Handtuch check! Badelatschen check! Badehose check! Moment warte, wir sind gar nicht zum Schwimmen hier… Also kurz umgepackt und auf zum Ricklinger Bad beziehungsweise auf die Wiese dahinter zur “Kommraus”-Bühne, auf der sich heute Abend Montreal und Kapelle Petra die Ehre geben. Nach einem kurzen Waldspaziergang eröffnet sich auf einer Lichtung zwischen Baum, Bach, Brücke und See die Open Air Bühne. Man sucht sich seinen Platz zwischen Stühlen und Bänken und es macht sich gleich etwas Festival-Feeling breit. Auf welchem normalen Konzert weht einem denn sonst der Mix aus Pommes, Bier und Dixi in die Nase wenn man auf seinem Platz die Maske abnimmt? Also schnell noch selbst besorgen und dann geht es auch schon los.
„wir haben gehört, dass es hier eine besonders hohe Impfquote gibt. Das gefällt uns – Wir spielen gern‘ vor schlauen Leuten. „
„Geht mehr auf Konzerte!“
Das muss man den Wenigstens hier zweimal sagen. Nach wenigen Takten wird schon ausgiebig mitgesungen, während es sich Bühnenskulptur „Gazelle“ auf der Bühne mit seinem Campingstuhl gemütlich macht. Am 07. März letzten Jahres standen Kapelle Petra zuletzt auf einer Bühne und seitdem haben sie sich geschworen, ihr Set immer mit dem Song “Geht Mehr Auf Konzerte” zu eröffnen. Und bis jetzt hat es auch geklappt!
Untätig ist die Band in der Pandemie aber nicht gewesen: Mit ihrer vier Jahreszeiten EP-Sammlung sind sie mittlerweile im Sommer angekommen und auch heute sollen wir ordentlich was davon zu spüren bekommen. Aber vorher eine klare Ansage vom Opa: “Ich hab gehört, dass man an seinen Plätzen aufstehen darf. Müsst Ihr nicht sofort, aber spätestens in 12 Sekunden!” Die meisten brauchen nicht einmal diese 12 Sekunden, um zu “Reißt Die Fenster Auf” auf den Beinen zu stehen und fleißig an ihrem Platz zu tanzen. Zumindest jetzt tanzt dabei auch noch keiner aus der Reihe. Man ist textlich auch flexibel und so wird “Weltkulturerbe” kurzerhand auch mit “Du weißt wie Erwachsen geht, bist aber lieber im Ricklinger Bad” ergänzt. Ausgewachsen sind die meisten wohl, aber Erwachsen? Das entscheiden wir lieber später.
Auch Kapelle Petra sind vom Bahnstreik nicht unverschont geblieben oder besser gesagt ihr Tontechniker Sascha, der noch nach einer Mitfahrgelegenheit in Richtung Pott sucht. Wir hoffen Du bist gut nach Hause gekommen, Sascha!
“Herzlich vielen Danke”
Wir gehen schließlich in den Sommer über. Guido “Opa” Scholz wohnt seit drei Jahren in einer Dachgeschosswohnung und der letzte Sommer hat ihn dazu inspiriert, uns über die Vorzüge des Lebens unterm Dach im Hochsommer zu erzählen. Einzig die Hobbits hat er vergessen zu erwähnen…
Für “Die Einsame Insel” wird dann eine koordinierte Gesangseinlage notwendig. Also kurz eingeteilt: Seeseite, Baumseite, Tontechnikerseite und ab dafür. Dann folgt etwas Werbung in nicht eigener Sache. Zu einem schöne Grüße an Viva con Aqua, die auch hier heute vertreten sind, um Becher zu sammeln für den guten Zweck. Zu anderem haben Kapelle Petra eine Spendenbox am Merch-Stand für die Opfer der Hochwasserkatastrophe. Sie selbst waren zwar nicht direkt betroffen, aber sie sind nah genug dran gewesen, um zu wissen, wie knapp es war.
