Ollo und Swen von Pascow im Interview

Foto: Maria Graul

Am Samstag dem 08. April standen Pascow im SO36 in Berlin auf der Bühne und spielten das erste von zwei Konzerten im Kreuzberger Kult Klub. Die Doppelshows waren das Ende einer langen und äußerst gut besuchten Tour zum aktuellen Album „Sieben“, dem sich Maria und Archi schon in einem Kreuzverhör gewidmet haben. Natürlich wollten wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mit den Gimbweilern zur neuen Platte, der Tour und Plänen für die Zukunft zu schnacken. Drummer Ollo und Gitarrist Swen nahmen sich dafür etwas Zeit und standen mir Rede und Antwort.

Wir sind echt froh, denn es ist aktuell nicht selbstverständlich, dass die Konzerte ausverkauft sind.<span class="su-quote-cite">Ollo Pascow</span>

Video: Pascow – Mailand

Ihr seid am Ende eines sportlichen Programms angekommen, mit den beiden Shows hier in Berlin. Habt ihr noch andere Konzerte im Anschluss geplant?
Ollo: Ja, wir sind grad noch Festivals am finalisieren, ich denke, dass schon allein festivalmäßig noch 8 bis 9 Shows dazukommen und dann haben wir die meisten Konzerte seit fast zehn Jahren gespielt, glaube ich.

Die Tour alleine und dann noch der Festivalsommer dazu, da seid ihr dieses Jahr gut ausgelastet.
Ollo: Es hinterlässt ja auch schon die einen oder anderen Spuren, man muss sich da echt schonen. Wilde Aftershow Partys und so gab es jetzt nicht, damit wir diese Rutsche auch durchstehen können.

Alex beispielsweise muss ja aktuell seine Stimme schonen – klar, sind ja auch die letzten beiden Konzerte – aber wie habt ihr es insgesamt so überstanden?
Ollo: Eigentlich ganz gut. Diese Rutsche, was ja so neun Shows sind, da hast du schon nach drei-vier Tagen gemerkt, dass er tagsüber langsam machen muss, auch bei Soundchecks nicht singen, sich abends dann richtig warmsingen, damit die Konzerte dann auch klappen. Danach ist er auch relativ schnell wieder im Bett. Wie gesagt, mit wildem Rock’n’roll Livestyle hat das außerhalb der Bühne nur bedingt etwas zu tun.

In Berlin sind es ja nun auch 2 Konzerte geworden. Habt ihr mit so viel Andrang gerechnet? Wie war das denn bei früheren Touren, beispielsweise zu „Jade“? Hattet ihr das auch, dass so viel Andrang war, dass ein Zusatzkonzert geplant wurde?
Ollo: Also ich kann mich noch gut an Saarbrücken erinnern, das war sechs-sieben Wochen vorher ausverkauft, aber das war nicht so, dass wir uns da Gedanken über ein Zusatzkonzert gemacht hätten. Die ursprünglichen Termine für die Tour hatten wir ja auch Ende 2020 geplant, das war mitten im Corona Wahnsinn. Da wussten wir nicht, wie würde sich der Markt überhaupt danach verhalten? Kommen dann wieder genau die gleichen Leute? Damals, das weiß ich noch, wie ich mit Umberto, unserem Booker, darüber gequatscht habe und er meinte „lass mal die Termine für 23 ansetzen mit einer neuen Platte“. Und ich dachte nur „Ey 23! wir haben jetzt 2020!“ Das schien mir Lichtjahre entfernt. Also von daher sind wir echt froh, denn es ist ja aktuell nicht selbstverständlich, dass die Konzerte ausverkauft sind.

So ein bisschen war auch das Gefühl im Nacken, dass es ja auch die letzte Platte sein könnte. Und so haben wir die Platte dann auch gemacht.<span class="su-quote-cite">Ollo</span>

Oder überhaupt stattfinden können. Ist ja aktuell Konzertsterben links und rechts.
Ollo: Genau! Und wir haben ja auch letztes Jahr sechs Termine angesetzt für die Nachhole-Shows aus 2020 und da mussten wir auch vier absagen. Erst war Alex krank, dann war Swen krank und das haben wir bis jetzt auch immer überstanden. [Klopft auf Holz] Von daher sind wir darüber sehr froh.
Swen: War nicht zu erwarten, aber wir freuen uns tierisch, dass es so geklappt hat, weil viele Bands Shows abgesagt haben. Auch viele, von denen man es nicht erwartet hatte. Da haben wir uns schon Gedanken gemacht, als wir mit der Tour raus sind. Wird das überhaupt was? Kommen da Leute? Müssen wir auch das eine oder andere absagen? Von daher ist das schon überraschend gut.

