Am vergangenen Mittwoch war es soweit: Spiritbox und Motionless In White luden ein zu einer gemeinsamen Co-Headliner Show in Hannover in einem restlos ausverkauften Capitol. Der Sommer ist im vollen Gange also war schweißtreibende Unterhaltung in der traditionellen Location auf jeden Fall garantiert. Schon von weit weg sah man die lange Schlange zum Eingang, die überwiegend aus jüngeren Fans bestand.
Als wäre die Doppel-Headliner Show noch nicht genug, lud man sich zusätzlich heute noch die Metalcore-Band InVisions aus York ein, um den Abend amtlich zu eröffnen. Um 19.15 Uhr legen die Engländer pünktlich los. Das Capitol ist bereits randvoll und die Menschen drängen sich im Innenraum. Der Special Guest kommt gut an und weiß bereits die ersten Besucher:innen zum Headbangen zu bringen. Man bekommt hier soliden Metalcore präsentiert, der handwerklich gut gespielt ist und Lust macht auf das, was noch kommt. Sänger Ben Ville sucht den Dialog mit dem Publikum und kann mit seiner Performance überzeugen. Nach einer guten halben Stunde hat man hier definitiv eine gute Show miterlebt und es scheint, als hätten die anderen Bands einen passenden Opener für den Abend gefunden.
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Corona oder Batman?
Nach einer kurzen Umbaupause ging es um 20.15 Uhr direkt weiter mit dem zweiten Act und dem ersten Headliner Motionless In White. Im Gegensatz zum Vorabend, an dem Spiritbox den ersten Slot übernommen hatte, dreht man heute den Spieß um. Es gilt bei den gemeinsamen Shows hier wohl das Prinzip der Gerechtigkeit.
Die Band aus Scranton, Pennsylvania ist für ihre düstere Ästhetik und ihr markantes Erscheinungsbild bekannt. Gitarrist Ryan Sitkowski trägt heute zum Beispiel eine metallisch aussehende Maske, die komplett die untere Gesichtshälfte und Nase bedeckt. Vielleicht noch aus der Coronazeit übrig geblieben oder ein Riesenfan von Bane aus Batman? Auf jeden Fall bei der Hitze heute sicherlich alles andere als angenehm. Eröffnet wird mit dem Song „Disguise“ und die Masse singt direkt mit dem Sänger Chris „Motionless“ Cerulli aus voller Brust mit. Es folgen die Songs „Sign of Life“ und „Scoring the end of the world“, beide aus dem gleichnamigen Album. Es wird die ganze Zeit mit dem Publikum interagiert. Chris bekommt eine Regenbogenflagge aus dem Publikum, die er sich direkt für einen Song umhängt. Bei einem anderen Song werden die Besucher:innen animiert mit den Handys ein Lichtermeer zu bilden. Die Stimmung ist gut und die Securities haben heute alle Hände voll zu tun den Crowdsurfern nach Überquerung des Wellenbrechers den Weg zurück in die Menge zu weisen.
Bildergalerie: Motionless In White
Auch der Sound ist heute Abend gut abgemischt und alle Instrumente kommen im Mix klar differenziert rüber, so dass die Show insgesamt viel Spaß macht. Alle bekannten Songs der Band werden heute auf jeden Fall gespielt, so dass kein Fan auf Hits wie „Reinincarnate“, „Voices“ oder „Another Life“ verzichten muss. Den Abschluss des Sets markiert der Song „Eternally Yours“ währenddessen der Sänger Chris rote Rosen an einige Besucher:innen verteilt.
Perfektion auf ganzer Linie
Nach kurzem Luftaustausch war es dann soweit für ein großes Highlight des Abends. Die Band Spiritbox, die 2016 in Teilen aus der Band iwrestledabearonce hervorgegangen ist und in den vergangenen Jahren und Monaten einen regelrechten Hype erfahren hat, waren an der Reihe dem Publikum endgültig die letzte Energie zu rauben. Mit „Rule Of Nines“ und seinem brachialen Intro geht der Abend los. Bereits nach dem ersten Song wird klar, dass das eine wahnsinnig großartige Show wird. Frontfrau Courtney LaPlante ist sichtlich gut gelaunt und stimmlich auf ihrem ganz eigenen Level. Hier sitzt jede Note und die Screams sind mehr als beeindruckend. Genauso wie die Tatsache, dass Gitarrist Mike Stringer heute mit einem bandagierten Finger an der Greifhand spielen muss, was ihm allen Anschein nach aber nicht wirklich Probleme bereitet. Die komplexen Riffs kommen mit einer Leichtigkeit aus seinen Fingern, dass man nur stauen kann.
Es geht direkt weiter mit „Hurt You“ vom Debütalbum „Eternal Blue“ und die Menge ist jetzt vollständig mitgerissen. Der C-Part in diesem Song klingt live noch einmal beeindruckender als auf Platte. Es schallt ein beherztes „Destruction“ durch das Capitol während man feststellt, dass der Hype um diese Band auf alle Fälle gerechtfertigt ist. Neben technischer Perfektion zeichnet diese Band mit ihrem Mix aus Rock, Metal und manchmal auch etwas Pop sicherlich die Vielseitigkeit aus.
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Kontraste machen Spiritbox interessant und unvorhersehbar
Alles ist auf den Punkt gespielt und die wirklich großartige Stage-Präsenz der Band insgesamt macht diese Show sehr kurzweilig. LaPlante tänzelt mit einer Leichtigkeit über die Bühne, die man vermutlich sonst nur auf irgendwelchen Laufstegen der Welt sieht.
Natürlich muss heute Abend auch niemand auf die größten Hits der Band verzichten. Somit gibt es heute Abend natürlich auch „Holy Roller“, der seinerzeit zu größerer Bekanntheit verholfen hat und live wie auf Platte einfach ein Brett ist. Darüber hinaus weiß „Circle with me“ mit den Screams und Growls am Schluss Gänsehaut zu produzieren. Auch neuere Songs wie „Rotoscope“ oder die neueste Single „The Void“ – die vom Sound hier und da auch neue und poppigere Wege gehen – werden heute präsentiert. Die Band hat in Interviews bereits mehrfach betont, dass man sich musikalisch nicht limitieren möchte und einfach das macht, worauf man Lust hat. Der Plan scheint aufzugehen und diese Kontraste machen Spiritbox letztendlich einfach sehr interessant und unvorhersehbar.
So passt heute auch das etwas ruhigere „Constance“ ohne Probleme in das Set der Kanadier. Der Song, der sich thematisch mit dem Thema „Demenz“ beschäftigt, schlägt dann eben auf andere Art und Weise hart ein. Nach 12 Songs und gut einer Stunde Spielzeit ist das Set wie im Flug vergangen, was ja in der Regel das beste Zeichen ist. Mit dem Titeltrack des Albums „Eternal Blue“ schicken uns Spiritbox in den Sommerabend, der nach Wiederholung schreit. Spiritbox arbeitet bereits an einem Nachfolger zum Debütalbum und hoffentlich finden sie dann mit neuen Songs alsbald wieder den Weg zurück in die hiesigen Clubs. Die Zukunft für Spiritbox sieht rosig aus.