Das zweite Hannover Metalfest mit The Hirsch Effekt und mehr

The Hirsch Effekt Hannover Metalfest Bei Chez Heinz Thomas Rocho
Foto: Thomas Rocho

Am vergangenen Wochenende fand zum zweiten Mal das Hannover Metalfest im vertrauten Béi Chéz Heinz statt. Fans der härteren Gangart kamen bei mildem Herbstwetter voll auf ihre Kosten. Sowohl im Saal des Venue, als auch im Innenhof herrschte den ganzen Tag über ausgelassene Stimmung, zwischen guten Bekannten, neuen und alten Freundschaften, Bands, Gästen, Partnern und der Crew. Das Hannover Metalfest soll ein ganz besonderes Schmankerl für die regionale Szene sein und das, hat sich wohl bereits nach Runde zwei etabliert. Mit dabei waren in diesem Jahr The Hirsch Effekt, Damnation Defaced, Desolation, Iron & Stone, Mudhead, Radiant, Scarnival und Stark Strom.

„Hätte hier jeder ein Feuerzeug in die Luft gestreckt, hätte man vermutlich eine Atmosphäre erzeugen können, die den Eishockeyspielen am Pferdeturm ordentlich zur Konkurrenz geworden wären.“

Der perfekte Opener

Iron & Stone aus Hildesheim starten von null auf hundert in das zweite hannoversche Metalfest. Mit ihren äußert groovigen Anleihen bildet die Band den perfekten Opener, um den Nacken für die folgenden sieben Bands aufzuwärmen. Ohne eine großartige Pause, verdienen sich die Musiker den ersten Applaus, denn heute spielen sie erste Show, seit der Veröffentlichung des aktuellen Albums „Can’t Stop Us Coming“. Dieses erschien am 27. September. Der Frontmann scheint vollends in seinem Element zu sein und begrüßt das sichtlich motivierte Publikum mit den Worten „Schön, dass schon so viele da sind“.

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Eine symbiotischen Performance

Bei Mudhead ist es schon deutlich voller. Die Band, die sich aus Musikern aus Rotenburg (Wümme), Hamburg und Hannover zusammensetzt, startet volles Brett straight nach vorne. Wenn Berry Mudhead sich durch die ersten Reihen schreit, holt er sein Publikum auf ganzer Linie ab und überzeugt mit einer gekonnten Kombination aus Hardcore, Metalcore und Thrash. Es dauert nicht lange, bis er anfängt die Hörerschaft mit den Worten „Moschen! Um die Säule kann man wunderbar einen Circle Pit machen.“ anzutreiben. Die Band veröffentlichte mit „Mindfuck“ im Juni eine neue EP und sieht das Metalfest als gute Gelegenheit, die fünf Songs am Stück durchzuspielen. Das Publikum unterstützt das Vorhaben und reagiert auf die Frage „‚Mindfuck‘ spielen wir jetzt komplett durch, in Ordnung?“, durchweg positiv. Ohne großen „Sicherheitsabstand“ zur Bühne bekommt die Riege der Headbanger jetzt ordentlich zu tun. Starke Nummer – Band und Publikum liefern mit einer symbiotischen Performance ab.

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Zigarren und Whisky zum Frühstück

„Mit unserer ‚Rampensau‘ Jannik bringen wir die Bude zum Kochen!“, kündigen Stark Strom aus der Wedemark ihren musikalischen Exkurs an und laden das Publikum dazu ein, sich selbst davon zu überzeugen. Die Jüngsten des Tages halten die Flagge der härteren Gangart selbstbewusst nach oben und machen genannter Aussage, trotz kleiner Technikprobleme, alle Ehre. Jannik hat nämliche eine wirklich beeindruckende Stimme für sein Alter und klingt ein bisschen, als bekäme er Zigarren und Whisky zum Frühstück. Ganz wie die großen Idole AC/DC, Guns’n’Roses, Black Sabbath eben. Stark Strom gehen ins Ohr und begeistern die versammelte Metalgemeinde. Neben Covern von beispielsweise System Of A Down, haben die Jungs das erste selbstgeschriebene Stück dabei. „Timemachine“ klingt nach Einflüssen von ACDC und steht den Youngstern ziemlich gut.

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Amtliches Ausrasten

Scarnival, sie sich laut eigener Aussage gerade in den Arbeiten an einem neuen Album befinden, ziehen härter an und überzeugen mit ihren schnellen Riffs, die mit groovig eingängigen Anleihen einen hörenswerten Wechsel zwischen Gesang, Growls und Shouts voraussetzen. Der Saal des beliebten Kellerclubs ist gut gefüllt und das Publikum hat absolut keine Einwände, sich ordentlich „anschreien“ zu lassen. Die Hannoveraner präsentieren Melodic Death Metal par excellence, dem auch die weicheren, melodischen Facetten unfassbar gut stehen. Beim Song „You Die Alone“ ist ein amtliches Ausrasten angesagt und Frontmann Alexander Unruh findet das alles schon „Sehr geil!“. Getreu dem Motto „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein“, nutzt man die erste und einzige Wall of Death zur „Völkerverständigung“ und proklamiert sie als ein „aufeinander zugehen“. Schön gesagt, schön abgeliefert!