Was habt ihr bisher für eine Resonanz zur neuen Platte bekommen?
Ollo: Eigentlich ziemlich gute. Also besser als wir gedacht haben. So ein bisschen ist die Platte ja unter dem Corona-Einfluss entstanden. Also nicht, dass das ein Thema auf der Platte wäre, sondern wir haben einfach gedacht: wie geht das weiter? Wie lange dauert so eine scheiß Pandemie? Dauert das zwei Jahre? Ein Jahr? Sechs Monate? Zehn Jahre? Wann können endlich wieder Konzerte stattfinden? Und so ein bisschen war auch das Gefühl im Nacken, dass es ja auch die letzte Platte sein könnte. Und so haben wir die Platte dann auch gemacht. Und dass das Feedback jetzt so gut ist, hätten wir auch nicht gedacht. Wir haben damit das Rad ja nicht neu erfunden. Wir haben uns aber schon Zeit gelassen mit dem Songwriting.
Swen: Das war halt so der Vorteil der Corona-Plage, dass man Zeit hatte, an den Sachen zu feilen. Wir haben uns noch nie so viel im Vorfeld mit den Songs beschäftigen können. Vor allem haben wir auch noch nie so eine Songwriting-Session gemacht. Ich hatte viel Zeit und konnte so einiges vorbereiten, jeder hatte lose Ideen, mit denen wir dann ins Studio zur Songwriting-Session mit Kurt Ebelhäuser gegangen sind und haben dann geguckt, was passiert. Die erste Session war super-ultraergiebig. Da haben wir gedacht, es reicht für ein Doppelalbum, wenn der nächste Termin genau so läuft. Und der nächste ging dann eher schleppend voran, also das genaue Gegenteil. Da hatten wir in der ersten Runde unser ganzes Pulver schon verschossen.
Ollo: Das waren zweimal drei Tage oder so und nach dem ersten Wochenende hatten wir 12 Songs und nach dem zweiten Wochenende standen wir bei 15 Songs. Das zweite Wochenende war also eher ein Kampf.
Swen: Genau. Texte gab es damals noch nicht, aber Melodien, wie die Gesänge sein könnten, das hatten wir alles schon aufgenommen. Und dann hatten wir nochmal Monate lang Zeit…
Ollo: Ja wir wollten die Platte eigentlich sechs Monate später aufnehmen, dann bin ich aber an Corona erkrankt und auch relativ hart, sodass der Termin im September 21 überhaupt nichts wurde. Am 02. Januar 22 sind wir dann ins Studio, also hatten wir zwischen Songwriting Session und finalem Aufnehmen nochmal knapp 8 Monate, in denen wir an den Songs gearbeitet haben, Parts rausgeschmissen haben…
Swen: Und das gab es halt vorher noch nie, dass wir uns so lange und so intensiv mit einer Platte beschäftigt haben. Das war schon etwas Besonderes.

Wie ist das Recording sonst gelaufen?
Ollo: Sonst war es der klassische Rhythmus: Platte aufnehmen, da sind wir auch immer mit fertigen Songs ins Studio gegangen. Zumindest seit wir bei Kurt Ebelhäuser sind, der hat die Songs dann auch erst im Studio zum ersten Mal gehört, während wir sie aufgenommen haben, oder vielleicht mal schlechte Proberaumaufnahmen. Und dann wurde nochmal ein bisschen an den Songs gefeilt, aber nur marginal, wenn wir Harmonien vergeigt haben, weil wir im Studio festgestellt haben, dass wir das so gar nicht machen können. Jetzt haben wir das im Vorfeld schon gemacht, mit diesen halbfertigen Songs dahin zu kommen. Da haben wir die Fehler im Vorfeld bereits ausgemerzt, und Kurt und Michel hatten da auch immer noch ganz coole Ideen, wie man die Songs nochmal ein bisschen verändern kann. Das war dann für uns auch ganz cool, weil wir instrumental gesehen sechs Monate Zeit hatten, die Songs vor dem Aufnehmen zu üben. Sonst sind die immer irgendwie im Studio fertig geworden, oder zwei-drei Wochen vorher, dann war aber meist auch der Gesang, oder die Gesangs-Melodie noch nicht fertig. Das war dann immer eine just-in-time Produktion. Textlich haben wir dieses Mal, glaube ich, einen Song im Studio fertig geschrieben, aber das war es auch. Der Rest war schon fertig.

