Die Rock/Metal-Band Ghost ist aktuell auf Europatour und lädt in dem Zuge am 17. Februar auch für eine Audienz in die Swiss Life Hall nach Hannover (Tickets) – präsentiert vom Count Your Bruises Magazine. Zum Tourstart nahm sich Frontmann Tobias Forge alias Cardinal Copia die Zeit für ein Interview mit uns und verriet, dass die Fans in Deutschland eine Ghost-Show erleben werden, die es in dieser Form noch nie gegeben hat und dass wir uns 2020 auf ein neues Ghost-Album freuen dürfen.
„In der ersten Hälfte in 2020 werden wir ins Studio gehen, um ein neues Album aufzunehmen“
Hallo Tobias, wie geht es Dir? Danke für Deine Zeit!
Tobias: Mir geht es gut, danke, wie geht es Dir? Danke für das Interview!
Hier ist auch alles gut, danke! Wie ist die Tour bisher? Ihr seid heute in Amsterdam, richtig?
Tobias: Genau. Bisher haben wir eine Show gespielt, ein sehr guter Start und ich freue mich sehr!
Super. Also, lass uns loslegen: Deine Identität wurde vor zwei Jahren aufgedeckt, als Gründungsmitglieder von Ghost einen Rechtsstreit gegen Dich eröffneten. Siehst Du Unterschiede zwischen der Zeit hinter der Maske und jetzt und was hat diese Enthüllung für Dich als Person und vielleicht sogar für die ganze Band verändert?
Tobias: Es ist schwierig zu sagen, was genau das Ergebnis dieser Enthüllung war. Ich wurde schon viele, viele Jahre vorher immer mal wieder erkannt. Denn die Leute, die sich für die Band interessiert haben, konnten meine Identität auch schon vor sieben Jahren im Internet ausfindig machen, wenn sie wirklich wollten. Für mich ist es also schwierig zu sagen, ob – wenn mich jemand auf der Straße erkennt und mich anspricht – es damit zu tun hat, dass diese Person mich im französischen Fernsehen gesehen hat oder schon vor sechs Jahren erfahren hat, wer ich bin. Und haben sich Sachen verändert? Jedes Jahr verändern sich Dinge. Ghost an sich wird immer größer und größer, wir machen immer größere Sachen und es geht stetig voran. Manchmal ist es also nicht einfach zu sagen, ob es an diesen Dingen liegt, oder weil die Leute zum Beispiel „Dance Macabre“ im Radio gehört haben und meine Identität einfach online in Erfahrung gebracht haben, genau so, wie sie es vor drei Jahren dann getan hätten. Es gibt also kein direktes „vorher und nachher“.
Verstehe. Und warum habt Ihr Euch zu Beginn dazu entschieden, eher als anonyme Band aufzutreten?
Tobias: Weil ich wollte, dass Ghost eher eine Art Kunstform ist. Ich habe Ghost nicht als eine Band gesehen, die auf Metal-Festivals oder mit Metal-Bands spielt, ich dachte eher an Kabarett oder eine Art Theaterstück. In meinem Kopf war das eine großartige Idee. Aber in der Realität hat das so nicht funktioniert. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich auch nicht daran, dass wir kommerziellen Erfolg haben könnten. Ich dachte schon, dass wir in gewisser Weise Erfolg haben könnten, aber auf einem anderen Level. Dass wir eine Kunst-Band werden. Ich glaube immer noch, dass wir eine künstlerische Band sind, aber wir sind heute einfach eine kommerzielle Rock-Band. Das ist etwas ganz anderes als das, was ich im Kopf hatte. Deswegen hätte Anonymität zu meinem ursprünglichen Plan sehr gut gepasst. Anonymität passt aber nicht zu dem Konzept einer erfolgreichen, kommerziellen, stetig wachsenden Rock-Band.
„Ich wollte schon immer ein professioneller Musiker sein, der von seiner Musik leben kann“
Also hast Du Dich letztlich auch ganz bewusst dafür entschieden, dass Ghost eine größere und kommerziell erfolgreiche Band sein soll?
