Samstag, der 28. Mai und endlich ist es soweit: Das langerwartete und schon zwei Mal aufgrund von Corona verschobene Tagesfestival Punk In Drublic macht wieder Station in Hannover auf der Faustwiese. Die Stimmung ist ausgelassen – für viele der Besucher ist es das erste Konzerte seit langer Zeit, teilweise seit zweieinhalb Jahren, wie man hört. Selbst das Wetter hat ein Einsehen: kurz vor Start verziehen sich die Regenwolken und ab sofort überwiegt sogar imm wieder Sonnenschein. Weitere Wolken machen ab sofort einen Bogen um Linden, wo sich die Faustwiese bekanntermaßen befindet. So ist es angerichtet und selbst die teilweise überhöhten Preise am Merchandise ändern nichts mehr an der tollen Stimmung und einem tollen Festivaltag.
Schriller Start
Beim Line-Up hat sich von der ersten Ankündigung bis heute auch noch einiges getan, da nicht mehr jede Band terminlich verfügbar ist. Den Auftakt übernimmt an diesem Samstag Pinc Louds aus New York. Vor der Bühne ist es noch recht überschaubar und dennoch, der Musiker kommt schon ganz gut an. Teilweise, denn mit seinem schrillen Outfit aus buntem Kleid und schwarzer Perücke und der schrillen, hohen Stimme spaltet die Kunstfigur Claudi die Meinungen der bereits Anwesenden. Von Kopfschütteln bis zur puren Begeisterung ist da alles mit dabei. Musikalisch wird der Singer-Songwriter vom Stand-Up-Bassisten Geoff von Days`N Daze unterstützt.
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Banjo, Akustikgitarre oder auch Waschbrett
Und es geht Schlag auf Schlag weiter, denn nun sind Days N Daze an der Reihe. Musikalisch gibt es nun crustigen Bluegrass oder auch Riot-Folk auf die Ohren. Dabei fallen vor allem die häufig wechselnden Instrumente wie Banjo, Akustikgitarre oder auch Waschbrett auf und musikalisch sehr ins Gewicht. Und das kommt schon recht gut an. Die meisten Songs der Band aus Houston um Frontmann Jesse Sendejas kommen heute vom aktuellen Album „Show Me The Blueprints“ und richten sich gegen u.a. gegen soziale Ungerechtigkeit oder Polizeigewalt. Nach knapp 30 Minuten ernten die Musiker:innen mehr als nur Höflichkeitsapplaus und haben sicher neue Freunde gewonnen. Allerdings kann man sich Days´N Daze deutlich mehr in einem kleinen verschwitzten Club vorstellen.
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„Schön wieder zurück zu sein“
Es folgen The Bombpops, die auch bei der letzten Auflage des Punk In Drublic 2019 in Hannover dabei waren und sich freuen wieder in Hannover zu sein. Und heute werden die Musiker:innen deutlich positiver aufgenommen, als noch vor drei Jahren. Auf der Bühne ist viel Bewegung und der Poppunk der Band, die in San Diego gegründet wurde, kommt für die noch recht frühe Stunde richtig gut an. Musikalisch gibt es ein Best-Of Programm aus den bisherigen Veröffentlichungen, vor allem aber Songs vom aktuellen Album „Death In Venice“ und dem starken Vorgänger „Fear Of Missing Out“. Sängerin Jen wirkt fast ein wenig schüchtern, aber dennoch, die Band macht heute wirklich Spaß und gute Laune. Bei solch starken Songs wie u.a. „CA In July“, „Notre Dame“ oder „Be Sweet“ ist das auch kein Wunder.
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So fucking beautiful
Wenn man sich im Laufe des Nachmittags so auf der Wiese umhört, dann sind die meisten Besucher wohl besonders auf Ignite gespannt. Denn die Kalifornier haben seit kurzem mit Eli Santana einen neuen Sänger, der Zoli Teglas ersetzt hat. Und gerade bei den alten Songs kann man sich vorab nur schwer vorstellen, wie diese nun klingen. Vorab sei gesagt, Befürchtungen allerart waren unbegründet. Ignite legen eine 35-minütige, tolle Performance hin. Vor der Bühne steigen passend zum Start Seifenblasen auf und los geht es mit „Poverty For All“, gefolgt von „Anti-Complicity Anthem“ vom aktuellen selbstbetitelten Album sowie „Who Sold Out Now“. Eli nutz die erstbeste Gelegenheit, um das Publikum mit „Wir sind aus Orange County und kommen den ganzen weiten Weg, um mit euch Spaß zu haben“ zu begrüßen. Dann geht es weiter mit dem neuen Song „The Butcher In Me“ sowie „Let It Burn“ und „The Bleeding“. Und hier singt gefühlt jeder in Hannover mit.