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Die Maschine läuft auf Hochtouren

Desolation kassieren beim heutigen Metalfest auf jeden Fall den Preis für die fulminanteste Haarpracht des Tages. Das Publikum drängt sich vor die Bühne und man muss manchmal fast ein bisschen darum bangen, dass die Haare sich beim ausgelassenen Bangen nicht verknoten. Wobei, so könnten natürlich auch Lovestories beginnen. Die Maschine läuft auf Hochtouren. Es ist laut, es wird geschrien und gekreischt. Man könnte fast meinen, man würde die heiligen Kellerhallen ein wenig beben spüren. Dabei lässt Frontmann Johannes vor allem persönliche Erfahrungen einfließen und überzeugt mit seiner charakterstarken Stimme. Verfehlung, Schuld und Versagen vor dem eigenen Gewissen ziehen sich als dominierende Themen durch die Songs. Desolation geben alles und überbrücken auch die technischen Probleme in schönster Haarbracht gekonnt: „Sorry für die technischen Probleme, aber könntet Ihr eure Haare noch ein bisschen bewegen?“, fragt Sänger Johannes, der augenscheinlich in all der Atmosphäre entflammt und erntet ein kollektives Nicken.

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„Ihr seid ja der Wahnsinn“

Amtliche Chöre

Radiant aus Hannover vereint Melodik mit harter Aggressivität und erzeugt so ein vielschichtiges Klangerlebnis. Textlich bewegen sich Radiant fernab der genretypischen Klischees. Die bereits 2014 gegründete Band um Frontmann Herbie Langhans, der auch von Bands wie Sinbreed, Beyond the Bridge und Seventh Avenue bekannt ist, zaubert mit dem Rest der Kapelle unglaublich kraftvolle Riffs, die direkt ins Ohr gehen. Die Devise dabei ist: Mehr Rock, weniger Metal, mehr Hooklines, weniger Speed. Die Band kommt mal ruhiger, mal etwas schneller daher, aber immer eingängig für die Zuhörer, die sich textsicher in die Songs der Musiker einsingen. „Ihr seid ja der Wahnsinn“, feuert der Frontmann sein Publikum an und bildet amtliche Chöre im Béi Chéz Heinz. Das Publikum fordert durch „Zugabe“-Rufe mehr und wird mit einem Dio-Cover belohnt. Am Ende wird das traditionelle Publikumsfoto gemacht und man verabschiedet sich in eine kurze Pause in die milde Abendluft im Hof des Béi Chéz Heinz.

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Das Béi Chéz Heinz ist durchgängig textsicher

Geschrote und Gegrunze bringen Damnation Defaced auf die Bühne. Zwischen viel Nebel, der durch die Scheinwerfer in verschiedene Farben getaucht wird, feuern die Musiker ihr Publikum an: „Wir sind aus Celle, aber auch ein bisschen aus Hannover und Hamburg – und Ihr seid geil!“ Moshpits laden sich auf und es zeigt sich deutlich, dass das Publikum sich leichter und leichter führen lässt. Groovender Melodic Death Metal steht, gepaart mit Synthesizern, Klangteppichen und Sounds, die man sonst eher in SciFi Filmen oder Games zu hören bekommt, auf dem Programm. Hier beweist sich einmal mehr, wie vielschichtig das Hannover Metalfest seine Bandauswahl trifft. Ein wenig überraschend und ordentlich zum Schmunzeln angeregt, gipfelt die Show im „Africa“ Cover von Toto, bei dem sich der Saal maximal textsicher zeigt.

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Strobo, Artcore und Eishockey Atmosphäre

Wenn sich das Düster der Nacht in sphärische Nebelschwaden legt, lässt sich leicht erkennen, dass sich die Umbaupause für The Hirsch Effekt auf der Zielgeraden befindet. Es ist ein klassischer The Hirsch Effekt Start, der sich vor der Zuschauerschaft zeigt und ab der ersten Sekunde klarmachen soll, was sich hinter dem Genre Artcore versteckt. Die Bühne ist in einen Vorhang aus weißem Licht getaucht, welcher sich während der Ansage „Hallo Hannover“ im aufgeregten Strobo-Licht bricht. Das Publikum zeigt sich verhalten, aber bereit. Es scheint ein bisschen Mühe zu haben, angemessene Bewegungsabläufe auf die sphärischen Melodien der Hannoveraner zu finden. Atmosphäre wechselt mit rohen, körperlicher Schwere und lässt die Besucher eher aufmerksam lauschen, als wild durch die Gegend zu moshen. Es wird geklatscht und mitgewippt, Köpfe schaukeln im Takt und Körper bewegen sich zu vertrauten Klängen, die nicht nur ein faszinierendes musikalisches Spannungsfeld zeigen, sondern auch ein handwerkliches Nonplusultra, welches man nicht so häufig zu sehen bekommt. Da kann man schon mal staunen. Akustisch neigt sich der Tag, in bester Metalgesellschaft, dem Ende. Hätte hier jeder ein Feuerzeug in die Luft gestreckt, hätte man vermutlich eine Atmosphäre erzeugen können, die den Eishockeyspielen am Pferdeturm ordentlich zur Konkurrenz geworden wären.

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