber die sind deutlich zu wenig. Ein paar mehr Highlights hätten dem Album sicher nicht geschadet. Irgendwie fehlt hier an vielen Ecken der Zug früherer Alben und vergangener, dafür haben sich einige Belanglosigkeiten eingeschlichen. Vielleicht waren aber auch die Erwartungen ein wenig zu hoch.
Das neue Album ist zwar vielschichtig und durchaus abwechslungsreich, allerdings ohne diesen Wiedererkennungswert, der viele frühere Songs von Tiger Army auszeichnet und wird doch sicher auch seine Fans finden. Ein bisschen mehr hätte die Band dieses Album aber schon auf den Punkt bringen können. Und so muss „Retrofuture“ ohne diese ganz starken Momente und Melodien, die einen staunend zurücklassen und die richtig gute Alben ausmachen, auskommen. Dafür tritt oft eine Seichtigkeit an diese Stellen, die zwar zum Gesamtwerk passen mag, aber nicht so richtig überzeugen will. Und so ist „Retrofuture“ zwar okay bzw. ganz gut geworden, irgendwie nach den letzten Eindrücken auch ein typischen Tiger Army-Album, aber eben auch ein stückweit durchwachsen. Da kann man nur hoffen, dass die Songs auf der November-Club-Tour in Deutschland live etwas mehr zünden.