Tobias: Natürlich. Ohne Frage, ich wollte schon immer ein professioneller Musiker sein, der von seiner Musik leben kann. Und das war ich vor Ghost nicht. Als ich dann gemerkt habe, dass Ghost beliebter ist, als ich jemals in Betracht gezogen habe und ich gemerkt habe, dass mein Lebenstraum in Erfüllung gehen kann – natürlich! Wer würde das nicht tun?
Das stimmt. Es ist natürlich immer großartig, sein Geld mit seiner Leidenschaft zu verdienen.
Tobias: Genau. Das bringt es auf den Punkt. Genauso einfach ist es. Es lief einfach alles besser, als ich dachte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so läuft.
Und wie bist Du dazu gekommen, die Charaktere Papa Emeritus und jetzt Cardinal Copia zu erschaffen? Was bedeuten diese Figuren für Dich?
Tobias: Hier ist es wichtig im Hinterkopf zu haben, dass ich aus der Black Metal Szene komme. Also alles, was ich in Verbindung mit Okkultismus, umgedrehten Kreuzen, Schädeln und so weiter bringe, ist sehr, sehr üblich. Für mich war also ein dämonischer Papst keine total originelle Idee, weil es einfach sehr in der DNA des satanischen Rock’n Roll verankert ist. Schau Dir zum Beispiel mal das Albumcover zu „Terrible Certainty“ von Kreator an. Da findest Du einen dämonischen Papst. Für mich war es also ganz normal. Die Band besteht aus namenlosen und schutzlosen Mönchen, was ist also die logischste Figur, die man über sie stellen kann? Vielleicht ein Priester? Oder ein Kardinal? Oh nein, ein Papst! Das wird cool aussehen! Und einen Papst zu haben, der sich das Gesicht wie ein Totenschädel schminkt, ist historisch sehr nah an satanistischer Rockmusik und Heavy Metal – das ist Corpse Paint. Und Corpse Paint ist meistens ein Totenschädel. Ich bin ein großer Fan von den Misfits und der italienischen Horror Rock-Band Death SS. Das Skull Paint kommt von Paul Chain (Frontmann der Band Death SS – Anm. d. Red.). Das war es, was ich versucht habe, zu imitieren. Auch die Wächter in Indiana Jones „Temple Of Doom“ haben coole Skull-Paints getragen. Der Kardinal war schließlich eine Erweiterung dessen. Ich wusste es wird einen Papa Emeritus I, einen Papa Emeritus II und einen Papa Emeritus III geben. Und dann kam ich auf die Idee: Was wäre, wenn es einen Führungscharakter gibt, der noch kein Papst ist? Nun, was wäre er? Er wäre ein Kardinal. Er würde also als Kardinal starten und hoffentlich soweit wachsen, dass er später zum Papst ernannt werden kann. Hier erkennt man also den Übergang.
Und wie würdest Du Deine persönliche Beziehung zur Religion beziehungsweise zum Katholizismus beschreiben?
Tobias: Meine persönliche Beziehung zum Katholizismus ist nicht sehr eng. Ich bin in einem protestantischen Land aufgewachsen. Die Kirche in meiner alten Heimatstadt war eine alte katholische Kirche und in diese bin ich gegangen. Ich habe es immer genossen dort zu sein, denn sie ist alt, groß, imposant und hatte alles, was eine alte „Horror-Kirche“ enthalten muss. Sie ist größer als alles um sie herum. Die Kirche war für mich immer ein sehr inspirierender Ort. Das ist die eine, eher ästhetische und inspirierende Sache. Auf der anderen Seite habe ich mit Christen die Erfahrung gemacht, dass sie zwei Gesichter haben. Sie tuen oft so, als würden sie Güte und Freundlichkeit repräsentieren, aber viele von ihnen sind ziemlich mies. Deswegen bin ich religiösen Menschen oft sehr misstrauisch gegenüber.
„Viele Menschen fühlen sich dank Social Media schlecht durch etwas, durch das sie sich nicht schlecht fühlen sollten“
Apropos Misstrauen: In einem Interview sagtest Du, dass die mittelalterliche Mentalität durch Social Media zurückgekehrt sei. Was hältst Du persönlich von Facebook, Instagram und Co. und wie siehst Du Social Media aus der Sicht Deiner Band, die darüber ihre Fans erreicht und neue Hörer gewinnen kann?
