Fährmannsfest – Der Samstag

Foto: Thomas Rocho

Der Samstag auf dem Fährmannsfest auf der Boykottwiese in Hannover am Leineufer steht traditionell im Zeichen des Punkrocks. So auch im Jahr 2019. Dieses Mal sind Die Postpunk, Rotz auf der Wiese, Volter, V8 Wankers, ZSK und als Headliner Dritte Wahl am Start. Und da das Wetter mitspielt, wird es ein toller Tag mit richtig starken Bands.

Rotz auf der Wiese: Futuristisch, witzig, gut

Die Postpunk eröffnen um 15.00 Uhr die Musikbühne des Fährmannsfestes und liefern feinsten Punkrock mit deutschen Texten. Um 16.10 Uhr, pünktlich zur Kaffeezeit, entern Rotz auf der Wiese die Bühne. Statt Kaffee stehen allerdings für die bereits Anwesenden eher Kaltgetränke auf dem Plan. Die Band fällt sofort durch die futuristische neongrüne Sonnenbrille von Sänger Rasti auf. Farblich dazu abgestimmt und modisch bewusst sind auch Bass und Gitarre in dieser auffälligen Farbe gehalten. Es wird von 10 auf 1 heruntergezählt, dann geht es los mit ihrem ganz eigenen Aerobic-Kurs, wie es die Band selber nennt. Die Hannoveraner überzeugen direkt mit ihrer Mischung aus Punk, Melodie und witzigen Texten bzw. Ansagen. Drummer Achim gewinnt dann auch die erste Ansage ans Publikum, worauf sich dieses zu lauten „Achim, Achim“-Sprechchören hinreißen lässt.

Merklich steigt die Stimmung von Song zu Song. Und da spielen Rotz auf der Wiese Lieder wie „Guten Abend“, „Fischerstraße 13“, „Geiselnehmer“, „Alles von mir“ oder „Ganz normaler Tag“. Sänger Rasti ist dann auch der Meinung, dass dieser Auftritt vergleichbar ist mit dem Tag, als es beim Bäcker fünf verschiedene Sorten Käsekuchen gab. So toll sei es heute. Hier und da erinnert die Musik der Hannoveraner etwas an Die Ärzte. Allerdings ist auch der Eigenanteil an der Musik deutlich zu erkennen. Rotz auf der Wiese machen richtig Spaß. Zum Schluss spielt das Trio dann noch „Freunde“ und passend dazu schießen Funkenregen aus Bass und Gitarre. Hier stimmt schon einmal sehr viel, denn auch die Show von Rotz auf der Wiese ist äußerst sehenswert.

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Bildergalerie: Rotz auf der Wiese

Volter: Das Gedenken an Lemmy

Nun sind Volter an der Reihe. Von Beginn an wird sofort klar, dass die Wurzeln der Band bei Motörhead zu suchen sind. Dafür zelebrieren die drei Hannoveraner dann auch in den folgenden knapp 45 Minuten den High Gain Rock ´N Roll und etablieren sich so spätestens auf dem Fährmannsfest als legitime Erben von Lemmy und Co. Es ist aber schon beeindruckend, was für ein Riff- und Basedrumgewitter die Jungs da teilweise auspacken. Als Songs haben Volter unter anderem „A.L.A.P.D“, „Off to War“, „Mr. Sinister“ oder „Zombieland“ im Gepäck. Und dem Publikum, was in der Zwischenzeit immer zahlreicher wird, gefällt dieses ganz offensichtlich.

Kurz vor dem Ende hat Sänger und Bassist Gregor dann noch mit „Volter noch mehr“ ein ganz nettes Wortspiel parat, bevor es auf die Zielgerade geht. Und da bekommt das Trio für die beiden letzten Songs dann noch Unterstützung. Hardy von Rotz auf der Wiese übernimmt die zweite Gitarre. Zum Finale wird den großen Vorbildern auch noch ganz offiziell gehuldigt. Die Band covert „We are the Roadcrew“ von Motörhead und bringt so endgültig die Leute in Wallung. Starkes Brett was Volter hier aufgefahren haben.

