Das Rezept für einen guten Song ist relativ simpel – eine Melodie, die in’s Ohr geht und ein Text, mit dem sich viele Leute identifizieren können. So einfach ist es. Zumindest in der Theorie. Dass The Menzingers in ihrem Genre Spitzenköche sind, haben sie nicht zuletzt mit ihrem fulminanten Album “After The Party” (Albumreview), welches im Jahre 2017 in keiner “Best-Of-Year”-Liste gefehlt hat, einmal mehr unter Beweis gestellt. Nun kommt mit “Hello Exile” der nächste Anwärter für das “Album des Jahres” im melodischen Punkrock-Bereich. Doch von Anfang an:
„Die Platte wirkt ehrlicher, aufrichtiger und vor allem nahbarer als alle Vorgänger. Die Geschichten die in den zwölf Titeln erzählt werden, kriechen unter die Haut und sorgen dort für Gänsehaut.“
Von Philadelphia in die Welt
Seit 2006, damals noch als Teenager, treibt die Band um das Sänger-Duo Greg Barnett und Tom May ihr Unwesen. Nun kommt mit “Hello Exile” das mittlerweile sechste Studio-Album der Musiker aus Philadelphia, die auch von europäischen Festival- und Club-Bühnen nicht wegzudenken ist. The Menzingers schaffen es wie kaum eine zweite Band alltägliche Beobachtungen in Songs zu verwandeln und das sogar so gut, dass The Hard Times (sowas wie “Der Postillon” für die Punkrock-Szene) ihnen einen Artikel gewidmet hat, in dem es darum geht, dass sie einen Song darüber geschrieben haben, wie eine Freundin von ihnen eine Zigarette raucht. It’s funny ‚cause it’s true, denn auch auf “Hello Exile” schaffen es Barnett und May aus profanen Alltagssituationen melodische Hymnen zu schreiben.
High-School, Liebe, Roadtrips und Alkohol
So haben es die Menzingers in den neuen 12 Songs geschafft, ihr Songwriting erneut auf ein höheres Level zu heben. Es geht um die Erinnerung und das Wiedersehen von High-School Freundschaften, wie in “High School Friend” und die Probleme mit Alkohol und Drogen, die in “I Can’t Stop Drinking” und “London Drugs” besungen werden, genauso wie Beziehungsprobleme in “Anna” und “Strangers Forever”. Doch auch politische Themen finden erstmals explizit Einzug in die Songs der vier – Der Opener “America You’re Freaking Me Out” macht ganz klar, wo die Band sich im aktuellen politischen Diskurs befindet.
“As I was writing that song I realized that it’s kind of always freaked me out, especially coming-of-age during the Iraq War. I love so much about America, but I think you can’t deny that there are some people in power who are absolutely evil.” sagt Sänger Greg Barnett über den Song. Das fasst auch die Grundstimmung der Platte gut zusammen – es geht um die Suche nach einem (liebenden) Zuhause, um das Ankommen und die Zugehörigkeit, um Verständnis und Anerkennung. Dass diese Suche nicht immer erfolgreich ist, beweist der Titeltrack “Hello Exile”.
Ehrlich, aufrichtig und nahbar
Insgesamt wirkt die Platte ehrlicher, aufrichtiger und vor allem nahbarer als alle Vorgänger. Die Geschichten, die in den zwölf Titeln erzählt werden, kriechen unter die Haut und sorgen dort für Gänsehaut. Dies wird nicht zuletzt dadurch erreicht, dass die Band sich für die Produktion mehr als sechs Wochen Zeit genommen hat, um die Storys und die Musik anzugleichen. Den Instrumenten wurde der nötige Raum gegeben, aber auch Platz für kleine Details gelassen, die nicht durch eine fette Produktion weggebügelt wurden. Es wird eine Intimität geschaffen, die es möglich macht, Bilder im Kopf hervorzurufen, wie es sonst nur Künstler wie Bruce Springsteen schaffen. So entstehen am Ende Songs, die versuchen Fragen zu beantworten, die man sich bis zum ersten Hören von “Hello Exile” gar nicht gestellt hat.