„Hoffentlich hält das Wetter“ denkt sich wohl jeder an diesem Sonntagnachmittag in Hamburg. Die Luft ist schwül – irgendwie wünscht man sich einen erfrischenden Regenguss. Andererseits wäre man dann für den Rest des Tages nass – und dieser verspricht lang zu werden, denn schließlich sind die Foo Fighters dafür bekannt, ihre Fans nicht unter zweieinhalb Stunden nach Hause zu lassen. Bereits um 15.00 Uhr ist Einlass, damit trotz allen Sicherheitsvorkehrungen jeder der 60.000 Fans den kompletten Tag erleben kann. Wer sich in den Stunden vor der Show in den Straßen der Hansestadt herumtreibt, stellt schnell fest, dass Hamburg im Fieber ist. Im Fieber der Foo Fighters.
Ein endorphinegeschwängertes Feuerwerk ist – Pardon – ein Scheiß gegen dieses Publikum
Schnell sind die auf 10.000 Stück limitierten Front Of Stage Bänder vergriffen und das Gelände der Trabrennbahn Bahrenfeld füllt sich merklich. Spätestens vor Beginn der zweiten Vorband ist kaum mehr ein Durchkommen von links nach rechts möglich. Zwischen zwei Dixi-Reihen im hinteren Bereich des Geländes wird ein erster ausgelassener Mosh Pit angezettelt. Für die etwas Kurzgeratenen unter uns ist es streckenweise schwierig die Künstler auf der Bühne wirklich sehen zu können. Zum Glück gibt es erstklassige Videowände mit einem hervorragendem Schnitt. Eine große, frontal auf die Bühne blickende Masse, direkt hinter dem Front of Stage Bereich muss jedoch fast über den ganzen Abend auf die Monitore ausweichen. Zwei Technikzelte machen den Blick auf die Bühne – abseits der Bildschirme – schier unmöglich. Umso größer ist die Freude, als Dave Grohl später am Abend am Kopf des Bühnenstegs „My Hero“ performt oder Taylor Hawkins sich, während seines Schlagzeug-Solos, in die Luft erhebt. Der Sound ist an diesem Sonntag in Hamburg glasklar und schnell wird deutlich, dass wir einem dieser Konzerte beiwohnen, bei denen das Gemeinschaftsgefühl und das Glück den so verehrten Künstlern beiwohnen zu dürfen, drei Mal mehr zählt, als der freie Blick auf die Bühne. Ein endorphinegeschwängertes Feuerwerk ist – pardon – ein Scheiß gegen dieses Publikum.
„Wir hätte nie gedacht, dass wir mal mit den Foo Fighters auf der Bühne stehen würden“
Um 17.30 steht mit Wolf Alice die erste Vorband aus dem Norden Londons auf den Brettern. Das Publikum ist bei der Alternative Rock Band um Sängerin Ellie Rowsell bereits zahlreich vertreten. Rowsell freut sich sichtbar, vor so einer so großen Menschenmenge spielen zu dürfen. „Wir hätte nie gedacht, dass wir mal mit den Foo Fighters auf der Bühne stehen würden“, verkündet sie. Nach 45 Minuten ist der Auftritt vorbei, bevor es nach einer erfrischend kurzen Umbaupause um 18.45 Uhr mit der zweiten Vorband weitergeht. The Kills – ein Duo das eine schwer einzuordnende Mischung aus Blues, Punk und Independent macht. Sängerin Alison Mosshart sollten wir später erneut mit dem Hauptact auf der Bühne sehen. Während sich bei der Show von The Kills immer mehr Menschen vor der Bühne versammeln, sitzen andere noch im Gras, streunern zwischen Bier-und Essensständen über das Gelände oder entern die ersten Dixies, getreu dem Motto „freie Sicht voraus“. Mit der Band aus England holen sich die Foo Fighters Verwandtschaft mit ins Boot.
„Das wird eine laaaaange Nacht, motherfuckers!“
Punkt 20.00 Uhr ist das Wetter erfrischenderweise nicht mehr ganz so fürchterlich schwül, sondern hat sich darauf geeinigt, dass wir einen lauen Sommerabend bekommen. Dann fällt der Startschuss für die Band, auf die 60.000 Menschen gewartet haben. Und für die Massen aus ganz Deutschland und teilweise auch den benachbarten Ländern nach Hamburg gekommen sind: Die Foo Fighters. Direkt von Anfang an werden hier keinen Gefangenen gemacht. Es geht zwar etwas ruhiger mit „Run“ los, aber nur um dann direkt ein Hit-Trio der Extraklasse – „All My Life“, „Learn To Fly“ und „The Pretender“ – in die Menge zu schleudern, damit auch der letzte weiß, wo der Hammer hängt. Wer direkt am Anfang seine größten Hits verballern kann, der weiß, dass er einiges auf Lager hat, um die Nacht nicht zu früh enden zu lassen. „Das wird eine laaaaange Nacht, motherfuckers!“, verkündet Dave passend. Und tatsächlich: Am Ende sollen es 2,5 Stunden Spielzeit mit 21 Songs quer durch die Schaffensgeschichte der Band sein. Und diese beinhaltet ungelogen eine Hymne nach der andern. Ganz ehrlich, nennt uns bitte Bands, die so viele Sing-Alongs, Hits und Mitgrölklassiker verfasst haben, wie das Musikgeschwader „Foo“ aus der Grunge-Metropole Seattle!