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Rock´n Roll Kante mit V8 Wankers

Auch die die nächste Band schlägt in die Kerbe Rock´n Roll, ist dabei aber etwas rotziger und setzt weniger auf Highspeed Rock. Dennoch wird hier noch ein richtig harter, schneller und grooviger Rock `N Roll zelebriert. Die Rede ist von den V8 Wankers aus Offenbach, die in diesem Jahr ziemlich gefragt zu sein scheinen und von Festival zu Festival reisen. Und das ist auch verständlich, schließlich legt das Quartett einen starken Auftritt in Hannover hin. Von Beginn an ist vor allem Gitarrist Luke „The Duke“ auf Betriebstemperatur, wirft die Gitarre in die Luft, spielt sie über dem Kopf und fährt so das volle Programm ab. Später nutzt er sogar den Mikroständer für ein Solo. Die Band hat definitiv richtig Bock und dieser Funke springt auch schnell auf das Publikum über. Es wird langsam voller vor der Bühne und die V8 Wankers danken es mit Krachern wie „We will be rockin every night“, „This one is for you“, oder „Bad Boys Paradise“. Im kommenden Jahr feiern die Wankers übrigens bereits ihr 20-jähriges Jubiläum.

Sänger Lutz Vegas beginnt den Gig mit einem Hut und entledigt sich dann aber sehr schnell seines Hemdes und nutzt seinen tätowierten Bauch gerne zum rhythmischen Klatschen. Getrunken wird ebenso gerne direkt aus der Whisykey-Flasche. Zwischendurch fragt er, ob Hannover auch den schwarzen Gurt im Rock´N Roll hätte – zeigt dabei auf seinen Ledergürtel – oder nur den schwarzen Gurt im Biertrinken wie er selber. Und so geht es immer weiter. Weitere Sprüche untermalen die krachenden Songs. Später heißt es, der nächste Song handele davon, dass nachts alle Katzen grau seien – zumindest nach einer Flasche Jim Beam. Die Band, die sich selber als Speerspitze des Rock´N Roll bezeichnet, spielt dann noch „Fist of Rock N Roll“ und „V8 Wankers“, stellt schließlich inklusive Soli aller Beteiligten die Band vor und verabschiedet dann ein stark aufgeheiztes Publikum in den weiteren Abend. Wow, das war gut und hat richtig Spaß gemacht!

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ZSK geben Hoffnung für die Hoffnungslosen

Und plötzlich ist der Raum vor der Bühne komplett besetzt. ZSK starten mit ihrem einstündigen Set und von Beginn an kennt Hannover kein Halten mehr. Sofort bricht zu den ersten Tönen von „Es muss immer Musik da sein“ der Pogo los. Und es dauert nur wenige Minuten, bis Sänger Joshi ins Publikum springt und sich durch die Menge tragen lässt. Der Funke springt über und die Stimmung kann als sehr ausgelassen bezeichnet werden. ZSK bringen mit ihrem politischen Skatepunk die Leute zum Toben. Es folgen Hits wie „Der richtige Weg“, „Keine Angst vor Euch“ und Es wird Zeit“. Hier startet dann auch der erste riesige Circlepit, gefolgt von vielen Crowdsurfern. Die Message ist klar: Der Kampf gegen rechte Kräfte ist härter und wichtige denn je. Dies ist Tenor in den Texten der Band und in den Ansagen. Dann gibt es auch noch eine Punkrockregel Nummer 1 an die Hand: Instrumente immer werfen und schon fliegt die Gitarre von Joshi in die Hände des Roadies.

Für die Berliner ist es der erste Auftritt auf dem Fährmannsfest, allerdings hat man schon viele tolle Abende in Hannover verbracht. Und dieser Gig geht sicher auch in die Annalen ein. Joshi klettert später an der Bühne hoch, um sich einen besseren Überblick über alle Anwesenden zu verschaffen. Musikalisch geht es weiter mit „Make racist afraid again“, und „Herz für die Sache“. Viele der Songs sind denen gewidmet, die sich engagieren und die sich wehren und gegen Nazis Tag für Tag kämpfen. Sie sind aber auch denen gewidmet, die solch kleine Festivals wie das Fährmannsfest mit viel Einsatz, Willen und Herzblut am Leben halten. Und so wird der Auftritt von ZSK auch zu einer Botschaft, die sich nicht überhören lässt. Toll, dass es noch Bands gibt, die das wertschätzen und sich selber aufopfern und Mut zusprechen. In einem Song bezeichnet sich ZSK dann auch selber als Hoffnung für die Hoffnungslosen, da man aber alle Briefe und Mails mit Anfragen, Problemen und Hilferufen beim Kampf gegen rechts beantwortet, ist dies auch zutreffend.

