Nach den ganzen ungemütlichen Nächten, die das Rock am Ring Festival bisher hatte, gibt es dann doch die eine, in der man nicht um Zelt und Pavillon bangen muss. Das Unwetter hat sich verzogen, der Regen ist Geschichte, ebenso der Wind. Der letzte Tag bei Rock am Ring steht an und wirbt mit dem Headliner, auf den viele gewartet haben: In den letzten Tagen konnte man mit Abstand am meisten Slipknot T-Shirts beobachten. Also ab aufs Gelände und die Zeit vielleicht mit einem Eis überbrücken. Immerhin hatten die Eisstände in den letzten Tagen wenig zu tun und die Sonne meint es heute sehr gut mit den Besuchern.
“Wir haben nie gedacht, dass wir jemals bei Rock am Ring spielen werden”
Am letzten Tag wird die Alternastage von Blackout Problems eröffnet. Die Band freut sich sehr, auf dem Festival spielen zu dürfen – auch viele den Campingplatz zu dieser Zeit noch nicht verlassen haben. Die Zelte, der nach der letzten Band Abreisenden, bauen sich schließlich nicht von selbst ab. “Wir sind eine Band, die in Deutschland in jedem zweiten Keller und Wohnzimmer gespielt hat. Wir haben nie gedacht, dass wir jemals bei Rock am Ring spielen werden”, zeigt sich Sänger Mario Radetzky glücklich über dem Auftritt und die anwesenden Fans. Im Publikum kommt es derweil zu einem großen Pit, bei welchem die Fans ordentlich wachgerüttelt werden. Die Band revanchiert sich mit einer energiegeladenen Show und die Musiker merken an, dass sie diesen Tag so schnell nicht vergessen werden.
“Ich habe nur eine Bitte an Euch: Wir haben heute Spaß zusammen”
Nanu, wer steht denn da am Mikrofon? Normalerweise ist dies die Aufgabe von Alex Varkatzas. Dieser musste jedoch aufgrund schwerwiegender gesundheitlicher Probleme alle Konzerte mit seiner Band absagen. Der Rest von Atreyu lässt sich jedoch nicht davon abhalten die Shows dennoch zu spielen. So übernimmt kurzerhand Schlagzeuger Brandon Saller das Mikrofon und ab geht die Show! Zugegeben, es ist etwas ungewohnt eine andere Stimme zu hören, schwächer wird das Konzert dadurch jedoch in keinem Moment. Es erhält eine eigenen Note, die das Konzert zu etwas ganz Besonderem macht. Mit den Worten “Wir sind Atreyu und ich habe nur eine Bitte an Euch: Wir haben heute Spaß zusammen”, begrüßt Brandon die Besucher mit einem starken Akzent, der fast schon süß klingt. Heute hat aber auch die ganze Band Spaß. Kaum hat das Konzert begonnen befindet sich Brandon in der Mitte eines Circle Pits und Bassist Marc McKnight lässt sich zum Crowdsurfen hinreißen. Anschließend gibt mit “You Give Love A Bad Name” von Bon Jovi ein großartiges Cover zu hören. Das Publikum singt natürlich lautstark mit.
“If we could, we would come back every year”
Japanische Metal-Bands haben nur selten außerhalb von Japan kommerziellen Erfolg. Coldrain ist hier eine Ausnahme. Seit einigen Jahren treiben sich diese international umher und sind auch ab und zu mal in Deutschland anzutreffen. Daher ist es schon etwas Besonderes diese Band bei Rock am Ring zu sehen. Zwar erscheint im August schon ihr sechstes Album, auf neue Songs wartet man jedoch vergebens. Dies fällt allerdings nicht sonderlich auf, schließlich gibt es noch viele Gelegenheiten sich an den Songs satt zu hören.
“It’s our second time here at Rock am Ring and we are honored to be back”, sagt uns Sänger Masato. “If we could, we would come back every year” fährt er fort. Die Band ist immer wieder glücklich, wenn sie in Deutschland spielen kann. Ihre Freude merkt man aber auch in der Art wie sie spielen. Es sind zwar nicht unbedingt viele da, diese lassen sich aber direkt von der Energie der Band anstecken.
