Es ist ein verregneter Mittwoch und viele Menschen strömen aus allen Richtungen Hamburgs in das wohl eher für Musicals bekannte Mehr! Theater am Großmarkt. Die Vorfreude steht der altersmäßig bunt gemischten Menge in das Gesicht geschrieben, sie alle sind auf dem Weg um Bastille, Lewis Capaldi und Ulysses Wells zu sehen. Seit 18.00 Uhr sind die Türen des Theaters schon auf und selbst eine Stunde später kommen noch Fans in den Saal. Um 19.30 Uhr gehen die Lichter aus und im Hintergrund der Bühne erscheint der Name des ersten Supports Ulysses Wells.
Geballte Power aus Großbritannien
„A little bit more woohoo“
Der junge Mann aus Oxford hat eine Band und Hintergrundsängerinnen im Gepäck – ein Anblick, den man selten sieht. Zu Dschungel-Klängen und einer Bühne in weiß-rotem Licht eröffnet Ulysses Wells den Abend. Mit einer Stimme wie Jack White und den rockigen Klängen der Instrumente kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der Opener des Abends auch der härteste Act des Ganzen ist.
Wenn man einen Abend eröffnet hat man es als Band nicht immer leicht. So auch der Rocker von der Insel. Trotz dem ein oder anderen Fan-T-Shirt in der Menge fällt es schwer, gute Laune in der Halle zu erzeugen. Auch die Architektur des Konzertsaals macht dem Künstler zu schaffen: Wer zu weit hinten steht sieht und hört eher schlecht. So muss Hamburg mit „I want a little bit more wohoo! Come on, party!“ ein wenig angefeuert werden. Für den nächsten Song klappt das dann auch und das Publikum klatscht zum Takt des dritten Liedes. Das Set des Briten ist sehr kurz, mit nur sieben Liedern hat er nicht viel Zeit auf der Bühne, um mit dem Publikum warm zu werden. Er bedankt sich noch bei Bastille und Lewis Capaldi und spielt dann seine letzten zwei Lieder.
Bildergalerie: Ulysses Wells
„If you don’t like sad songs, it’s gonna be a long 20 Minutes for you“
Es ist 20.15 Uhr und wieder gehen die Lichter auf der Bühne aus. Das Intro des nächsten Künstlers fängt an und der Name Lewis Capaldi erscheint im Takt der Melodie. Es ist melancholisch und das Mehr! Theater wird in blaues Licht gehaucht. Das Besondere an Lewis Capaldi ist wohl, das man ihm direkt anmerkt, woher er kommt. Auch in seinem ruhigen Gesang kommt der schottische Akzent durch. Das erste Lied „Fade“ wird angespielt. Ruhige Klavierklänge begleiten die wohlig, angenehme Stimme des Glasgowers. Es herrscht Gänsehaut-Stimmung im Raum. 2500 Menschen lauschen gespannt der hallenerfüllenden Stimme. Man könnte selbst ein Metal-Teilchen hören, was jemand auf der anderen Seite des Theaters fallen gelassen hat.
Die Menge applaudiert und singt mit, als wäre Lewis Capaldi schon länger und größer im Musikgeschäft. „Bruises“, das zweite Lied der Setlist, ist allerdings erst von 2017 und war
seine allererste Single. Die Chemie zwischen dem Briten und den lauschenden Leuten stimmt, jeder schwingt im Takt mit und auch in den Pausen zwischen den Liedern – die Lewis mit seinem Humor füllt – hängt das Publikum an seinen Lippen. Auch Capaldis Set ist nicht lang und trotz dass er meistens nur ruhige Lieder spielt, fühlt sich das ganze dennoch länger an als 20 Minuten. „If you don’t like sad songs, it’s going to be a long 20 minutes for you“, sagt er lachend. Das dritte Lied wird gespielt und bestätigt, dass sich das Tempo der Lieder tatsächlich nicht ändern wird. Irgendein Fan hat Ihm eine Brille auf die Bühne geworfen, er bedankt sich, setzt sie auf und spielt dann weiter. Trotz der melancholischen Klänge reißt die Stimmung nicht ab und zum letzten Lied tut Hamburg das, was man eben macht, wenn ein ruhiges Lied kommt und es das letzte Lied ist: Einer nach dem andern hebt Handylichter oder Feuerzeuge in die Höhe und so wird das Mehr! Theater in ein Lichtermeer verwandelt. „If you enjoy it – tell everyone. If not – keep it to yourself“, lässt der junge Mann auf der Bühne anmerken und verabschiedet sich.
Bildergalerie: Lewis Capaldi
Für Bastille werden die Tanzschuhe ausgepackt
Der Abend neigt sich langsam dem Ende zu, als ein rot angeleuchteter Vorhang die Sicht auf die Bühne verweigert. Auf dem Vorhang wird der Satz „Still Avoiding Tomorrow“ angestrahlt und lässt darauf schließen, dass es bald mit dem Haupt-Act Bastille los geht. Es ist 21.15 Uhr als die ersten Klänge des Intros ertönen und das Bild auf dem Vorhang von der Schrift zu einer Uhr – die „23:59“ anzeigt – wechselt. Mit „Wild World“, einem Cover, eröffnet das Quintett ihr Konzertset. Normalerweise sind die Londoner rund um Dan Campbell Smith eine vierköpfige Band, doch um einen besseren Live-Sound zu erzeugen, holen sie sich durch einen fünften Mann mit Keyboard und Gitarre Verstärkung. Nach anderthalb Liedern wird der Vorhang fallen gelassen und nun sieht man auch mehr als nur Schatten der Band. Die Stimmung im Saal ist trotz verspäteter Stunde nun auf dem Höhepunkt, es wird getanzt, gesungen und gelacht.
