Millencolin, The Headlines & The Pill in Hannover

Foto: Maria Graul

Im Jahr 2022 sind Millencolin mittlerweile 30 Jahre aktiv. Zeit, dies mit einer großen „30 Anniversary Tour“ zu feiern. Doch Post-Corona und Inflation kommen dazwischen und so wird die Tour kurzerhand auf 2023 verschoben und in das 31. Jubiläum umgewandelt. Am 14. Oktober sind die Schweden dann endlich in Hannover zu Gast und das Capitol meldet restlos ausverkauft. So lange mussten die Fans warten. Als Supportband sind The Headlines und The Pill mit von der Partie.

Überraschender Auftakt

Den Auftakt übernehmen an diesem herbstlichen Samstag The Pill. Das Quintett hat dann auch die undankbare Aufgabe, bereits ab 19:45 Uhr zu performen, wobei überall als Beginn 20 Uhr angegeben ist. Dennoch ist das Capitol schon sehr gut gefüllt und die Band aus Frankfurt kommt gut an. Die Mischung aus Hardcore-Punk, Garage-Punk und etwas Hardrock stößt direkt auf viele offene Ohren, auch wenn der Sound noch ein wenig zu wünschen übrig lässt. Die Band um Sängerin Sam, ganz in ein weißes Kleid gehüllt, hat sichtlich Spaß und so wirbelt sie viel über die Bühne. Und so kommt Ihre Frage: „Hannover, habt Ihr Lust ein wenig mit uns zu tanzen“ auch wenig überraschend. Tatsächlich ist über The Pill auch online recht wenig zu finden, doch die Wundertüte überzeugt. Einer der Songs des Abends trägt den Titel „Shame“ und ein Debütalbum ist in Vorbereitung. Musikalisch ist das ziemlich gut, die Songs sind kurz, haben viel Wumms und ordentlich Druck. Nach knapp 30 Minuten ist dann Schluss. The Pill haben definitiv neue Freunde gewonnen. Man wird noch von der Band hören.

Zwischen Party und ernsten Tönen

Als Nächstes sind The Headlines an der Reihe. Die Band mit Hauptquartier in Malmö setzt sich aus Musikern aus Schweden, Italien und Dänemark zusammen und ist hier, um mit den Zuschauen „31 Jahre Millencolin“ zu feiern, wie Sängerin Kerry Bomb verrät. Die Setlist setzt sich aus Werken aller Alben zusammen und das sind vier. Schwerpunkt ist das aktuelle Album „Warpaint“ aus dem Jahr 2020. Und so werden Songs wie „Warpaint“, „Punk Rock Radio“ oder Blood Brothers“ gespielt. Die Band ist auf der Bühne extrem agil und ihr melodischer, eingängiger Punkrock mit Hymnencharakter und leichter Streetpunkkante kommt verdammt gut an. Schon bald bildet sich vor der Bühne ein erster größerer Moshpit. „Heartache“ nimmt Kerry Bomb zum Anlass, um alle Anwesenden zu bitten, Mütter, Väter und Großeltern zu sagen, dass man sie liebt, denn morgen könnte es zu spät sein. Neben den ernsten Tönen steht aber sonst die Party im Mittelpunkt. Und so würde sich Kerry Bomb auch darüber freuen, wenn man später einmal eine solche treue Fangemeinde über viele Jahre hinweg besitzt, wie Millencolin. Dann gibt es noch u. a. „Upstarts“ und „Blown To Bits“ zu hören, bevor nach knapp 35 Minuten und obligatorischem Gruppenselfie die Bühne geräumt wird. Starke Performance, tolle Stimmung, die man im Herbst 2024 im Lux Hannover erneut erleben kann, denn dann kommen die Headlines wieder nach Hannover. Stark!

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Hitfeuerwerk und gute Laune

Ab 21:30 Uhr sind schließlich Millencolin an der Reihe. Es ist unglaublich, dass es diese Band schon 31 Jahre lang gibt. In dieser Zeit hat das Quartett um Nikola Sarcevic und Gitarrist Mathias Färm ordentlich Hits auf 11 Alben angesammelt, wie dieser Abend deutlich macht. Los geht es mit „Penguins & Polarbears“, gefolgt von „Bullion“ und „Sense & Sensibility“. Sehr schnell wird ein erster Circlepit gefordert. Und das Publikum folgt der Aufforderung. Überhaupt ist vom ersten Song an die Hölle los. Das gesamte Capitol scheint in Bewegung und tanz und tobt. Und die Band ist beeindruckt und feuert einen Hit nach dem anderen heraus, die 31 Jahre Millencolin perfekt repräsentieren. Sänger und Bassist Nikola freut sich dann auch das erste Mal in Hannover zu sein oder war es doch das zweite Mal, wie Gitarrist Erik Ohlsson andeutet? Ach egal, die Band war schon mal da, ob es nun doch der fünfte oder sechste Besuch in Hannover ist, spielt keine große Rolle.

Weiter geht es unter anderem mit „SOS“, „Ray“, Fox“, „Dance Craze“ und „Man Or Mouse“. Im Hintergrund wechseln sich die passenden Banner zu den unterschiedlichen Phasen der Band ab. Die Show ist ausgelassen und wild, dank des Publikums, aber auch ziemlich routiniert, was die Band angeht. Dennoch, der Funke springt über und macht diesen Samstag zu einem klasse Abend. Es folgen „Botanic“ und „Nothing“, bevor „Lozin Must“ die Besucher ganz weit zurück in die 1990er Jahre führt. Bleibt die Frage, woher das Publikum eigentlich die Energie hernimmt, immer noch eine neue Schippe daraufzulegen.

Könige des Schwedenpunks

„The Ballad“ sorgt dann für ein kleines Break. Nikola startet akustisch, das Publikum grölt lauthals mit, der Rest der Band übernimmt und die Party geht weiter. Es folgt „Brand New Game“. Mathias erzählt, dass sich immer wieder Leute online melden und vor allem alte Songs hören wollen. Und so gibt es sehr alte Songs auf die Ohren, zusammengefasst zu einem Medley. Dazu gehören „Story Of My Life“, „Pain“ und „Pepper“. Langsam neigt sich aber der Abend dem Ende entgegen, es wird noch einmal neuer Kautabak (Snus) aufgelegt und die Band vorgestellt. Mathias Färm zeigt, warum man ihn als „Weltmeister im Biertrinken aus der Entfernung“ bezeichnet, schüttet sich passenderweise etwas Bier von oben in den Mund, bevor er bei „Mr. Clean“ den Gesang übernimmt. Dann ist erst einmal Schluss. Doch natürlich gibt es noch Zugaben und die haben es noch einmal in sich. Mit „Kemp“ und „True Brew“ legen die vier Schweden die Messlatte noch einmal in ungeahnte Höhen und zeigen, dass sie die Könige des Schwedenpunks sind. Ein kurzes Danke folgt, dann erklingt „Material Boy“ mit musikalischem Verspieler, was den Auftritt aber auch ein stückweit menschlich macht. Den Schlusspunkt nach gut 80 Minuten setzt „No Cigar“. Ein großes und passendes Finale für einen tollen Abend.

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