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Millencolin – SOS

Wäre es nicht die bittere Wahrheit, könnte man im Zuge des neuen Millencolin Albums über ein perfektes Konzept sprechen: Die Gesellschaft arbeitet mit Vollgas an der Zerstörung dieser Welt, während gleichermaßen die Anzahl selbstzerstörerischer Individuen steigt. Abgekämpft lässt sich auch das, seit dem 92er Demo-Band „Goofy“ zur Band gehörige Maskottchen – das gelbe Vögelchen – hängen und sieht ordentlich malträtiert aus. „SOS – wir sind am Arsch“, möchte man schreien, wenn man das Cover genauer unter die Lupe nimmt und nahezu jede der vielen beständigen Dramen vor die Nase gehalten bekommt. Ob durch wirtschaftliche Entwicklungen bedingte Naturkatastrophen, gesellschaftliche Desaster, Terrorismus, Kriege, die sich scheinbar verselbständigende Gefahr des Social Media oder die verschwenderische Industrie – die Liste ist lang und die Schweden halten es fest.

„’SOS‘ ist ein Plädoyer, welches die Gemeinschaft gleichermaßen stärken soll, die Hoffnung des Einzelnen manifestiert und dafür wirbt, für bessere Zustände und dieses eine Leben zu kämpfen“

Skate Punk mit Tiefgang

Liest man Quer, beachtet den Kinderchor im Opener kombiniert mit den Zeilen „I hear an SOS. Last chance to open up your eye. A lot of clear distress, the message left but ask me why. It’s time to make it right. It’s time to stead our plan complete – a chance to take the fight or are you happy with this scene?” und richtet den Blick auf zeitgenössische Themen wie –sagen wir mal ganz ohne provozieren zu wollen – Greta Thunberg, muss man fast vermuten, dass irgendwo eine Glaskugel zum Einsatz kam, das Schicksal kein mieser Verräter ist oder die Zeichen der Zeit einfach nicht deutlicher sein könnten.

Von Beginn an kann man offen von peitschenden Gitarren reden. Die Energie der Instrumente wird die Themen des Albums durchgängig unterstreichen. Skate Punk mit Tiefgang: Ob thematisch, wie schon benannt, politisch, gesellschaftskritisch oder eben auch persönlich, Millencolin wachsen für mich energiegeschwängert und mit einem unbändigen Durchsetzungsvermögen aus dem Vorgänger „True Brew“ heraus. Mit einem impulsiven, selbstbewussten, musikalischen Grundthema scheinen die Tage von „Machine 15“ gezählt zu sein und ich habe echt keine nachvollziehbare Idee, was man an „SOS“ bemäkeln könnte. Wenn Ihr Euer Ohr ganz nah an die Box haltet, könnt Ihr sogar die Wurzeln von „Pennybridge Pioneers“ und „Life on a Plate“ erahnen. Ganz ehrlich Leute, 25 Jahre nach „Same Old Tunes“ (passt ja auch wie die Faust aufs Auge) sind die Zeiten von Essensschlachten, ach was sage ich, die fetten Jahre einfach vorbei und Millencolin haben ein paar echt wichtige Dinge zu sagen!

Während das klassische Millencolin Gepräge beibehalten wird, werden immer wieder geschickt arrangierte stilistische Mittel genutzt

Dass es genügend Themen gibt, die besungen werden können, beweist schon allein die Tatsache, dass die Band um die 30 Songskizzen hatte, die sie dann auf zwölf Songs reduzierten. Ob das jetzt ein generell gutes oder schlechtes Zeichen ist, darf sich jeder selbst überlegen. Gut ist auf jeden Fall das musikalische Brett, dass uns Millencolin kredenzen. Keine Ahnung, ob es nur mir so geht, allerdings stelle ich mehr und mehr fest, dass sich das tönende, von Fredrik Larzons‘ hartnäckigen Drums dominierte Grundthema in fast jedem Song wiederholt. Außerdem experimentieren die Schweden auf eine sehr sympathische Art und Weise im Genre: Während das klassische Millencolin Gepräge beibehalten wird, werden immer wieder geschickt arrangierte stilistische Mittel genutzt.

„Wenn ich Musik höre, fällt mir zuerst die Melodie und der Chor auf“, erklärt Färm. „Das Coole ist, dass, wenn Dir die Art und Weise, wie es klingt gefällt, Du tiefer in den Song eindringen wirst. Wenn es dann noch eine positive Botschaft gibt, ist es noch besser.“ „Carry On“ bildet somit clever gesetzt den Abschluss. Denn wie bei vielen Alben der Szene, ist „SOS“ ein Plädoyer, welches die Gemeinschaft gleichermaßen stärken soll, die Hoffnung des Einzelnen manifestiert und dafür wirbt, für bessere Zustände und dieses eine Leben zu kämpfen – oder wie die Kids sagen würden: „Keep your PMA!“

Video: Millencolin – Nothing

Hier erhältlich
Millencolin – SOS
Release: 15. Februar 2019
Label: Epitaph
Maria

Bei Maria reichen sich Punk und Politik nicht einfach nur die Hand, sie liegen sich quasi eng umschlungen im Arm und trinken Schnäpschen auf die alten Zeiten. Wenn sie nicht gerade davon träumt durch die Welt zu reisen, ihrem Ärger auf Demos Luft macht oder ihrem Weltschmerz nachhängt, testet sie die neuesten Eiskreationen der Stadt, träumt vom Sommer und von Festivals oder sortiert ihre Platten zwischen der Terrorgruppe, Wizo, Propagandhi und No Use For A Name.

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Veröffentlicht von
Maria

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