Der direkte Bühnenvorbereich ist durch einen Steg geteilt, den Dave leider wenig nutzen wird. Nach „Sunday Rain“ läuft er dann doch auf diesen Steg hinaus, um „My Hero“ anzustimmen. Vorher steht er dort mit leicht im Wind wehenden Haaren und meint: „Die Sonne geht unter – der Wind weht leicht und ich sehe aus wie ein fucking Rockstar“. So muss sich Beyoncé fühlen, ergänzt er und widmet „My Hero“ mit den Worten „Singt es für Beyoncé“ kurzerhand der Pop-Ikone. Dave kann scheinbar immer noch nicht so ganz glauben, dass alle 60.000 Menschen nur wegen den Foo Fighters da sind und beratschlagt sich mit Drummer Taylor Hawkings, wer wohl nach ihnen spielen mag. Man schätzt es müsse Coldplay sein. Tatsächlich sind aber wirklich alle für die Foo’s hier. Somit ist dies heute das größte Publikum in Deutschland, vor dem die Truppe jemals gespielt hat.
Versprochen ist versprochen
Dave findet, dass es an der Zeit sei, seine Band vorzustellen. Wer schonmal eine Show der Foo Fighters gesehen hat, für den ist das nun folgende Medley großer Klassiker wie „Blitzkrieg Bop“ und „Another One Bites The Dust“ keine Überraschung mehr. Spätestens aber,als Grohl seinen Schlagzeuger nach vorn bittet und dieser berichtet, dass es zwar noch ein wenig früh für Weihnachten sei, er sich aber gewünscht habe, dass Dave heute in Hamburg am Schlagzeug sitzte, ist auch dem letzten Anwesenden klar, dass die Band rund um Ex-Nirvana Drummer Dave Grohl aus absoluten Top-Musikern besteht. Gemeinsam geben sie das Queen-Cover „Under Pressure“ zum Besten. So das mittlerweile Altbekannte. Neu für das deutsche Publikum war allerdings das Überhit-Mash-up von John Lennons „Imagine“ und Van Halens „Jump“. Das brachte der Band neben dem einen oder anderen Lacher auch ordentlich faszinierte Gesichter ein. Hut ab!
Dieser Dave Grohl ist übrigens eine ziemlich coole Rampensau. Von Anfang bis Ende ist zu spüren, dass der Typ echt Bock hat. Im Zuge witziger Dialogen zwischen Dave und Taylor, erzählt Dave auch von seinem Tag in Hamburg. Er sei an einem Weinlokal vorbei gekommen. Das würde so heißen wie er, berichtet er schmunzelnd. Weil er das so witzig fand, läd er spontan die 60.000 Fans auf ein Gläschen Wein, um 12.00 Uhr am folgenden Montag, in das Lokal ein. Er sagt, man soll bei der Bestellung einfach nur seinen Namen sagen und bekommt das Glas dann kostenlos. Fun Fact: eine enorme Menschenmasse sammelte sich am nächsten Tag vor dem Weinhaus Gröhl. Auch mit der Anmerkung, dass ihn glücklicherweise ein paar Freunde in der Nacht vorsorglich informiert hätten, gab der Besitzer des Weinlokals tatsächlich Einen aus. Mit Verspätung kam dann Dave ebenfalls vorbei – versprochen, ist eben versprochen!
…und dann ist es doch viel zu früh vorbei
Kurz bevor es in die Ehrenrunde geht, gibt es mit „La Dee Da“ noch ein energiegeladenes Duett von Dave Grohl und The Kills-Sängerin Alison Mosshart auf die Ohren. Danach entscheidet Gohl, dass Zugaben eigentlich doof sind, und macht mit „Best Of You“ einfach nahtlos weiter – unterstützt von dem wohl lautesten Chor des Abends. So langsam dämmert es und die wirklich gelungene Licht-Show beginnt zu wirken. Merklich verwundert fragt sich Grohl, wann es in Hamburg wohl dunkel werde und stellt treffend fest, dass das wohl nicht vor 21.30 Uhr passiere. Zu „Best Of You“ flitzen dann doch die Laser und Scheinwerfer von der Bühne ins Publikum und lassen die Trabrennbahn erneut in einem ganz besonderem Licht erstrahlen. Mit „Everlong“ findet die zweieinhalbstündige Show erschreckenderweise dann doch viel zu früh ein Ende. Mit dem Versprechen, das nächste Mal allerdings in einer Location zu spielen, in der man die ganze Nacht durch spielen könne, verlassen die Musiker die Bühne und entlassen glückliche, durchgerockte Fans aus dem langen Tag auf der Trabrennbahn in einen lila-rot glühenden Himmel. Hamburg leuchtet seine Gästen den Weg und lässt die vergangenen Stunden wunderschön verträumt nachwirken: „Hello! I’ve waited here for you – everlong.“