Deafheaven – Infinite Granite

Mehr Alcest als Darkthrone: Deafheaven heben ihren Sound mit „Infinite Granite“ auf die nächste Evolutionsstufe und lösen sich damit beinahe vollständig von ihren Ursprüngen. Warum auch alte Fans diesen Sprung mitmachen sollten und wie viel Black Metal tatsächlich noch in Deafheaven steckt.

„Die größte Stärke von „Infinite Granite“ ist das gelungene Kunststück, auch in den konventionellsten Momenten die schiere musikalische Genialität der Band greifbar zu machen. Deafheaven spielen damit spätestens ab jetzt in ihrer ganz eigenen Liga und befreien sich endgültig von alten Konventionen, bewahren sich aber ihr einzigartiges Gespür für Stimmung und Intensität.“

Klar ist: Das Korsett „Black Metal“ war der Band um Frontmann George Clarke und Gitarrist & Hauptsongwriter Kerry McKoy schon sehr früh viel zu eng. Den Anspruch auf „Trveness“ hatten sie ohnehin nie und konsequent schwarzmetallisch klangen am ehesten das Demo (mit Abstrichen) und das Debüt „Roads To Judah“. Aber schon das Durchbruchsalbum „Sunbather“ aus 2013 riss mit Freude sämtliche Vorhänge auf und ließ damit etwas bis dahin für Black Metal weitgehend Unerhörtes einziehen: sonnige Wärme. Weil sie damit direkt zu Posterboys des „Blackgaze“ ernannt wurden (The Guardian) und sich gleichzeitig wenig um Erwartungshaltungen scherten, brachte „New Bermuda“ zwei Jahre später wieder neue Einflüsse in Form von groovendem Thrash Metal ein. Auf dem bislang letzten Album „Ordinary Corrupt Human Love“ ging dann alles: Raserei, Schönklang, Noise, Klargesang, Kreischen, Indie-Romantik, Wahnsinn – und selbst ein traurig-schönes Duett (mit Chelsea Wolfe).

Strukturiert und eingängig

„Infinite Granite“ destilliert nun die gediegenen, verträumten Momente aus diesem Potpourri und bindet sie in beinahe konventionelle Songstrukturen ein, wie man es bislang nicht gewohnt war. Besonders die ersten Songs folgen einem Verse-Chorus-Bridge-Schema und werden dadurch fast zu (etwas langen) Alternative-Hits. „Great Mass Of Color“ beispielsweise kommt Teenage Wrist erstaunlich nah, während „Lament For Wasps“ tanzbare Beats (ja, wirklich) mit melancholischem Shoegaze und einem kraftvollen Rockchorus verbindet.

Viel Licht, wenig Schatten

Doch immer wieder blitzen kurze Momente auf, die verraten, wo die Band herkommt: Angetäuschtes Tremolo-Picking, die sich manchmal nur unter großer Selbstbeherrschung in Zaum haltenden Drums und einzelne gekeifte Zeilen setzen unheilvolle Akzente in den vorherrschenden Schönklang. Beinahe wirkt es, als hätten Deafheaven der fiesen Black-Metal-Fratze eine liebreizende Maske aufgesetzt, die ein ganz wenig zu klein geraten ist und immer wieder geradegerückt werden muss.

Darüber hinaus folgt das ganze Album einem Stimmungsverlauf: Das Eröffnungsduo aus „Shellstar“ und „In Blur“ verströmt eine durch und durch helle und freundliche Grundstimmung, die im weiteren Verlauf Stück für Stück um düstere und bedrohliche Momente angereichert wird. Das wunderschöne Instrumental-Interlude „Neptune Raining Diamonds“ fungiert dabei gewissermaßen als Wendepunkt. „Villain“ und „The Gnashing“ sind zwar durchaus melodiös, weisen aber auch in zunehmendem Maße dunkle Untertöne auf. „Other Language“ gibt sich mit verwaschenen Riffs und Shufflebeat lange Zeit verhallten, bricht dann aber im letzten Drittel mit dissonanten Gitarren und sich freispielendem Schlagzeug auf.

Ein letztes Aufbäumen

Der Weg ist damit bereitet für das, was sich Fans der lauten und rasenden Deafheaven seit fast 50 Minuten sehnlichst Wünschen: Das abschließende „Mombasa“ beginnt zwar noch sehr zurückhaltend und verträumt, schraubt die Intensität aber minutenlang an einen Punkt, der nur noch den einen großen, finalen Ausbruch zur Folge haben kann. Und so werfen Deafheaven endlich alle Zurückhaltung über Bord und verlieren sich in Blastbeats, Tremoloriffing und der hexenhaften Kreische Clarkes, bis der Song in einem großen Knall aus Schreien und Störgeräuschen aufgeht.

Fazit: Die größte Stärke von „Infinite Granite“ ist das gelungene Kunststück, auch in den konventionellsten Momenten die schiere musikalische Genialität der Band greifbar zu machen, wie die Gitarren in „Lament For Wasps“ etwa oder die zum Schmelzen schöne Bridge in „Shellstar“. Zudem zeigt sich George Clarke mit einer ungeahnten stimmlichen Wandelbarkeit. Deafheaven spielen damit spätestens ab jetzt in ihrer ganz eigenen Liga und befreien sich endgültig von alten Konventionen, bewahren sich aber ihr einzigartiges Gespür für Stimmung und Intensität.

Video: Deafheaven – Great Mass Of Color

Hier erhältlich
Deafheaven - Infinite Granite AbumcoverDeafheaven – Infinite Granite
Release: 20. August 2021
Label: Sargent House
Überblick der Rezensionen
Bewertung
Vorheriger ArtikelReal Friends covern „Tonight, Tonight“ von den Smashing Pumpkins
Nächster ArtikelDescendents: Alle Videos im Überblick
deafheaven-infinite-granite-albumreviewDie größte Stärke von „Infinite Granite“ ist das gelungene Kunststück, auch in den konventionellsten Momenten die schiere musikalische Genialität der Band greifbar zu machen. Deafheaven spielen damit spätestens ab jetzt in ihrer ganz eigenen Liga und befreien sich endgültig von alten Konventionen, bewahren sich aber ihr einzigartiges Gespür für Stimmung und Intensität.