Unter den „Die-Hard-Bastille-Fans“ sind auch Einige, die das „Wieviele Lieder kennen wir wohl“- Spiel spielen und so warten sie erst bis zum fünften Lied „The Things We Lost“, um auch mitsingen zu können. Die erste halbe Stunde redet der Sänger kaum mit dem Publikum. Erst für Song Nummer Neun „Blame“ richtet er sich an die Besucher und holt sich zur Unterstützung den Opener des heutigen Abends, Ulysses Wells, auf die Bühne.
„Wir sind Bastille! Entschuldigung, unser Deutsch ist schrecklich“
Die Show der Band ist relativ minimalistisch gehalten. Bis auf den unkonventionellen Aufbau der Mitglieder auf der Bühne haben die Briten nur eine Video-Show mit unterschiedlichen Effekten im Hintergrund laufen. In der Band, die eigentlich als Soloprojekt von Dan gestartet ist, hat jeder einen gleichberechtigten Platz und so kommt es, dass der Schlagzeuger Christopher Wood auch am vorderen Rand der Bühne sitzt und nicht wie üblich hinter dem Rest der Band. Das Mehr! Theater ist heute nicht ausverkauft, sodass genug Platz ist, um den ein oder andern Diskofox auf das Parkett zu legen. Wer vorher auf der befestigten Sitztribüne Platz genommen hat, steht nun auch und bewegt sich im Takt mit.
Das aus 22 Liedern bestehende Set wird durch verschiedene „Interludes“ pausiert. Die Show ist 1A einstudiert und so wird aus einem Konzert eine richtige Party. Die Band auf der Bühne hat sichtlich genauso viel Spaß wie die Menge davor. Der Frontmann wendet sich an die Menge und versucht, auf deutsch die Band vorzustellen. „Wir sind Bastille! Entschuldigung, unser Deutsch ist schrecklich“, sagt er und wird mit Lachern aus dem Publikum für seine Bemühung belohnt. Wie es sich für Briten gehört, darf ein Seitenhieb auf die dortige Politik nicht fehlen und so wird kurz mal über den Brexit und auch Trump geredet. Außerdem beteuert der Londoner, dass es die letzte Nacht der Deutschlandtour ist und wird von erschrockenen Gesichtern und dem ein oder anderen „Oh“ aus der Menge dazu gezwungen noch zu erklären, dass er nicht meinte „für immer“. Das Tourpaket scheint sich untereinander gut zu verstehen und so kommt es, dass nicht nur Ulysses Wells mit der Band auf der Bühne stehen darf, sondern auch Lewis Capaldi eingeladen wird, einen Song mit ihnen zu singen.
Bildergalerie: Bastille
„You probably noticed but I am incredibly bad at dancing“
Bastille sind bekannt für ihre poppigen Lieder, mit „Pompeii“ – dem 16. Lied der Setlist – waren sie auch in den Top-Ten der deutschen Single-Charts. Während das Publikum die Hüften schwingt gesteht Dan Campbell Smith auf der Bühne: „You probably noticed but I am incredibly bad at dancing“. Es wäre bestimmt niemandem aufgefallen, wenn er es nicht selbst gesagt hätte. Denn die Show ist gut und überzeugt sicherlich auch den ein oder anderen Fan, der nicht für die Hauptband da ist. Für eins der Lieder wird wieder in die Cover-Kiste gekramt und so wird von der Band – in der die Mitglieder alle um die 30 Jahre alt sind – „Rythm Is A Dancer“ oder auf deren CDs als „Of The Night“ ein Klassiker der Dance-Pop-Geschichte zum Besten gegeben.
Das Publikum kniet sich automatisch hin – was beweist, dass viele der Fans nicht das erste mal auf einer Bastille Show sind – und springt dann im Takt wieder hoch. Die Stimmung ist und bleibt ausgelassen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Frontmann ein paar ernstere Worte spricht. Kurz vor dem abschließenden Lied des Abends erwähnt Dan, dass am Merch eine Spendendose ist und er diesen Sommer den London Marathon laufen wird, um Spenden für ein Krebs-Programm zu sammeln. Um die Stimmung wieder zu heben wird nun das Lied „Flaws“ begonnen und der Sänger stattet dem Front of House einen Besuch ab. Er singt ein paar Zeilen vom Tontisch aus, um dann wieder durch die Menge zu gehen und mit dem Publikum zu feiern. Den krönenden Abschluss gibt ein Meer aus Ballons zum letzten Refrain des Liedes. Als das Lied beendet ist, verabschiedet sich die Band und die Halle erleuchtet wieder hell. Nun sieht man die Gesichter der 2500 anwesenden Menschen, die glücklich und zufrieden in die verregnete Märznacht entlassen werden.