Die Band liebt es so viele Leute zu sehen und dass es trotz dem ganzen Mist in der Ukraine oder dem Massaker in Texas wieder los geht. Als Statement dazu folgt das U2-Cover „Sunday Bloody Sunday“. Und trotz dieser aktuellen Krisen und schlimmen Ereignissen ist die Stimmung prächtig, fast schon ein wenig übermütig und das steigert sich schließlich noch. Sänger Eli ist dann auch der Meinung, dass das Publikum sich selber Applaus geben sollte ,denn es sei „so fucking beautiful“. Er freut sich alle bald wieder zu sehen. Mit „Embrace“ aus dem Jahr 1996 haben Ignite auch noch in Lied für die Old School Fans übrig, bevor man sich dann mit „The River“ und dem Überhit „Veteran“ schließlich verabschiedet. Klasse Show, klasse Setlist und ein echtes Highlight.
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Skapunk aus Venezien
Der Erfolg des Punk In Drublic ist auch damit begründet, dass neben den alten Bands aus dem Hause Fat Wreck viele Newcomer oder Bands aus allen Punkrockgenres mit von der Partie sind. Den Skapunkpart übernehmen heute Talco, die nach kurzer Begrüßung auch direkt loslegen. Die Italiener haben ihre aktuelle EP „Insert Coin“ im Gepäck und geben daraus auch „Radio Countdown“ zum Besten. Dazu gibt es u.a. mit „St. Pauli“, „Punta Raisi”, „L’odore della norte”, „Tarantella dell’ultimo bandito” oder „Tortuga” einen guten Querschnitt durch die gesamte Schaffensphase der Band. Die Venezianer haben sichtlich Spaß und das Publikum dankt es mit viel Pogo- und Tanzeinlagen. Schließlich folgt noch mit „Danza dell’autunno rosa” eins der besten Lieder Band, bevor es dann allerdings ohne das sehnlich erwartete „Bella Ciao“ auch schon wieder vorbei ist. Talco dürfen gerne wiederkommen, sollte nichts dazwischenkommen ist es ja am 11.12. in der Faust soweit.
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Früher war mehr Lametta, oder?
Me First And The Gimme Gimmes kündigen sich bereits mit einem goldenen Bühnenbild und viel Lametta an den Mikroständen an. Dann entert Frontmann Spike Slawson im goldenen Anzug und großer Sonnenbrille mit dem Satz „Na, Ihr alten Wichser?“ die Bühne. Dann folgt der Rest der Band, die heute aus Mitgliedern von English Dogs, Strung Out, Rocket From The Crypt sowie CJ Ramone besteht. Spike überrascht von Beginn an mit guten Deutschkenntnissen. Los geht es mit „Jolene“, dann folgen unter anderem „On The Road,“ „Ghost Riders In The Sky“, „I Will Survive“ und das John Denver-Cover „Leaving On A Jet Plane“. Jeder vor Ort kennt die gecoverten Punkversionen und so singen viele der Besucher:innen laut mit.
Spike gibt nicht ganz ernst gemeint zu, dass er ehrlich gesagt mehr Professionalität und Hingabe erwartet hätte und fragt später, ob das hier eigentlich Dortmund oder doch Hannover sei. Die Lacher hat die Band fast bei jeder Ansage auf ihrer Seite – auch wenn die Band wenig Ahnung von der Hannoveraner Szene haben dürfte, da sie -Hurricane sei Dank- noch nie so wirklich in Hannover gespielt hat.
Me First And The Gimme Gimmes machen einfach unglaublich Lust und Spaß. Die Bandvorstellung wird dann natürlich auch zur Show, bei der CJ Ramone seiner Mutter, der alten „Bitch“ dankt, sie hätte ja immerhin einmal etwas vernünftiges kreiert – ihn! Bei der weiteren Songauswahl bleiben eigentlich auch keine Wünsche offen, denn die Gimme Gimmes spielen u.a. noch „Sweet Caroline“, „Over The Rainbow“ und als Rausschmeißer „End Of The Road“. Dann ist das Set auch leider schon zu Ende. So gut wie die Gimme Gimmes an diesem Tag waren, hätte man Ihnen sicher noch eine ganze Weile länger zuhören können. Starker Auftritt.