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Von rotierenden Schlagzeugen und perfekter Choreographie
Drei Nummer-Eins-Alben, vier Grammy-Nominierungen sowie unzähligen Top-10-Radio-Hits – na, von wem ist hier wohl die Rede? Richtig, es ist die amerikanische Hard Rock Band Godsmack. Durch einen persönlichen Schicksalsschlag musste deren „When Legends Rise” Tour zum 2018 erschienenen gleichnamigen Album ins Frühjahr 2019 verlegt werden. Heute stehen sie auf der Rock am Ring Bühne – und haben Bock zu spielen. So richtig! Die Stimme von Sully Erna ist absolut perfekt und Drummer Shannon Larkin einfach völlig irre anzusehen – Wow! Es ist schon jetzt richtig voll geworden vor der Volcano Stage und das Publikum feiert ausgelassen. Eine perfekte Choreographie, ein langes Drum Solo mit zwei Schlagzeugen, die auf rotierenden Plattformen stehen – eine ausgeklügelte Show bei der Energie und eine Menge Spaß im Spiel ist – auch wenn die Band schon fast 25 Jahre auf dem Buckel hat. Bitte bitte so weitermachen!
Morgenakrobatik mit dem Durchschnittsbürger
Nebenan steht Adam Angst auf der Alternastage. Der Bandname stellt einen fiktiven Charakter dar, der den Durschnittsbürger widerspiegeln soll. „Er ist scheinheilig, er ist überheblich und tut auch noch so, als wäre er Dein bester Freund!“, beschreibt ihn die Band selber. So stellt sich die Gruppe textlich sehr sozialkritisch dar. Ende letzten Jahres erschien das zweite Album “Neintology” (Albumreview) mit welchem sie bewiesen, dass sie zurecht als neuer Lichtblick des Punkrocks gehandelt werden. “Alle Hände hoch!” – “das klappt ja wirklich, brauchen wir aber nicht. Alle wieder runter!” – “Alle Hände hoch!” – “Das werdet Ihr heut‘ noch öfter machen”, witzelt der Sänger mit dem Publikum, welches zahlreich erschienen ist. Stehend, als auch sitzend in den hinteren Reihen. Das ganze Konzert über herrscht eine gute Stimmung, die besonders vorne im Pit zu spüren ist.
“You guys are awesome and loud as fuck”
Fast genau einen Monat ist es nun her, dass das Album “Berseker” von Amon Amarth herauskam und auf Platz eins der Charts einstieg. Wenn man sich vor der Bühne umschaut, ist dies aber auch nicht verwunderlich. Trotz des späten Nachmittagsslots ist es richtig voll. Man bekommt aber auch einiges geboten: Feuer, Schaukämpfe, Feuer, einen riesigen Wikingerhelm, hab ich schon Feuer erwähnt? Leider geht dies etwas unter – schließlich ist es noch hell. Das kann aber nichts an der Stimmung ändern. Man möchte einfach zusammen mit den bärtigen Männern auf der Bühne das nächste Dorf überfallen. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken wird ordentlich im Pit gefeiert und gerudert. “You guys are awesome and loud as fuck”, kommentiert Sänger Johan Hegg von der Bühne. Am Ende startet noch ein Eisverkäufer eine Wall of Death und läuft in erster Reihe mit. Mehr muss man zu dem Auftritt der Wikinger nicht sagen, oder?
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“You aren’t afraid to jump, right?”
The Struts sind wohl DIE Anwärter der nächste Stern am Himmel des Rock zu werden. Nicht nur, weil sie von Beginn ihrer noch jungen Karriere direkt unter den Großen mitmischen, sondern weil sie sich auch musikalisch nichts vorschreiben lassen und dabei stets familiär klingen. Treffender könnte der aktuelle Albumtitel „Young And Dangerous“ (Albumreview) also gar nicht sein. Frontmann Luke Spiller strahlt eine Aura aus, die einen direkt in seinen Bann zieht. Er ist dabei nicht nur ein guter Sänger, sondern auch ein noch besserer Unterhaltungskünstler. Kaum sagt er “you aren’t afraid to jump, right?” ist das Publikum am gemeinsamen springen. Allgemein haben sich so viele vor der Alternastage versammelt, wie man es nur selten zuvor in diesem Jahr gesehen hat. Wir ziehen unseren Hut.
