Dass Eskimo Callboy immer schon polarisiert haben, sollte allgemein bekannt sein. Diese besondere Mischung aus Trancecore und teils prolligen Assi-Texten muss man eben mögen. Genau das hat der Band bisher ihren einzigartigen Stil beschert, bei dem ein Fan davon bei neuen Alben stets bedenkenlos zugreifen konnte. Um es schonmal vorweg zu nehmen: Dies ist bei “Rehab” nicht der Fall.
„nach ein paar mal hören bleiben einige Songs wie das treibende “Hurricane” oder “Okay” dann doch im Ohr hängen“
Die Suche nach einer treffenden Beschreibung
Nachdem das 2017 erschienene Album “The Scene” auf Platz 6 in den deutschen Album-Charts einstieg, gefolgt von vielen Live-Shows, begann 2018 das Songwriting für die neue Platte. Daraus entstanden ist das Album “Rehab”, was erstmal so klingt, als hätte man nach den wilden Jahren eine Rehabilitation nötig. “Es ist sehr schwer „Rehab“ zu beschreiben,“ sagt die Band dazu. „Allgemein könnte man sagen, dass wir etwas grundsätzlich Anderes versucht haben. Wir haben versucht uns auf die wichtigsten Kernaspekte der Musik zu konzentrieren.“
Ja, so kann man es sagen. Es ist tatsächlich absolut nicht leicht, “Rehab” zu beschreiben. Als erstes fällt auf, dass die Platte beim ersten Hören so ganz anders klingt, als alles, was man von Eskimo Callboy bisher gehört hat. Einige Songelemente klingen schon nach dem vertrauten Sound – das Gesamtpaket klingt aber so gar nicht nach dem sonst so typischen Schema. Es fehle zum einen ein wenig die so typischen, leicht assigen Texte, die stets mit einem Augenzwinkern zu verstehen waren. Schlimmer noch – nach dem ersten Durchhören blieb tatsächlich erstmal nichts hängen, außer ein großes Fragezeichen über dem Kopf.
Eine stilistische Neuerfindung
Im Pressetext heißt es “Ähnlich wie seine Vorgänger ist „Rehab“ eine stilistische Neuerfindung der Band, wo jede neue Idee – ob textlicher, visueller oder soundtechnischer Natur – einen gewaltigen Schritt vorwärts bedeutet.” Eine stilistische Neuerfindung ist es definitiv. Der Sound wirkt weicher, es gibt weniger Screams und allgemein fehlt der typische “Stempel” der Castrop Rauxeler Truppe. Wenn da nicht Songs wie “Hurricane” oder “Made By America” wären, könnte man sogar soweit gehen zu behaupten, Eskimo Callboy hätten ihren Stil verloren.
“Rehab” hätte ebenso von einem 08/15 Teenie-Sänger sein können und “Nice Boi” ist zwar textlich schon in die richtige Richtung, aber musikalisch steht hier klar der Sprechgesang im Vordergrund und die sonst so prägenden Trance-Elemente fehlen fast komplett. Allgemein wirkt das ganze Album wirr – man erkennt kaum einen roten Faden. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass die Melodien zwar ganz nett klingen, aber der Funke nicht so recht überspringen will.
Eine klare Linie – oder deren Abwesenheit
Klar, man merkt hier, dass Meister am Werk waren – jeder Song für sich ist makellos produziert und jeder beherrscht seine Instrumente, auch sind die Tracks für sich allein grundsätzlich nicht verkehrt, allerdings fehlt der Bezug zum Trancecore schon sehr. Es stellt sich die Frage: Welche Richtung möchte man einschlagen? Möchte man, jetzt nachdem man mit Schlagzeuger David Friedrich einen wahren Promi in den eigenen Reihen hat, mit den Songs auf Nummer sicher gehen? Einen Weg, den auch Bring Me The Horizon eingeschlagen haben? Oder soll es mehr Richtung Rap/Hip Hop gehen? „Rehab“ scheint irgendwas dazwischen zu sein. Sowas wie der Weg, den eigenen Stil zu finden und dabei seine alte Schublade loswerden.
Vielleicht müssen Eskimo Callboy sich nochmal klar werden, wo genau sie musikalisch hin wollen. Songs schreiben können sie – nach ein paar mal hören bleiben einige Songs wie das treibende “Hurricane” oder “Okay” dann doch im Ohr hängen. Wenn man jetzt auch noch wüsste, wohin die Reise gehen soll, könnte man sagen, ob die Jungs auf dem richtigen Weg sind oder nicht.