Bildergalerie: Kapelle Petra
“Is‘ gerade so schön, macht mal weiter”
Weiter ging es danach mit “An irgendeinem Tag wird die Welt untergehen” und “Also stoßen wir an”, wobei ab einem Punkt die Menge lauter wurde als die Band und diese entschließt “Is‘ gerade so schön, macht mal weiter!” und sich im „Lalala“ der Menge sonnt. Für die zufriedenstellende Mitarbeit gab es erstmal eine “Bundesjugendspiele Teilnahmebescheinigung” und ein “Danke, Ihr habt alle bestanden!” – Zeit sich an die Jugendzeit, den Sommer und natürlich ans Ameland zu erinnern. “Wir haben heute keine Lust auf Zugabe-Spielchen und spielen einfach durch!” und deswegen wird einfach durchgezogen.
Und so wird im Sonnenuntergang die Country-Gitarre ausgepackt: Wie soll man sonst auch “Ring Of Fire” spielen? Schließlich muss man sowas machen wenn man sagt “Seitdem ich Johnny Cash bin”. Zum großen Finale wird es noch einmal sportlich: irgendwann zwischendurch hat sich Bühnenskulptur Gazelle von der Bühne geschlichen. Aber nicht für immer! Zum großen Finale kommt das knallharte Trainingsprogramm auf die Bühne, denn schließlich heißt es “Gazelle trainiert für Olympia”. Schlussendlich müssen Kapelle Petra dann aber doch ihre Sachen packen und Montreal die Bühne überlassen.
„Hannover war immer sehr gut zu uns – warum spielen wir überhaupt noch woanders?“
“Einen wunderschönen guten Morgen – wir sind’s!” Mit diesen Worten begrüßen Yonas und Hirsch von Montreal die Anwesenden. “Es ist so schön wieder da zu sein – wir haben gehört, dass es hier eine besonders hohe Impfquote gibt. Das gefällt uns – Wir spielen gern‘ vor schlauen Leuten. Gut, dass wir das Angebot von Frei.Wild damals abgelehnt haben.” Die beiden geben bereitwillig zu, noch total geflasht von Kapelle Petra zu sein und deklarieren die Aufteilung in Stühle und Bierbänke als zwei-Klasse-Gesellschaft – Hannover und das Umland – bevor man mit dem Cover “Sommer 96” in ein gut 90-minütiges Set startet.
Wer Montreal kennt, weiß auch, dass ein 90 Minuten Set nicht 90 Minuten purer Musikgenuss ist, sondern, dass man auch einiges an Anekdoten von den beiden Sängern erzählt bekommt. So auch heute: Nachdem mit “Kino” der erste eigene Auftacktsong bereits die Menge der noch sitzenden Menschen auf ein Minimum reduziert, meldet sich Hirsch direkt wieder zu Wort: “Hannover war immer sehr gut zu uns – warum spielen wir überhaupt noch woanders?” – “ Vielleicht weil die uns in Koblenz fast leer gekauft hätten – Kennt Ihr Koblenz? Nein? Ist auch nicht so wichtig.” Dass man hier Pommes essen darf, fällt den beiden auch direkt positiv ins Auge. “Das ist einfach genial – mach das mal im Chéz Heinz”. Auch sei man hier nicht bei Helge Schneider und es ist ausdrücklich gewollt, mit Bier vor der Bühne lang zu laufen, schließlich muss auch die arg gebeutelte Gastro wieder auf die Beine kommen. Darüber, dass das Konzept “Kommraus”, unter dem das heutige Konzert stattfindet, von Azubis auf die Beine gestellt wurde, gibt es auch direkt Lob von der Bühne: “Es ist uns nicht aufgefallen”.
