Finte – Wie Das Endliche Treibt

Gute fünf Jahre ist es her, dass Finte aus Hildesheim uns mit ihrer Debüt-EP „Ignoranz und Illusion“ verzückt haben (Review könnt Ihr hier noch einmal nachlesen). Das mittlerweile nur noch aus vier Personen bestehende Gespann war danach aber nicht untätig und veröffentlichte weitere sehr gelungene Singles, wie z.B. „Kleinod (Alles brennt)“, „Grab in jeder Wand“ oder das extrem gute „Zersetzung“. Ein Debüt-Album musste, wahrscheinlich auch wegen der ollen Corona-Pandemie, noch ein wenig auf sich warten lassen. Das hat jedoch nun ein Ende, denn jüngst erschien endlich Fintes Debütalbum mit dem klangvollen Namen „Wie Das Endliche Treibt“. Grund genug für uns einmal genauer reinzuhören.

Finte beweisen, dass sie sich mit „Wie Das Endliche Treibt“ einen großen Schritt weiterentwickelt haben. Was hier abgeliefert wird, ist ganz großes Kino.Sash

Es wird wieder fintiert (ist das ein Wort?)

Los geht es mit dem Song „Ende“, cleverer Name für einen Opener. Der Song beginnt sehr ruhig, andächtig, ein wenig wehmütig und verträumt (Anmerkung des Redakteurs: Meine Frau dachte zuerst, dass ich Pink Floyd höre – gar nicht mal so abwegig und ein ziemliches Kompliment). Ein klein wenig Post-Rock, eine kleine Prise Shoegaze, alles wunderbar zusammengemischt macht „Ende“ einen schönen Anfang. Aber wo ist denn der Prog, das Chaos geblieben? Haben das die Jungs etwa über Bord geworfen? Die Presseinfo sagte zumindest was anderes.

Aber Finte wären nicht Finte, wenn sie diese nicht auch buchstäblich mal wieder ausgepackt hätten. Die Hörer:innen wurden mal wieder schön in Sicherheit gewogen, nur um im darauffolgenden Song „Jagd“ gehörig den gemütlichen Teppich, den „Ende“ für sie bereitet hat, unter den Füßen weggezogen zu bekommen. Da ist es wieder, die Prog-Elemente und vor allem das Chaos. All das ist aber im Vergleich zur Debüt-EP um einiges ausgefuchster arrangiert und der Wechsel zwischen schon hymnenhaftem Refrain und völliger chaotischer Strophe oder extrem düsteren Zwischenteil ist wirklich grandios in Szene gesetzt.

Alte Muster und Selbstkritik

Thematisch werden auf „Wie Das Endliche Treibt“ aktuelle Themen, wie die Unzulänglichkeiten der Politik und die Zerstörung der Umwelt und wir zwar wissen, was wir zu tun haben, jedoch immer wieder in alte Muster zurückfallen. Aber nicht nur die Ansprüche anderer stehen hier auf dem Prüfstand, sondern auch die eigenen und es wird auch selbstkritisch die aktuelle Situation betrachtet.

Das ist sehr gut in den Songs des Albums umgesetzt, wie zum Beispiel im Song „Bastion“, der von emotionaler Bitterkeit und Verzweiflung angesichts der Lage förmlich trieft. Auch das schon oben erwähnte „Zersetzung“ hat den Weg auf das Album gefunden und fügt sich sehr gut in das Gesamtbild ein.

Musikalisch bewegt man sich, wie auch schon auf der Debüt-EP, zwar immer noch im Mathcore und Prog-Bereich, aber das Spektrum hat sich gehörig erweitert. Auch Post-Rock, Shoegaze, Metal und sogar ein Hauch Indie oder auch Electronica, wie in „Asche“, lassen sich beim Hören finden und man entdeckt in jedem Durchlauf auch fast immer wieder etwas Neues. Für Abwechslung ist also gesorgt. Man wird angenehm an Szenegrößen wie Fjørt oder The Hirsch Effekt erinnert, ohne dabei wie ein schnöder Abklatsch zu wirken, da noch viel mehr reinspielt. Hier und da meint auch ein wenig At The Drive-In oder Finte haben ihren eigenen Sound in der Szene gefunden, was einen hohen Wiedererkennungswert mitbringt. Das ist heutzutage doch eher selten.

Kontrastreiches Finish

Nach „Asche“ rappelt es noch einmal richtig im Karton. Mit dem schon mehrfach erwähnten „Zersetzung“ und dem völlig verrückten „Zahlen“ werden noch einmal die Gehörgänge gehörig durchgepustet. Vor allem bei „Zahlen“ wurde so ziemlich alles aus dem Mathcore-Playbook zusammengeschüttet, was nur so ging. Das Ergebnis kann sich aber wirklich mehr als hören lassen.

Die letzten zwei Songs jedoch könnten nicht anders zu den beiden grad genannten sein. Mit „Herbst“ und „Im Licht“ bewegen sich Finte noch einmal auf gänzlich neue Wege und kreieren hier richtige Epen an Songs. Hier werden Klanggebilde geschaffen, die Zeit zur Entfaltung brauchen und diese Zeit werden ihnen mit jeweils neun und acht Minuten Spielzeit mehr als gegeben. Diese beiden Songs sind wahre Hymnen und zeigen, was für extrem gute Musiker die Jungs von Finte sind. Diese Art von Songstrukturen steht ihnen mehr als gut und man darf hoffen, dass es hiervon in Zukunft noch mehr geben wird.

Finte beweisen, dass sie sich mit „Wie Das Endliche Treibt“ einen großen Schritt weiterentwickelt haben. Was hier abgeliefert wird, ist ganz großes Kino. Wenn deren Entwicklung so weiter geht, dürfte es keinen wundern, dass sie bald in einem Atemzug nicht nur nationaler Größen genannt werden.

Video: Finte – Zersetzung

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