Nach dem Schreiben und Aufnehmen der Songs ist das Vinyl schon das Masterpiece einer Veröffentlichung.<span class="su-quote-cite">Ollo</span>

Das ist schon ein spannendes Konzept, die Songs im Studio am Stück zu schreiben, gerade wenn es um ein Album geht. Ich bin nach wie vor großer Fan, eine Platte am Stück zu hören. Da ist so eine Vorgehensweise natürlich vorteilhaft, weil es dann eine rundere Sache wird, oder?
Ollo: Ja, das war ja auch das erste Mal seit 25 Jahren, dass wir zwei-drei Tage am Stück Musik gemacht haben. Das haben wir ja eigentlich noch nie, wir arbeiten ja auch alle und proben normalerweise einmal die Woche von 19 bis 21:30 Uhr. Da bist du hinterher A: platt und B: hast du auch nicht so viel Zeit. Und dieses Mal war es halt so. Und wie du sagst, am Ende des Tages ergibt das ein runderes Gesamtbild, vom Songwriting her, weil sich der Schreibeprozess zuvor teilweise auch mal über anderthalb Jahre gezogen hat, oder über zwei Jahre, zwischen dem ersten und dem letzten Song. Und in zwei Jahren verändert sich auch der eigene Geschmack, oder sie Vision von dem Sound, oder die Vision von dem Song. Wir haben auch schon ganz oft Songs, die wir fertig hatten, kurz bevor wir ins Studio sind wieder rausgeschmissen, weil wir gesagt haben, das passt so nicht, oder passt nicht ins Gesamtbild.
Swen: Oder den Song zwar nicht komplett gekillt, aber nochmal komplett um-arrangiert, sodass er mit dem Ursprungsformat nicht mehr viel zu tun hatte. Und was die Coronazeit auch mit sich gebracht hat, ist: normalerweise hat man ja doch alle paar Monate mal ein Konzert, oder geht mal ein Wochenende auf Tour. Das gab es plötzlich gar nicht mehr. Und das hat in der Vergangenheit das Arbeiten an Songs nochmal extrem erschwert, weil du irgendwann für das Konzert proben musst und da kannst du nichts an neuen Songs machen. Wenn das mal ein paar Termine hintereinander waren, liegt die Arbeit an einem Song plötzlich Wochen zurück. Dann fängt man fast wieder bei Null an, keiner kann sich mehr richtig an irgendwas erinnern, dann hast du eine Probe, bei der man sich alles ins Gedächtnis rufen muss und alte Aufnahmen anhört. Das war dieses Mal alles nicht so, denn wir konnten ja nicht spielen. Dadurch konnten wir einen ganz anderen Fokus auf das Songwriting legen.

Ich finde auch eure Platten als haptische Objekte immer sehr ansprechend. Wie viel Wert legt ihr darauf? Wie viel Arbeit steckt ihr in die ganze Präsentation des Albums?
Ollo: Nach dem Schreiben und Aufnehmen der Songs ist das Vinyl schon das Masterpiece einer Veröffentlichung. Weil wir selber auch Fans des Formats sind, legen wir natürlich auch großen Wert darauf, dass das am Ende eine Platte wird, die wir selber auch cool finden. Das dauert dann auch schon ein paar Wochen bis wir uns klar sind, wie das auszusehen hat, wie wir das machen. Wie du gesagt hast, Haptik ist ein wichtiges Thema. Inside-Out Bedruckung? Wie stark soll bei der Erstauflage der Schuber sein? Wie wird der gedruckt? Wo wird der gedruckt? Dann muss man die Proben abholen. Der Schuber und das Booklet sind beispielsweise in einer Druckerei in Trier gedruckt worden, da bin ich immer die Muster abholen gefahren, habe die mit in den Proberaum genommen. „Ja, ne, das passt. Ja, ne, lass uns hier noch etwas ändern!“ Da geht dann schon immer eine Menge Zeit drauf, aber wie gesagt, das ist für uns schon das Kernelement. Bei der CD versucht man das möglichst nah anzugleichen und bei Digital hast du dann noch irgendein Single-Cover, das gestaltet wird. Aber das Vinyl ist der heilige Gral der Veröffentlichung.