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“Habt Ihr Bock oder was?“
In den frühen Abendstunden geht es zurück in die 70er. Kadavar katapultieren einen mit ihrem Mix aus Stoner und Psychedelic Rock mit einer Prise Hard Rock sofort in eine ganz andere Sphäre. Sänger Lupus begrüßt die Menge mit einem “Habt Ihr Bock oder was? Bei uns müsst Ihr Euch auch nicht hinsetzen und klatschen, nur gucken und saufen”. Gesagt – getan. Und auch wenn die Moshpits hier nicht so gewaltig sind, wird hier getanzt und andächtig der Musik gelauscht. Und natürlich gesoffen. Eine willkommene, entspanntere Abwechslung, die dennoch keine Langeweile aufkommen lässt. Mit einem Mix aus ihren vier Studioalben begleiten uns Kadavar in den Abend, damit es für uns gut erfrischt weitergehen kann.
A Tribute to the Moon(ing)
Tenacious D – eigentlich sollte mit der bloßen Erwähnung der Comedy-Fraktion aus Übersee alles gesagt sein und sich langsam aber sicher der Refrain von “Tribute” ins Gehirn schleichen. Richtig geraten? Keine Ursache wegen des Ohrwurms. Die beiden durchgeknallten Amerikaner gehören mittlerweile schon fast zum Inventar und sind ein Garant für gute Stimmung. So auch dieses Mal. Von Anfang bis Ende nimmt sich das Duo gegenseitig auf die Schippe und/oder blödelt allerhand auf der Bühne herum. Zum Beispiel bei “Sax-A-Boom” bei dem Jack Black mit einem – na ja, was soll das eigentlich genau darstellen? Ein Kinder Saxophon? – komische Töne von sich gab und Kyle dazu “tanzt”. Oder als sich Jack und Kyle auf der Bühne gegenseitig beleidigen, was darin gipfelt, dass Kyle wütend von der Bühne stapft – natürlich nicht ohne vorher den Anwesenden seinen blanken Allerwertesten zu präsentieren. Oder als die beiden in trauter Zweisamkeit gemeinsam mit dem Publikum “Tribute” in einer, nennen wir es Mal “extended” Version, zum Besten geben – hier gibt es was auf die Ohren und die Augen. Auch wenn die Setlist alle Klassiker der Schaffensgeschichte enthält, spielt sie doch eher eine untergeordnete Rolle, denn ein Großteil wird eh irgendwie lustig erzählt oder improvisiert. Die Menge feiert jeden Ton und jede Geschichte und singt aus voller Kehle mit. “Fuck Her Gently” bildet des Abschluss eines gelungenen Auftritts, bei dem das Publikum schon fast die Bühne übertönt.
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Alternative Rock ohne Schnickschnack
Rock am Ring geht langsam auf das Ende zu – dies ist jedoch kein Grund, nicht nochmal richtig aufzufahren. Black Rebel Motorcycle Club sind seit Jahrzehnten eine feste Größe des Alternative Rock. Warum stellen sie auch diesmal wieder unter Beweis. Ihr Auftritt geht zwar etwas unter, da die meisten schon vor der Hauptbühne auf Slipknot warten, davon lassen sie sich aber nicht unterkriegen. Mit den Worten “Good evening”, begrüßt uns Peter Hayes. Das sind auch fast die einzigen Worte, die zwischen den Songs fallen. Auch von der Show gibt es wenig zu sehen. Man beschränkt sich hier das ganze Konzert über nur auf die Musik, was auch mal eine schöne Abwechslung ist.
“Are you fucking ready to go down in history tonight?”
Der Moment, auf den alle gewartet haben: Das ganze Festival über gab es kein so dominantes Merchandise, wie das von Slipknot. Die Vorfreude des Publikums spürt man sofort. Kaum steigt das Banner der Band gen Himmel, eskaliert die Menge. Es scheint, als hätte sich jeder einzelne Besucher vor der Bühne versammelt, denn ein Ende der Menschenmenge kann man nur erahnen. Slipknot starten mit “People = Shit”, welches direkt laut und textsicher mitgesungen wird. “It is so fucking good to be back! Are you fucking ready to go down in history tonight?”, fragt Corey Taylor und spielt damit auf den weltweiten Stream des Auftritts an, bevor es mit “(sic)” weitergeht. Gedankt wird dies mit vielen Circle Pits, welche sich nur über alle Wellenbrecher hinweg erstrecken.
