Behind The Lyrics: KID DAD über den Song „As Soon As America“

Kid Dad 2021
Foto: Max Zdunek

KID DAD haben nicht nur ihre neue Single „As Soon As America“ veröffentlicht, sondern damit gleichzeitig ihre neue EP „Bloom“ angekündigt. Diese wird am 10. Dezember auf den Markt kommen. Im Februar 2022 geht die Band außerdem auf Tour – präsentiert vom Count Your Bruises Magazine. Alle Tourdates findet Ihr weiter unten. In einer Ausgabe von „Behind The Lyrics“ geben uns KID DAD einen Einblick in den Song.

Das macht mir Angst, das macht uns Angst und deswegen singen wir diesen Song.<span class="su-quote-cite">KID DAD</span>

„Bist du irre?“

Als ich noch ein kleiner Junge war, war ich – wie so oft in meiner Grundschulzeit – mit meinem besten Freund in den Straßen unseres kleinen Heimatdorfes unterwegs. An einem dieser Tage fragte er mich: „Ey, willst du mal was cooles sehen?“, ich: „klar“, also gingen wir in seinen Garten. An der Hauswand vorbei die Treppe runter und links um die Ecke, wie immer, nur stand dieses mal ein Luftgewehr an den blickdichten Zaun gelehnt. Ich erschrak und wusste nicht so recht, was das jetzt sollte. War das so eine Art Scherz? Wollte mich irgendwer testen?

Während sich diese Fragen in meinem neunjährigen Hirn überschlugen, lud er die Waffe und feuerte quer durch den Garten in Richtung eines dafür aufgestellten Holzbrettes – natürlich vorbei. Ich trat näher an das Holzbrett heran und sah mehrere Einschusslöcher darin. „Bist du irre?“, fragte ihn mein zu gut erzogenes Vergangenheits-Ich. „Mein Opa hat mir die gegeben, der darf die haben für die Jagd“ warf er mir gelassen zurück. „Willst du auch mal?“. Ich ging auf ihn zu, nahm das Gewehr in die Hand und mein Arm zitterte etwas, weil es so schwer war. Ich versuchte wirklich, Freude an der unerwartet gewonnenen Macht zu gewinnen, die ich da in meinen Händen hielt. Ich hatte Schiss, richtig Schiss. Ich drückte ab und ein kalter Rückstoß drückte sich in meine Rippen. Ich gab es ihm wieder, wahrscheinlich kreidebleich. „Krass“, sagte ich nur, aber dachte nicht weiter darüber nach, was da eben passiert war. Dachte nicht darüber nach, dass wir uns gegenseitig hätten erschießen können. Dachte nicht darüber nach, ob das jetzt cool oder uncool war. Ich wollte das einfach nur noch vergessen.

„Wer denkt schon gerne über das Negative nach?“

Aber was hat das mit dem Song zu tun, über den ich hier reden will? 
„As Soon As America“ erzählt von dem Mythos des perfekten Landes, in dem sich Kulturen, Religionen und Einstellungen zwar oft mit etwas Konkurrenz gespickt, aber stets fair, offen und herzlich zueinander verhalten und eine gewaltfreie Atmosphäre schaffen. Ein Land, in dem alles möglich ist – natürlich im positiven Sinne, denn wer denkt gerne über das Negative nach?

Zugegeben: das ist nicht die gängige Auslegung des „American Dream“, aber es ist das, was ich jahrelang in Amerika gesehen habe. Ich hab von den tollen Bands und Künstler*innen erfahren, habe gelesen und Filme darüber gesehen, wie perfekt alles sein kann und dabei all das Leid, die Ungerechtigkeit, den Hass, den Terror und die Gewalt nicht gesehen. Noch mit 17 hing eine große USA-Fahne in meinem Zimmer und ich habe nie hinterfragt, ob ich eigentlich genug über dieses Land, seine Geschichte und die Geschichten ihrer Einwohner weiß. 
Aber es ist nicht das Land an sich, das in unserem Song differenzierter betrachtet wird. Das Land ist Opfer seines Rufs beziehungsweise seines Traumes und deswegen trifft jeder nüchterne Vergleich ebendieses Traumes mit der Realität doppelt und dreifach.

Dieses Gefühl, welches ich eingangs beschrieben habe: Diese Angst, diese Ohnmacht, die ich gefühlt habe, als ich die Waffe trug, hilft mir bei meinem Pazifismus. Hilft mir, klar Stellung zu beziehen und zu kritisieren, dass man in den USA nur in eine Tankstelle zu gehen braucht, wenn man gerade das Verlangen nach ebendieser Macht hat. Das macht mir Angst, das macht uns Angst und deswegen singen wir diesen Song. Wir wollen zum Denken anregen, ab wann die unbegrenzte Freiheit einer Person vielleicht Freiheits-einschränkend für viele Andere ist. Wir lieben viele von Amerikas Grundsätzen, Zielen und Idealen. Wir lieben die Menschen, die sich dort Tag für Tag dafür einsetzen, dass es immer mehr ein Land der Begegnung, der Offenheit und Sicherheit wird.

Aber der Begriff ist eben sein eigener Henker: es ist eben noch ein Traum.

„Irgendwie verrückt, was Musik so alles kann“

Hauptanstoß zum Schreiben des Songs war definitiv die Trump-Ära. Die Absurdität der Selbstverständlichkeit, mit der sich der kleine orangene Mann die Wahrheit und somit die Massen zurechtgelegt hat, hat uns als Menschen und Band zunehmend politischer werden lassen. Als ich dann eines Tages während meiner Arbeit „People“ von The1975 in der richtigen Stimmung hörte, wollte ich auch so einen Song schreiben. Einen, der klar sagt, was man denkt. Einen lauten, provokativen Song, der richtig reinhaut.

Nachdem ich mich in meinen Postklamotten kurz hinter einer Hecke versteckt und „I DON’T WANT TO BE DEAD AS SOON AS AMERICA“ in mein Handy geschrien hab, um es aufzunehmen, hatte ich noch keinen blassen Schimmer, dass der Song musikalisch ganz anders werden würde, als ich ihn mir zu dem Zeitpunkt ausgemalt hatte. Irgendwie passten Gospel, Bedroom Pop und Rap Vibes besser – also haben wir’s so gemacht. An der Message und dem Gefühl, was der Song ausdrücken sollte, hat sich aber nichts geändert.

Irgendwie verrückt, was Musik so alles kann.

Video: KID DAD – As Soon As America

Tourdates 2022

03.02. Köln, Blue Shell
04.02. Essen, Hotel Shanghai
05.02. Braunschweig, b58
06.02. Hamburg, Nochtwache
10.02. Kiel, roter Salon
11.02. Hannover, LUX
12.02. Leipzig, neues Schauspiel
13.02. Berlin, Badehaus
16.02. Stuttgart, Goldmarks
17.02. Frankfurt, Nachtleben
22.02. Dresden, Ostpol
23.02. Nürnberg, Club Stereo
24.02. München, Kranhalle
26.02. Osnabrück, Bastard Club