21 Jahre Rantanplan – Ein Blick zurück: Was hättet Ihr anders gemacht, was bliebe gleich?
Torben: Style und songs = Same Same. Vielleicht wäre die jetzige Besetzung, die Lösung auf damalige Besetzungsproblemchen gewesen?! Ach ne, Gero hatte mir ja früher bei den Proben immer am Hosenbein gezogen (grinst). Da konnte er Posaune noch gar nicht und fing an mit allem, was zum Schlagen taugte, auf diversen orffschen Instrumenten rumzuprügeln. Mein Problem en generali hätte auch die Zeitmaschine nicht gewuppt: Der Tiger auf der Ketchup-Flasche, der wiederum die gleiche Flasche in der Hand hält, auf der wiederum er auf dem Etikett ist und die Flasche in der Hand hält… Wo ist Schluss? Oder ist das am Ende ungehemmter Konsum?
Gero: Ich wäre damals schon groß und wäre es immer noch.
Was waren die Licht- und was die Schattenseiten während der Aufnahmen Eures neuen Albums?
Torben: Der plötzliche Herztod meiner Mutter legte sich gleich zu Beginn der Arbeiten an „Licht und Schatten“ als schwarze Wolke über mich und verweilt dort leider. Wir haben einen zweiten Anlauf gebraucht, aber das war dann wie ein Befreiungsschlag. Einen dritten Anlauf hätte es auch nicht gegeben. Dann wären die Songs zu Woody aufgestiegen und es hätte der eine oder andere kurz live gelebt. Das ist uns 1999/2000 schonmal passiert. Leider ist wenige Tage vor Veröffentlichung der Vater unseres Trompeters Ulf dem selben Schicksal erlegen wie meine Mum. Das Cover mit dem kaputten, blutenden Herzen ist in unserem Leben gerade derart beängstigend manifest, dabei wollten wir eigentlich nur metamorphorisch den „Tod im Herzen“, frei nach Albert Camus, anprangern und nun schneiden echte Trauerfälle das Artwork ins echte Fleisch. Es ist ein tolles Album, aber wir haben es nicht gerade leicht damit. Merkwürdige Zeiten…
„Für mich war das einer dieser BOOM-Momente!“
Welcher Titel ist der bedeutungsvollste für Dich beziehungsweise die Band und warum?
Gero: Vom aktuellen Album „Licht und Schatten“ ist es definitv „Zur Liebe zur Fuß“. Torben kam eines abends in den Proberaum und meinte „Hört mal her, ich hab ’nen neuen Text und auch schon Musik. Hört mal drüber, was ihr davon denkt“. Für mich war das einer dieser BOOM-Momente! „Er ging den ganzen Tag von Hamburg nach Schleswig und morgens zurück“. Das ist genau die Story meines Opas, der in seiner Jugend noch vor dem Krieg jeden Abend nach der Arbeit aus Neumünster mit seinem alten klapprigen Rad nach Heide gefahren ist, zu der Frau, die er geliebt und dann später auch geheiratet hat. Ich fand die Geschichte schon immer abgefahren, als er oder meine Eltern mir davon erzählt haben (Heide bis Neumünster sind 70km!). Aber dass dann auf einmal Torben mit dem Song um die Ecke kam, hat mich echt aus der Bahn geworfen – ohne, dass wir jemals darüber gesprochen haben. Das berührt mich bis heute zutiefst und daher kann ich diesen Song auch heute so viel Verständnis und Gefühl abgewinnen
Torben: Da haben sich in den letzten Wochen ein paar abgewechselt, aber ich schliesse mich da Gero an, denn dieses Lied ist die Autobiographie meiner Liebe. Von der ersten großen Liebe aus Berlin 1976 bis zum Ende der Liebe zwischen mir und meiner Frau letzten Jahres. Klingt jetzt bitter, ist es auch. Aber das Lied ist auch süß und voller Romantik.
Im Song „Revolution“ singt Ihr „Wenn die Revolution nicht tanzbar ist, sind wir nicht mit dabei!“. Im Song entsteht ein Gefühl zwischen motiviertem Aufbruch und absoluter Ernüchterung. Was steckt hinter dieser tanzbaren Revolution?
Torben: Ganz richtig erkannt! Nach totaler Ernüchterung, trotzdem motiviert aufbrechen. Das ist revolutionär.
„Hey! Ich will die Revolution, mehr als je zuvor.“
Trump ist Präsident der USA, die AFD wird in Deutschland immer stärker und gefühlt versinkt momentan alles im Chaos und Utopie. Wie behaltet Ihr Euren Optimismus?
Torben: Welchen Optimismus? Wenn ein reich-geborener Bauer über mehr als 7000 atomare Sprengköpfe verfügt, ist Optimismus doch ein Geschäft für ahnungslose Fackeln.
Gero: Also mein Optimismus speist sich aus der Band. Na ist doch klar. Die Musik, und vor allem, die Leute mit denen man Musik macht, zeigen einem, dass es doch noch etwas abseits dieses Chaos gibt. Es ist ja nicht so, dass wir nicht auch unserer eigenen Utopie nach wie vor hinterher eifern – Hey! Ich will die Revolution, mehr als je zuvor. Aber bitte doch mit Verstand und auch mit Leuten, die ich gerne an meiner Seite weiß. Das finde ich in der Band und in den vielen Leuten, die ich durch die Musik kennenlernen darf.
Was für Gefühle habt Ihr hinsichtlich der anstehenden Wahlen im Herbst?
Gero: Ganz ehrlich? Nur Schlechte. Trump macht’s vor und alle, die jetzt meinen, die AFD würde durch sein „trumpelhaftes“ (trampelhaftes) Verhalten Schaden nehmen, weil jene enttarnt und vorgeführt würde, liegen einfach nur FALSCH. (Nicht nur) dieser Typ haben den Populismus wieder salonfähig gemacht und wir werden uns alle noch gehörig umsehen, wohin uns die Politik dieser Menschen bringen wird. Höcke hat ja schon genug deutlich gemacht, wie ein Deutschland unter der AFD aussehen soll.
Torben: Ja, wird alles viel schwierig. Meine Mitmenschen beunruhigen mich zunehmend, auch die europäischen… Ist aber auch viel langweilig.
„War das ein Flaschenhagel vor der Kirche!“
Im Rahmen Eurer Tour mach Ihr auch in Hannover Halt. Viele Punkbands verbinden Hannover in erster Linie mit den Chaostagen. Was verbindet Ihr mit der Stadt?
Gero: Für die Chaostage bin ich zu jung. Aber ich verbinde Hannover vor allem mit immer geilen Konzerten und unseren Buddies von Wisecräcker und Abstürzende Brieftauben.
Torben: Chaostage war ich zweimal in den 90ern. Da hatten wir einen kleinen feinen Städtekampf als Wochenend-Gig verpackt. Good ol‘ days. Boah, war das ein Flaschenhagel vor der Kirche! Wir haben sie krass zurückgeschlagen, bevor sie uns zerstoben konnten. Ich hab mich eine ganze Weile mit zwei Typen in einem Gebüsch verstecken müssen.
Ansonsten steht Hannover für mich für Agenda2000, Expo und Hells Angels. Aber auch für durchaus fähigen Fussball und eine gesunde Fankultur.
Vielen lieben Dank, dass Ihr Euch die Zeit nehmt, unsere Fragen zu beantworten. Wir sehen uns in Hannover!
Torben: Yeah. Selber Danke. Wir sehen uns in Hann(g)over und wer nicht kommt, wird davon hören und bereuen!