Descendents gehören zu den ganz Großen in Sachen schnellem, melodischen Punkrock und sind eine echte Punk-Legende. Nun macht die Band im Rahmen ihrer „2019er World Tourage“ diesen Donnerstag endlich einmal in Hannover Halt. Die 60er-Jahre-Halle der Faust ist restlos ausverkauft und der Support kommt von der israelischen Band Useless ID. Der Abend wird groß, legendär und ein Abriss allererste Güte – so viele Superlative schon einmal vorweg.
„Dieser Abend ist legendär, sackstark und einfach brillant!“
Fuck German Traffic
Es ist ein schöner lauer Sommerabend an diesem Donnerstag, was vorab schon die Befürchtung aufkeimen lässt, dass es heute in der Halle sehr heiß und stickig werden könnte – was sich später auch bewahrheiten soll. An der Faust angekommen, eine schlechte Nachricht: No Sugar, die als Opener fungieren sollten, können leider nicht spielen, da sie offensichtlich im Stau stecken geblieben sind und es nicht rechtzeitig schaffen. Also wird der sommerliche Abend vor der Tür einfach noch etwas verlängert.
Punk mit Hut
Mit den Worten „Are you ready to party with us“ starten Useless ID aus Haifa gegen 20.25 Uhr dann mit ihrem Set. Das Quartett hat zu Beginn in der immer voller werdenden Halle ein wenig Startschwierigkeiten, steigert sich dann aber mit zunehmender Spieldauer. Will zuerst der Funke nicht so recht auf das Publikum überspringen, gelingt das schließlich doch und Hannover dankt es der Band aus Israel mit mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Sänger Yotam Ben-Horin kommt im Übrigen mit einem modischen Hut auf die Bühne, doch bereits nach dem vierten Song zollt auch er der zunehmenden Wärme Tribut und entledigt sich dessen.
Musikalisch gibt es in starken 45 Minuten melodischen Hardcore-Punk, in Kombination mit schnellem Skatepunk auf die Ohren. Im Mittelpunkt steht das 2016 veröffentlichte letzte Album „State Is Burning“. Aber auch Songs früherer Werke, wie etwa „The Lost Broken Bones“, kommen zum Tragen. Ansagen gibt es nicht viele, denn Useless ID lassen ihre Songs sprechen. Und dazu zählen an diesem Abend unter anderem „Isolate Me“, „Always The Same“, „Blood Pressure“, „Deny It“ oder das bärenstarke „Mouse In A Maze“. Zwischendurch kündigt Sänger Yotam kurz an, dass es eine Ehre sei, für eine Band wie Descendents eröffnen zu dürfen. Später bezieht er sich noch kurz auf die aktuelle EP „7 Hits from Hell“ aus dem Jahr 2018, von der die Band fünf Songs am Stück und ohne Unterbrechung spielt, inklusive „No Time“. Und das in weniger als fünf Minuten. Mit „State Of Fear“ biegen die sympathischen Israelis dann auf die Zielgerade ein, bedanken sich für die gute Stimmung und die guten Erinnerungen, die die Band immer mit Hannover verbindet und dann wird es langsam Zeit für den Hauptact.
Bildergalerie: Useless ID
Milo goes to Hannover – Descendents starten durch
Nach etwas längerer Wartezeit beginnen Descendents dann endlich gegen 21.45 Uhr mit ihrem Set. Zu Anfang bedankt man sich kurz bei Useless ID für den Support, bevor mit „Suburban Home“ sprichwörtliche die Hölle in der Faust losbricht. Die Israelis verfolgen die gesamte Show übrigens vom Bühnenrand aus. Vom ersten Song an herrscht ausgelassenste Stimmung, ein großer Moshpit entsteht und die prägnanten Zeilen des Songs „I don’t wanna be stereotyped, I don’t wanna be classified“ hallen durch die Location, gesungen von einigen hundert Kehlen. Was für ein Auftakt! Es folgt direkt „Everything Sucks“, danach spielt das Quartett „Hope“, „On Paper“ und „Bear“.
Ansagen gibt es auch hier nicht viele. Sänger Milo Aukerman konzentriert sich lieber auf die Musik, zeigt sich dabei unglaublich agil und springt über die Bühne. Es folgen weitere Songs wie „Rotting Out“, „Victim Of Me“, „Silly Girl“ oder „Shameless“. Das Set erweist sich als Best-Of-Auswahl, als Querschnitt durch alle Alben, durch das gesamte Lebenswerk der Band und es ist so gut. Die Begeisterung bei den knapp 700 Besuchern in Hannover kennt auf jeden Fall keine Grenzen. Stagedives, Crowdsurfing und lautes Mitsingen sind die Folge.
Legendenstatus und das zu Recht
Seit 1982 gibt es die Descendents nun schon und auch heute noch zieht die Band um den charismatischen Milo mit seiner prägnanten Brille die Zuschauer in ihren Bann. Nach zwei Trennungen ist die Band seit 2004 wieder aktiv und spielt auch heute in Hannover mit der Besetzung von 1986. Also nicht ganz original, aber fast. Herausstechend ist dabei Schlagzeuger Bill Stevenson, der mit großen Kopfhörern hinter seinem Drumkit thront und dieses mit einer unglaublichen Präzision bearbeitet. Da sitzt ein absoluter Könner, ohne Wenn und Aber. Aber auch Bassist Karl Alvarez und Gitarrist Stephen Egerton sind wahre Meister ihres Fachs.
Bildergalerie: Descendents
Musikalisch geht es unaufhörlich weiter und das auf höchstem Niveau. Ein Hit schließt sich dem nächsten an, wie beispielsweise „I’m Not A Punk“, „Weinerschnitzel“, „Who We Are“, „Grow Up“, „Without Love“ oder „Nothing With You“. Bei „Coffee Mug“ wird eine überdimensionale Tasse auf die Bühne gebracht, aus der alle einmal sinnbildlich einen Schluck nehmen. Milo spritzt mittlerweile immer wieder Wasser ins überhitze Publikum vor der Bühne. Dann spielt die Band noch unter anderem „Coolidge“ und schließlich mit „Descendents“, den finalen Song. Aber die Descendents lassen sich eine Zugabe nicht nehmen. Und hier folgen mit „I’m The One“, „’Merican“, „Bikeage“ und „Smile“ noch einmal vier absolute Kracher, auf die jeder gewartet hat und die diesen unglaublichen Abend beschließen. Im Endeffekt kann man nur sagen: Dies war ein nahezu perfekter Konzertabend. Und da sind sich die vielen Besucher, die sich vor der Tür in der kühlen Nachtluft erholten, ausnahmslos einig. Kommen wir als Fazit noch einmal auf die Superlative vom Anfang zurück: Dieser Abend ist legendär, sackstark und einfach brillant!