“Nochmal Autokino muss wirklich nicht sein”
Mit einem neuen Song aus dem kommenden Album “Bestandsaufnahme” – “Zum Glück nicht relevant” – und dem etwas älteren “Malaria und Heimweh” wird auch kurz auf die Pandemie eingegangen. Hirsch weist nochmal darauf hin, dass man sich aller Wiedersehensfreude zum Trotz bitte trotzdem an die Regeln halten und an seinem Platz bleiben soll – “Nochmal Autokino muss wirklich nicht sein”. Zum allergrößten Teil klappt das auch trotz Gute Laune-Punk der zur Kontaktaufnahme einlädt – “10er WG’s sind da klar im Vorteil, sorry liebe Singles”. Vereinzelt muss dann doch die Security eingreifen und ein paar zu stark alkoholisierte Personen wieder auf ihre Plätze verweisen. Zum Glück bleibt das die Ausnahme, wir wollen ja schließlich weiter halbwegs normale Konzerte erleben.
Auch wenn Montreal Fans schon ein wenig irre sind – ein Fan war aufgrund des Bahnstreiks kurzerhand die 138 km von Osnabrück nach Hannover mit dem Rad gefahren – so können sie dennoch feiern, ohne sich oder andere zu gefährden.
Bildergalerie: Montreal
„Jetzt wird es wieder richtig blöd – so Pullover-blöd“
Etwa zur Hälfte des Sets wird die sonst so fröhliche Stimmung etwas düsterer. “Der Gitarrist unserer Freunde von Sondaschule ist gestorben – der nächste Song ist für ihn”, kündigt Hirsch “Richtig Falsch” an und spricht damit vielen Anwesenden aus der Seele. Mit “Danke für die Nase” bleibt es noch einen Song lang beim Thema Tod. Hirsch widmet diesen Song seiner Oma von der er – laut seiner Aussage – die Nase hat. “Das war’s jetzt mit toten Liedern, jetzt wird es wieder richtig blöd – so Pullover-blöd.” – und wie sollte es anders sein, der Song “Pullover” ertönt. “Es tut sehr gut, wieder vor Menschen zu spielen und das Klatschen auch. Wir waren bisher so 17 bis 18 Mal in Hannover, am nächsten Tag ging es uns immer schlecht. Das ist ein Kompliment für eine Stadt – auf dass es uns morgen wieder so richtig schlecht geht!” Damit gibt es dann mit “Tag zur Nacht” und “15 Jahre für die Punchline” die letzten beiden Songs zu hören und die Menge gibt nochmal alles.
Pferdeflüsterer – ähm Pferdebrüller von Hannover
Kaum haben die Drei die Bühne verlassen, wird laut Zugabe gefordert – entweder ganz klassisch mit “Zugabe”-Rufen oder, wir sind ja schließlich bei Montreal, mit dem Mitsing-Part von “Das falsche Pferd”. Natürlich ist es eben dieser Song, mit denen sich die Truppe um Schönling Max Power zurückmeldet. “Ihr seid echt Die Pferdeflüsterer – ähm Pferde Brüller von Hannover”, witzelt Hirsch, als immer wieder der charakteristische Mitsing-Part erklingt.
“Eigentlich war das jeder der letzte Song – aber ich habe gar keine Lust aufzuhören. Wir sind jetzt schon eine Weile unterwegs und überall ist es anders, aber hier ist es am Geilsten.” Nach diesem Geständnis gibt es mit “Walkman” und dem obligatorischen Song für den schönsten Schlagzeuger der Welt “Max Power” und dem krönenden Abschluss “Endlich wieder Discozeit” noch drei weitere Songs auf die Ohren, bevor um 22.00 Uhr Ruhe sein muss und das Konzert beendet ist. “Wir sehen uns gleich am T-Shirt-Stand – so mit Abstand und Masken”, lässt Yonas noch verlauten bevor die Bühne geräumt wird.
Kurzum: Es war herrlich endlich wieder Musik live zu erleben. Kapelle Petra und Montreal sind dazu Bands, bei deren Auftritten man wunderbar alles um sich herum vergessen und einfach mal loslassen kann. Danke an alle Beteiligten für diesen wundervollen Abend! Wir wünschen uns, dass damit weiter gemacht wird, sollte man auch in naher Zukunft nicht in die Clubs zurück dürfen – was wir allerdings nicht hoffen wollen.