Sick Of It All gelten als Wegbereiter des New York Hardcore. Das Aushängeschild dieser Musikrichtung sind sie allemal. Und sie sind immer noch aktiv, seit 1986 genau und für viele fast schon eine Legende. Am 21. Juni sind sie in Hannover und beehren mal wieder die 60er Jahre-Halle auf dem Faustgelände. Support kommt von den beinahe Lokalmatadoren Lower Instinct. Und es wird ein großartiger Abend, so viel sei schon einmal verraten.
Hardcore ohne Treten
Erst recht kurzfristig sind Lower Instinct als Support bestätigt worden. Als das Quartett aus Sarstedt bzw. Hildesheim gegen 20.20 Uhr an diesem sehr warmen Sommerabend die Bühne betritt, ist die Halle dennoch schon ganz ordentlich gefüllt. Die Band, die es seit 2019 gibt und kürzlich mit „The End Of The World“ ihr erstes Album veröffentlicht hat, spielt Oldschool Hardcore, gemischt mit etwas Punk. Bassist Gordon fällt direkt mit seiner eigentümlichen Schuhwahl auf – er hat sich aufgrund der Temperaturen wohl für eine Art Badeschlappen entschieden. Musikalisch fallen die Jungs aber auch auf und das positiv. Der Sound ist recht wuchtig und ziemlich okay und so gibt es einige Hardcorekracher auf die Ohren, wie das traurige „In Memories“, was den Freunden gewidmet ist, die kürzlich gestorben sind, die erste Single „The End“ oder „Way Of Life“.
Auch mit der Politik wird abgerechnet und auch das kommt ziemlich gut an beim Publikum in Hannover. Zu Beginn bittet Gitarrist Shell die Anwesenden noch näher zu Bühne, schließlich mache man „Hardcore ohne Treten“. Mit Erfolg und so entsteht auch zeitnah der erste Circlepit, der bei „Watch Your Back“ auch noch ausgeweitet werden kann. Zum Cover „Doc Marten Stomp“ von Madball holt Sänger Kriesel einen Zuschauer zur Unterstützung auf die Bühne, was sich ehrlich gesagt allerdings als ein wenig ausbaufähig erweist. Dann gibt es noch „H.C.F.S.“ auf die Ohren, bevor nach knapp 35 Minuten die Show endet und der Weg unweigerlich zum Luftholen wieder vor die Halle führt. Alles in allem ein sehr guter und kurzweiliger Auftritt.
37 Jahre dabei und Spielfreude pur
Die Halle ist ziemlich voll, auch wenn nicht ganz ausverkauft, als Sick Of It All gegen 21:30 Uhr loslegen. Sänger Lou Koller kommt dabei direkt mit einem fetten Grinsen auf die Bühne und begrüßt die knapp 500 Besucher mit einem „Wie geht es euch, are you ready“ und schon geht es mit „Injustice System“ los. Auf der Bühne ist die Spielfreude regelrecht greifbar. Sick Of It All haben richtig Bock und machen von Beginn an so richtig Spaß. Da der Funke sofort überspringt, geht es auch im Publikum zur Sache. Und so entwickelt sich ein tolles Konzert. Die nächsten Songs sind u.a. „Relentless“, „Inner Vision“ oder „Maladjusted“.
Lou nutzt die nächste Pause um seine Freude über den Abend mit einem dreifachen „Yeah“ auszudrücken. „Toll dass Ihr alle da seid, ich hoffe Ihr habt ne tolle Zeit, Wir sind Sick Of It All aus New York und mindestens zum fünften oder sechsten mal in dieser Stadt“. Dann wird zum Feiern aufgerufen und weiter geht es mit „Take The Night Off“ sowie „We Want The Truth“ vom 1992er „Just Look Around“-Album. Überhaupt kommen heute einige Songs von den ersten Alben zum Tragen, die in früheren Setlist nicht so oft gespielt wurden. An dieser Stele fällt spätestens auch mal wieder das Phänomen Pete Koller auf. Der etwas jüngere Bruder von Lou fegt auch an diesem Abend die gesamte Zeit wie ein Derwisch über die Bühne und das mit seinen immerhin schon knapp 57 Jahren.
Das „Bohemian Rhapsody“ des Hardcore
Musikalisch geht es weiter mit „Us vs. Them“, bei dem Gordon, der Bassist von Lower Instinct Basser Craig Ahead ein wenig beim Gesang unterstützt und dem „Bohemian Rhapsody“ des Hardcore-Punks „MyLife“, wie es Lou so schön ankündigt. Die Stimmung wird immer besser in Hannover, wenn das überhaupt noch geht. Auch die nächsten Lieder „World Full Of Hate“, „Consume“ oder „Road Less Traveled“ tragen dazu weiter bei. Lou sorgt dann noch für ein paar Lacher, als er sich bei der Vorband Lower Instinct bedanken will, diese aber falsch ansagt. Ist ihm sogar sichtlich unangenehm, doch das wird schnell von Kriesel korrigiert und gleich mit den nächsten Krachern „Machete“ und Busted“, bei dem Craig den Gesang übernimmt, überspielt.
Zwischendurch fällt Lou auch noch auf, dass es doch verhältnismäßig weniger Besucher unter 35 gibt, schließlich gibt es Sick Of It All ja bereits 37 Jahren und das „Scratch The Surface“-Album wird kommendes Jahr tatsächlich schon 30 Jahre alt. Und dennoch sind immer noch einige Besucher vor Ort, die die New Yorker Urgesteine zum ersten Mal sehen, wie eine Blitzumfrage mit Handzeichen ergibt. Die Setlist neigt sich derweil langsam dem Ende entgegen. Es folgen noch „Uprising Nation“, das Partylied „Bull´s Anthem“ und Scratch The Surface“, inklusive der obligatorischen Wall Of Death. „Good Looking Out“ und „Step Down“ sind dann die letzten Chancen zum Tanzen, bevor „Country Road“ vom Band das Publikum in die Nacht entlässt. Was ein Abend, was ein Konzert. Sick Of It All sind eine Band, da fehlen im Grunde immer einige Hits. Das tut diesem Abend aber keinen Abbruch, denn die Setlist lässt dennoch keine Wünsche offen. 37 Jahre und nix verlernt. Spielfreude und Action pur. So machen Konzerte Spaß und die Zuschauer glücklich. Hammer!