Tobias: Als professioneller Musiker kann ich es nur mögen. Ich muss Social Media definitiv für meine Karriere danken. Wir sind dank MySpace groß geworden. Ich denke ohne MySpace hätten wir das zum damaligen Zeitpunkt nicht geschafft. In 2010 war das, was wir gemacht haben, nicht besonders angesagt. Es wäre schwierig gewesen, diese Auswirkungen ohne das Internet zu bekommen. Diese „Overnight Sensation“ hätte nicht stattgefunden. Ich denke wenn wir zu einer anderen Zeit auf der Bildfläche erschienen wären, hätten wir zwar trotzdem irgendwie Erfolg gehabt, es wäre aber niemals so gewesen, wie es nun gelaufen ist. Wir werden niemals wissen, wie es hätte sein können. Ich habe meine Karriere definitiv dem Internet und Social Media zu verdanken. Ich als Künstler bin also sehr dankbar. Aber trotzdem: Ich als Elternteil und Mensch denke, dass Social Media viele Seiten hat, die nicht unbedingt gut für Menschen sind. Viele Menschen – besonders junge – fühlen sich dank Social Media schlecht durch etwas, durch das sie sich nicht schlecht fühlen sollten. Denn sie kriegen unentwegt vorgehalten, was sie nicht haben und was sie nicht sein können. Und ich denke, dass das nicht gut ist.
Da hast Du recht.
Tobias: Ich denke es ist gut, sich inspirieren zu lassen. Es ist gut, sich zum Beispiel Inspiration durch eine Werbung zu holen, das, wozu es in den 30er, 40er, 50er, 60er, 70er, 80er und 90er Jahren da war, als es eine begrenzte Anzahl an Werbung gab. Wenn zum Beispiel gesagt wurde „Wenn Du diese Seife benutzt, wirst Du so und so aussehen“ wusste jeder, dass es Fake ist. Heutzutage taucht aber immer mehr Werbung auf, die nicht wie ein Fake aussieht. Hier wird ein Lifestyle beworben, von dem sie Glauben machen, dass jeder diesen haben kann. Sie sagen aber nicht, dass sie Influencer sind, die bezahlt werden und viele Sachen umsonst bekommen, nur um den Leuten genau das zu vermitteln. Sie leben also nicht das gleiche Leben wie Du, sondern vermitteln, dass man auch ohne etwas zu tun so einen Lifestyle leben kann und das ist eine schlechte Sache. Ich denke, dass viele Leute glauben, dass man sein Leben mit Nichtstun verbringen kann, wenn man im Lotto gewinnt und das ist keine Lebensqualität. Die meisten Menschen fühlen sich erst dann gut, wenn sie etwas Zielgerichtetes zu tun haben. Sie haben ein Ziel für sich und für andere und das ist am Ende der Grund, warum man sich besser fühlt. Aber Social Media bewirbt meistens die Auffassung, dass Du mit wenig Zeit schnell sehr viel erreichen kannst, Du fünf Millionen verdienst und Dein Leben dann perfekt ist. Ich finde nicht, dass das eine gute Sache ist, denn dadurch wird vielen impliziert, dass sie versagen. Du versagst aber nicht. Du versagst nicht, wenn du nicht fünf Millionen auf dem Konto hast. Dann bist du kein Versager. Ich denke das ist die schlechte Sache an Social Media. Du wirst permanent damit konfrontiert, was du sein kannst, was aber so gar nicht erreichbar ist. Und das macht die Leute traurig – das ist definitiv die schlechte Seite daran.
Das ist richtig. Ab nächster Woche werdet Ihr für ein paar Shows in Deutschland zu Gast sein. Was steckt hinter dem Tournamen „A Pale Tour Named Death“ und was können wir von den Shows erwarten?