Auf der Bühne gibt es aber auch viel zu sehen. Neben den immer wiederkehrenden Pyro-Effekten sind es vor allem die Musiker selbst, die immer wieder für einen Spaß zu haben sind. Besonders Sid, Clown und “der Neue” haben immer wieder Passagen, in denen sie nicht spielen müssen. Die nutzen sie, um auf der Bühne umher zu flitzen, um damit das Publikum weiter anzuheizen, Bandkollegen anzuhimmeln, böse drein zu gucken oder auf den verschiedenen Laufbändern auf der Bühne einen Moonwalk hinzulegen. Alle paar Songs verschwinden die Musiker für kurze Zeit geschlossen von der Bühne. Dies ist auch fast nötig, denn sonst würden die unzähligen Pits in der Menge nie zum stehen kommen. Zu “All Out Life” gibt es dann nochmal die geballte Power an Pyro, bevor sich Slipknot schon mit “Duality” von der Bühne verabschieden. Als Zugabe gibt es Anschließend noch “Spit It Out” und “Surfacing” zu hören, bevor sich die Band schließlich endgültig verabschiedet. Hierzu kommt jedes Mitglied einzeln auf die Bühne und verneigt sich vor dem Publikum. Clown bringt hier noch seine Kinder Alexandria und Gage mit, um seine verstorbenen Tochter Gabrielle zu ehren, die im Mai im Alter von nur 22 Jahren verstorben ist.
“Eine Liebe, eine Familie, Rock am Ring”
Während hinter der Vulcano Stage noch etwas Feuerwerk in die Luft fliegt, beginnen Marteria & Casper ihr Set auf der Beck’s Crater Stage. Letztes Jahr erschien ihr gemeinsames Album “1982”, welches das Geburtsjahr der beiden Künstler widerspiegelt. “1982” ist auch der erste gemeinsame Track, gefolgt von “Champion Sound” und “Adrenalin”. Anschließend gibt es beide abwechselnd mit eigenen Songs zu hören. Der ständige Wechsel führt so durch den ganzen Abend. Vor der Bühne ist einiges los. Schließlich haben Slipknot ihr Set beendet und durch die Geländeplanung müssen alle an der Bühne vorbei. Einige scheinen hängengeblieben zu sein oder wollen das Festival mit etwas entspannter Musik beenden. Immerhin sind ja auch beide Künstler gern gesehene Gäste am Ring. Zwischendurch fasst Marteria das ganze Festival nochmal mit einem Satz gut zusammen: “Eine Liebe, eine Familie, Rock am Ring”. Zum Schluss gibt es nochmal ein ordentliches Feuerwerk, während für die meisten das Festival nun endgültig vorbei ist.
Die letzten Reserven zünden
Hot Water Music ziehen den Kreis. Am Ende ist sichtlich zu erkennen, dass den Besuchern der Ring in den Knochen steckt und sich demzufolge leider nur wenige Gäste vor der Bühne wiederfinden. Die, die da sind, sind jedoch ordentlich am Feiern. Die letzten Reserven wollen ja schließlich verbraucht werden. Große Ansprachen gibt es bei ihrem Auftritt nicht, man möchte einfach die letzten Minuten des Festivals nutzen, um noch einmal richtig auf die Kacke zu hauen, was ihnen definitiv gelingt.
Das größte Festival Deutschlands schließt wieder seine Tore. Im Schnitt waren 85.000 Gäste vor Ort, weit mehr, als im Vorjahr. Dennoch gab es fast keine Körperverletzungen und sehr wenige Diebstähle, was auf keine organisierten Banden schließen lässt. Aber nur weil es dieses Jahr so gut lief, heißt das nicht, dass im nächsten Jahr alles so bleibt, wie es gerade ist. Die Bühnen werden weiter ausgebaut und auch sonst wird sich weiter verbessert. Immerhin heißt es nächstes Jahr 35 Jahre Rock am Ring. Wir freuen uns schon jetzt, wenn der Ring vom 05. bis zum 07. Juni 2020 wieder zur Partymeile wird. Wer jetzt schon Lust hat, kann sich ab dem 11. Juni 2019 seine Early Bird Tickets bestellen, auch wenn noch keine Bands feststehen. Diese sollen aber so schnell wie möglich folgen. Also worauf wartet Ihr noch?