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It´s time to party, people
Auch auf Pennywise hatten sich viele der Anwesenden vorab gefreut. Und Jim Lindberg, wie gewohnt mit Sonnenbrille und seine Mitstreiter erwischen eine sehr guten Tag. Pennywise lassen dann auch ihrer Begrüßung „It´s time to party, people” schnell Taten folgen und haben eine richtig gute Songauswahl mitgebracht. So werden „Fight Till You Die“, „My Own Country” oder “Same Old Story” schon zu Beginn zum Besten gegeben. Gitarrist Fletcher Dragge bezieht mit seinem „Fuck The NRA“ auch Stellung zu den aktuellen Ereignissen in Amerika.
Es folgt ein kleiner Coverblock, den Fletcher mit den Worten „Wir sind die zweitbeste Coverband der Tour – nach Talco“ beschließt. Dieser enthält u.a. die Songs „Fight For Your Right“ von Beastie Boys und „Do What You Want” von Bad Religion. Aber natürlich gibt es auch weiterhin unzählige eigene Hits zu hören, wie „Pennywise, „Straight Ahead“, „Society“, „Living For Today“ oder Yesterdays. Die Band beschwört dabei immer wieder die tolle Stimmung und den Zusammenhalt sowie die Rückkehr nach Coronapause herauf. Man sei ja wie eine große Familie. „Fuck Authority“ leitet dann das Ende des Sets ein, gefolgt vom Ben E. King Cover „Stand By Me“. Hierzu kommt Jen von The Bombpops zur Unterstützung auf die Bühne. Den Abschluss bildet dann natürlich „Bro Hymn“ und nun gibt es gefühlt überhaupt kein Halten mehr. Jede:r in Hannover singt und tanzt zu einer der Punkrockhymnen schlechthin. Was für ein großartiges Ende, eines überraschend starken Auftritts von Pennywise.
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NOFX: Cooler als Scorpions oder Metallica?
Initiator und Veranstalter der PunkIn Drublic-Tour sind natürlich auch in diesem Jahr wieder NOFX. Pünktlich um 20:45 Uhr ist der heutige Headliner dann auch startklar auf der Bühne und legt los mit „Dinosaurs Will Die“, „Day To Daze“ und „Bob“. Fat Mike trägt heute einen Haarreif mit Katzenohren. Auch NOFX haben einen wirklich guten Tag erwischt. Natürlich gibt es wieder viele Kommentare zwischendurch, doch Fat Mike und Co sind gut drauf und konzentrieren sich vor allem auf das Wesentliche, die Musik. Im Hintergrund hängt ein kleines gelbes Banner mit dem eigenen Bandnamen. Dies sei das italienische Banner und somit das falsche, wie Fat Mike dann wenig später erklärt. Also wird es gegen das „deutsche“ Banner getauscht. Es ist gelb und riesig und der Bandname ist noch kleiner aufgedruckt.
Die Band bezeichnet sich selber als Band für Alkoholiker und Erwachsene, schlüpfrige Witze inklusive. Weitere Songs wie „Murder The Government“, „The Brews“, „72 Hookers“ oder „Eat The Meek” folgen. Die Ansagen sind nie ernst gemeint. Musikalisch ist das aber eine wirklich starke Setlist. Auch Coversongs haben den Weg ins Programm gefunden, wie „Les Champs-Elysee“, begleitet von Trompete und einer Gastsängerin oder „Radio“ von Rancid. Laut Fat Mike sei dies der beste Song, den NOFX je geschrieben hätten. Überhaupt würde die Band ja eh nie auch nur ein Lied korrekt spielen, da sei man wie die Scorpions oder Metallica – eben nur cooler. Mit „Franco UnAmerican“ endet der eigentliche Part der Show. Es folgen noch Zugaben, u.a. „Fuck The Kids“, „Stickin In My Eye“ und also absolute Krönung „Kill All The White Men“. Hier geben die Besucher:innen noch einmal alles – was für eine Stimmung. Dann ist nach 75 Minuten Schluss.
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Damit endet ein langer musikalischer Tag, der sehr viele auch überraschende Höhen zu bieten hatte. Man hat richtig gemerkt, wie sehr Publikum und Bands die Interaktion zwischen Bühne und Publikum nach mehr als zwei Jahren Coronapause gefehlt hat. Das hat richtig Spaß gemacht, gerne mehr davon.