Fjørt sind spätestens seit ihrem 2016er Werk „Kontakt“ in aller Munde und schon längst kein Geheimtipp der Szene mehr. Nach noch nicht mal einem Jahr steht ihr neues Album „Couleur“ in den Startlöchern. Ganz schönes Arbeitspensum, was die Aachener hier an den Tag gelegt haben. Ob bei solch einem straffen Zeitplan nicht doch etwas die Qualität gelitten hat, heißt es jetzt herauszufinden.
Beim Opener „Südwärts“ macht sich sofort Erleichterung breit. Es klingt alles nach Fjørt. Sofort packt einen wieder dieser unglaubliche Mix aus Post-Hardcore gepaart mit dem Organ von Chris Hell, dem man – wie schon auch auf den Vorgängern – die Texte 120%-ig abkauft. Dadurch schafft das Trio wieder eine unglaublich einnehmende, traurige und auch bedrohliche Atmosphäre, die einen ab der ersten Sekunde gefangen nimmt. Und bis zum Ende nicht mehr loslässt.
Texte die unter die Haut gehen
Wo wir gerade bei den Texten sind: Diese sind wieder unglaublich gut und intelligent in die Songs eingebettet. Sie regen des Öfteren zum Nachdenken und Reflektieren der eigenen Person an. Auch an politischen Themen kamen die Jungs nicht vorbei. Das schon vorab veröffentlichte Titellied des Albums ruft zur freien Meinungsäußerung und in „Raison“ zum Durchhalten und zum Kampf gegen den andauernden Rechtsruck in der Politik und auch in der Gesellschaft auf. „Ich bin so müde vom Zählen, ich habe 1933 Gründe schwarz zu sehen. Doch egal wie viel da kommt, ich hab‘ alles was ich brauch‘. Denn die 1933 Gründe, ihr habt sie auch“, so heißt es in dem Song, was zum einen ein wichtiges Statement ist und zum anderen auch direkt aufzeigt was für großartige Texte die Aachener schreiben können.
In „Windschief“ geht es um Depressionen. Auch wenn es im ersten Moment wie ein Liebeslied klingt. In „Magnifique“ wird eine rauschende Nacht beschrieben, in der die eigenen Dämonen mal wieder die Überhand gewonnen haben, man trotz besserem Wissen das Falsche tut und dabei Menschen verletzt. Situationen, die man selbst nur zu gut kennt und man sich hier und da in den Zeilen sehr gut wiederfindet. Zeilen, die einem unter die Haut gehen. Apropos „unter die Haut gehen“: Schaut Euch hier das passende Video zu dem Song an und lasst es auf Euch wirken.
Ein ganz heißer Anwärter auf das Album des Jahres
Ohne Instrumente wirken Lyrics bekanntermaßen ja nicht. Hier kann man einfach nur kurz und knapp sagen, dass die Songs allesamt wunderbar instrumentalisch umgesetzt wurden und somit maßgeblich zur Atmosphäre beitragen. Songwriting können die Jungs halt. Da reicht auch weniger als ein Jahr aus, um solch gute Songs zu schreiben.
Mit dem schleppenden und beklemmenden „Karat“ greifen Fjørt das Thema von „Südwärts“ wieder auf und beschließen eine wahnsinnige Achterbahnfahrt der Gefühle. Die Aachener haben hier ein ganz großartiges Album geschaffen, das definitiv ein heißer Anwärter auf das Album des Jahres ist. „Couleur“ ist emotional bis in die Haarspitzen, „Couleur“ ist Gänsehaut pur, „Couleur“ est magnifique!
von Sash