Abschließend vergrößern zwei riesige Strandbälle im Publikum den Spaßfaktor. Zum Ende hin wird auch die Hit-Dichte noch einmal mit dem Anti Flag-Cover „Die for the Government“, „Die besten Lieder“, „Riot Radio“ und dem Finale „Antifascista“ kontinuierlich erhöht. Dabei gibt es noch das Hinhocken-Hochspringen-Spiel, Freibier und eine Konfetti-Kanone. Das volle Programm, dass diesen starken Auftritt mehr als nur abrundet. Großartig!

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Maritimes Finale mit Dritte Wahl

Für den großen Showdown an diesem Samstag sorgen Dritte Wahl. Zu einem klassischen Intro wird das Bühnenbild enthüllt. Es ist eine maritime Darstellung, zeigt Schiffe und Hafenanlagen und gibt die Richtung vor, die die Rostocker in den kommenden 90 Minuten einschlagen werden: Maritimer Punk-Rock mit hintergründigen Texten voller Tiefsinn. Das Quartett startet mit „Wenn Ihr wüsstet“, gefolgt von „Wie Ihr seid“ und dem ersten Highlight „Fliegen“. Darin heißt es „Ich möchte Fliegen ganz weit oben über dem Meer und dann sehe ich all die Scheiße, die ganze Scheiße hier unten gar nicht mehr“, womit die Band vielen sicher, auch bezogen auf die derzeitige politische Lage, aus dem Herzen spricht. Und Hannover singt aus vollem Hals mit, die Stimmung könnte zu diesem Zeitpunkt kaum besser sein. Mittlerweile ist es auch komplett dunkel geworden, was der Bühnenshow noch zusätzliche Effekte verleiht.

Die Stimme von Bassist Stefan soll dabei angeschlagen sein, wie Sänger Holger mitteilt. Davon bekommt man im Publikum aber nicht wirklich etwas mit. Weitere hochkarätige Songs folgen, wie „Wo ist mein Preis“, „Ich bins“, „Scotty“, „Alles wird gut“ oder „Zu wahr um schön zu sein“. Die Band macht hier und heute keinen Gefangenen, sorgt vielmehr für fröhliche Gesichter und punktet mit Charme und der tollen Songauswahl. Und noch mehr Klassiker von Dritte Wahl aus nun mehr als 20 Jahren Bandgeschichte werden gespielt, wie „Auge um Auge“, „Halt mich fest“ oder „Was weiß ich schon der Liebe“, eine Hommage an ein Kneipenviertel im Hafen.

Später hat die Band noch leichte technische Probleme, doch Sänger Holger wischt diese mit einem Lächeln weg und erklärt, wenn man sich ein Ticket für Dritte Wahl kaufe, könnte man eben nicht davon ausgehen, dass alles glatt liefe, da sei der Name Programm. So hat er die Lacher auf seiner Seite. Um 23.00 Uhr ist dann Schluss, gefühlt viel zu früh. Einer der letzten Songs ist „Der Himmel über uns“ und dieses Lied holt noch einmal die letzten Kraftreserven aus allen Beteiligten heraus. Bassist Stefan darf dann noch ein zweiseitiges Basslied spielen, zweimal, jeweils nicht länger als 3 Sekunden und dann ist der Samstag des Fährmannsfest 2019 schon wieder Geschichte.

Toller Tag, tolle Bands, Klasse Wetter, hier passt auch in diesem Jahr nahezu alles und jetzt schon freuen wir uns auf das Jahr 2020 und den nächsten Punkrock-Samstag.

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