Zwei Fragen noch zu den Songs auf eurem neuen Album. Nummer Eins: Wer ist Boris Blocksberg?
Ollo: Du kennst ja wahrscheinlich Bibi Blocksberg. Und Boris ist der Bruder, der in den ersten sieben Folgen Teil dieser Geschichte war und dann wegen seiner Allergie, oder Husten zur Kur an die Nordsee geschickt wurde und dann nie wieder zurückkam. Der wurde hart aus dieser Serie gecancelt und keine Ahnung, warum wir im Studio darauf gekommen sind, aber wir hatten noch diesen Schreipart, den wir schon aufgenommen hatten und dachten uns: „Ey komm, das nehmen wir jetzt noch mit drauf und nennen das Boris Blocksberg“. Die Rache der weggecancelten Figur.

Mein Traum wäre es, bevor wir 50 werden, das nächste Album gemacht zu haben. Aber das wird wohl nichts, haha!<span class="su-quote-cite">Swen</span>

Ich konnte leider beim besten Willen nicht raushören, was geschrien wird.
Ollo: Ja, das ist auch ein Geheimnis. Aber es hat eine Bedeutung.

Ich dachte mir auch schon, dass ich keine Antwort erhalten werde, aber man kann es ja mal versuchen. Aber zur zweiten Frage: Wer ist Tom Blankenship?
Ollo: Das war die ursprüngliche Vorlage für Tom Sawyer. Also die ursprüngliche Vorlage, oder Inspiration für Mark Twain.

Ihr habt generell immer recht viele Literatur-Anspielung, siehe allein schon euren Namen. „Castle Rock“ von „Diene der Party“ fällt mir da spontan ein, als großer „Stand By Me“-Fan, freue ich mich immer darüber, solche Anspielungen zu sehen und zu hören.
Ollo: Literatur ist natürlich immer eine große Inspirationsquelle und diese Referenzen zu verstecken – also versteckt sind sie ja nicht – aber das einfließen zu lassen, ist schon immer ein großes Faible von Alex.

Ist Alex eigentlich allein für die Texte verantwortlich?
Ollo: Es geht. Ich glaube auf der Platte ist ein halber-dreiviertel Text von mir, aber meistens, bevor die Texte in die Runde gehen, schickt Alex sie mir. Wir gehen dann mal drüber, ich mach dann Vorschläge, manche werden angenommen, manche nicht. Aber wir sind ja Brüder und haben lange gelernt, uns miteinander zu streiten und wieder zu vertragen. Von daher vertrauen wir uns da auch ein großes Stück. Aber die meisten Texte kommen von Alex.

Dann würde ich euch jetzt in Richtung Bühne entlassen und nur nochmal fragen, ob ihr schon das nächste Album plant?
Ollo:
Das nächste Album? Ne, noch nicht, haha!
Swen: Mein Traum wäre es, bevor wir 50 werden, das nächste Album gemacht zu haben. Aber das wird wohl nichts, haha!
Ollo: Das kommt drauf an, wer der Maßstab in der Band ist!
Swen: Stimmt. Ich glaube Flo ist der Jüngste.
Ollo: Naja, ich glaube jetzt spielen wir erstmal dieses Jahr Konzerte und dann gucken wir mal, wie es uns nächstes Jahr geht und wie wir so drauf sind, ob wir Bock haben, eine neue Platte zu machen.
Swen: Jetzt erstmal Spaß mit dem haben, was wir rausgebracht haben.

Hier findet Ihr einen Bericht zur Show von Pascow in Hannover:

Pascow und Wonk Unit live in Hannover