Tobias: Der Name stammt von „A Pale Horse Named Death“, ein biblischer Begriff. Das bedeutet, dass sich der Tod auf einem hellen Pferd auf den Weg macht. Da unser Album vom Sterben, dem Tod und der Idee der Unsterblichkeit handelt und darum, dass man es zu würdigen weiß, dass man immer noch am Leben ist, macht der Titel Sinn. Und was können wir erwarten? Aus deutscher Sicht könnt Ihr eine Show erwarten, die wir so in Deutschland bisher noch nicht durchführen konnten. All die Jahre, die wir in Deutschland getourt sind, haben wir auf die ein oder andere Weise immer eher mäßige Shows hinsichtlich Produktion etc. liefern können, da wir eingeschränkt waren, weil wir zum Beispiel auf Festivals gespielt haben, so weniger Möglichkeiten hatten und davon abgehalten wurden, eine große Show abzuliefern. Jetzt kommen wir endlich nach Deutschland, um eine große Show zu präsentieren. Eine Arenashow, also etwas, das wir schon immer machen wollten. Das ist großartig!
„Wir wissen nicht ganz genau, wie 2020 aussehen wird, aber ich weiß jetzt schon, dass es einige kürzere Touren geben wird und wir in der ersten Hälfte ein neues Album aufnehmen werden“
Die Location in Hannover ist auch ziemlich cool und recht groß. Wenn Du auf der Bühne stehst und in die Menge schaust – Welche Art von Menschen siehst Du da und was geht Dir dabei durch den Kopf?
Tobias: Ich sehe viele verschiedene Menschen. Das ist eine der sehr coolen Sachen am großen Erfolg der Band. Als wir damals gestartet sind, war alles sehr am Metal orientiert und wir zogen in erster Linie jüngere Metal-Fans an. Als wir anfingen zu touren und unsere eigenen Shows spielten, hat es mich immer gefreut zu sehen, dass die Metal-Community da war – sowohl von den alten als auch den neuen Leuten – also den 60-jährigen oder sogar 70-jährigen Fan bis hin zu 15-Jährigen. Auf unseren Shows sind immer viele Mädchen, Indie-Mädchen, Indie-Jungs… Es ist einfach ein großer Mix aus verschiedenen Menschen. Das finde ich toll. Ich freue mich auch sehr darüber, dass die Demografie ausgewogen ist – ich denke es sind in der Regel 40 % Mädchen beziehungsweise Frauen anwesend, was auch für die Menge eine sehr gute Sache ist. Dadurch wird alles etwas spaßiger. Wenn man auf eine Manowar-Show geht, sind zu 95 % Männer anwesend. Oft geht es da dann zu hart zu. Die Atmosphäre wird einfach besser, wenn viele Frauen da sind. Das weiß ich sehr zu schätzen. Wir haben viele Kids auf den Shows, aber auf der anderen Seite auch Leute in meinem Alter oder älter, weil wir sie an KISS, Alice Cooper oder sonstwen erinnern. Ich denke es ist eine Win-Win-Situation, eine breite Menge anzusprechen. Genau das sehe ich, wenn ich ins Publikum gucke. Ich bin jedes Mal wieder überrascht, dass dieser ausgewogene Mix da ist.
Kommen wir zu meiner letzten Frage: Wie sieht die Zukunft von Ghost aus?
Tobias: Momentan sehr ausgebucht. Wir spielen Shows das ganze Jahr über Shows, bis Weihnachten. Das zieht sich bis 2020. Wir wissen nicht ganz genau, wie 2020 aussehen wird, aber ich weiß jetzt schon, dass es einige kürzere Touren geben wird und wir in der ersten Hälfte ein neues Album aufnehmen werden. Es wird also ein neues Album in etwa acht Monaten ab dann geben.
Also arbeitest Du bereits an neuen Songs?
Tobias: Ja, das tue ich!
Super, ich bin gespannt. Auch auf die Show in Hannover nächste Woche.
Tobias: Darauf freue ich mich auch schon, das wird cool. Das wird definitiv etwas sein, was Du in Deutschland von Ghost bisher noch nicht gesehen hast.
Klingt super. Ich danke Dir vielmals für Deine Zeit und das Interview. Ich hoffe Ihr habt eine tolle Tour!
Tobias: Vielen Dank dafür und einen schönen Tag!