Wiebusch, Bosse, Uhlmann live in Hannover

Bosse Wiebusch Uhlmann Hannover
Foto: Maria Graul

„Wo könnte es schöner sein, als hier?“, stellt Thees Uhlmann ganz richtig am gestrigen Sonntag im Zuge der Abschlussshow der Wiebusch, Bosse, Uhlmann – Tour auf der Gilde Parkbühne in Hannover fest. Volles Haus, bestes Wetter und eine bisschen Abschiedswehmut. Nirgends könnte das schöner sein!

Hach, ist das schön.

Mit „epischem Bock“ geht es los. Es ist der letzte Abend und das heißt gleichermaßen Abschied und die Sau herauszulassen – gar nicht mehr so einfach, nach gefühlt 25 Monaten Lockdown und eingerosteten Knochen. Gut also, dass wir Menschen anpassungsfähig sind und uns in kürzester Zeit sowohl von der Musik, als auch dieser großartigen Open Air Location mitreißen lassen. Da fangen sogar Hannoveraner:innen an einem Sonntagabend an, zu tanzen. „Tränen sind der Saft der Seele“, philosophiert Uhlmann und schon geht es mit dem Kettcar Song „48 Stunden“ los. Hach, ist das schön. „Die Toten auf dem Rücksitz“ von Thees Uhlmann und „So oder So“ von Bosse folgen, die Köpfe des Publikums nicken im Takt und immer mehr Besucher wechseln vom Stuhl in den sicheren Stand.

Gänsehautsongs voller Magie

Die selbsternannten drei Tenöre erklären, wie alles so anfing. Wie man überlegte, dass jeder so ungefähr sechs Songs für die Gemeinschaft beisteuern würde, dann nochmal jeder einen oder zwei obendrauf und dann noch den einen oder anderen für das Feuilleton. Besonders Bosse sieht da eine – nennen wir es zynische – Notwendigkeit, lacht verschmitzt und widmet „Wende der Zeit“ dann doch lieber Jonte, seinem kleinen Freund, den er irgendwo im Publikum weiß. Der Song ist einer dieser Gänsehautsongs, der, ähnlich wie „Istanbul“, diese besondere Magie in der Melodie hat, weswegen es überhaupt nicht verwunderlich ist, dass hier und da verliebte Blicke getauscht werden und geknutscht wird.

Bildergalerie: Wiebusch, Bosse, Uhlmann

Die Zukunft ist auch heute unbeschrieben

Für dieses so gut zusammenpassende Gespann ist es ein Leichtes, den Gänsehautbogen weit oben zu halten und so stimmt Wiebusch eine ganz besondere Interpretation des Songs „Benzin und Kartoffelchips“ an. Es ist immer wieder sehr beeindruckend, wie richtig und wichtig die Texte aller drei Musiker sind. Wiebuschs Texte allerdings haben so unfassbar viel Inhalt, dass die Frage legitim ist, wie viele Menschen am Ende wohl tatsächlich Zeilen, wie „Irgendwann ist Wohlfühlmist und graue Theorie. Irgendwann ist immer nur ein anderes Wort für nie.“, als feste Leitsätze in Ihrem Leben verankert oder unter ihre Haut geschrieben haben. Nachdem der uhlmannbossche‘ Einsatz on Point war, gibt’s im Hintergrund Wiebuschs eine amtliche Ghettofaust. Thees schreit „Ich spiele in einer Band mit Markus Wiebusch“ ins Publikum und ist sichtlich euphorisch – kein Wunder bei so viel guter Musik.

…und das geht so.

„Die Musik von den beiden begleitet mich schon so lange…“, erzählt Bosse „…vielleicht habe ich dazu sogar mein Kind gezeugt.“ Er erzählt, wie er seine Bucket List abgehakt hat und wie groß die Freude war, dabei zu sein. Und dann kommt wieder einer dieser authentischen Songs, bei denen selbst die Ankündigung schon jetzt einen Kultstatus erreicht hat: „Der Song heißt ‚Junkies & Scientologen‘, denn die Zukunft ist ungeschrieben.“ So langsam legt sich die Dunkelheit über den Veranstaltungsort zwischen Stadion und Fluss und sogar saugefährliche Pyro in Form einer Wunderkerze wird gezündet. Das ist einfach in jedem Zentimeter so schön. Zu „Was wird aus Hannover“ wurde Thees Uhlmann einst gefragt, ob das wohl ein positives oder negatives Lied sei, was ihn zu der Frage kommen ließ, ob man Shakespeare wohl auch gefragt habe, ob Hamlet nun eher ein lustiges oder trauriges Stück gewesen sei. Am Ende ist es -wie immer – stets die Mischung aus allem, die die Dinge perfekt macht. Wenn eine Stadt das verstehen und vor allem fühlen kann, dann ist es Hannover: entspannt, unaufgeregt, ein bisschen miteinander verschworen und manchmal ein wenig zu gut sortiert.

Wiebusch knüpft mit „Mein Zahnarzt“ an und Bosse liefert „Das Paradies“ – ein Song, der gesellschaftlich so auf den Punkt ist, dass es fast ein bisschen weh tut: „Da war’s ideal, weil einfach niemand verloren, kaputt oder einsam war. Da war’s genial, weil einfach niemand ein Arschloch war“. Nachdem Bosse bereits zu Beginn der Show darüber berichtet hatte, wie es so war, als er für die drei Tenöre angefragt wurde, erzählt Uhlmann nun, wie er „knietief ins Werk von Aki Bosse eintaucht“. Besonders beeindruckt zeigte er sich dabei über eine Ansage des gebürtigen Braunschweigers auf einem seiner Livealben: „…und dann sagt er einfach ‚Hört mal…!‘ und das ist so schön, dass ich mir allein das auf den Rücken tätowieren lassen würde. Hört mal!“ Im Publikum wird geschmunzelt, gelacht, genossen und geträumt. Es ist Sommer in Hannover und Wiebusch-Bosse-Uhlmann liefern den perfekten Soundtrack dazu. Nach „Zugvögel“ von Thees Uhlmann gibt’s kurze technische Probleme in den ersten Akkorden zu „Balkon Gegenüber“ und Markus Wiebusch erzählt, dass sowas passiert, wenn ihn die Emotionalität packt und dass es dann besonders wichtig ist, dass er Unterstützung vom Publikum bekäme. Da lässt man sich in Hannover natürlich nicht zweimal Bitten und klatscht, wie gefühlt noch keine andere Stadt geklatscht hat. Mit dem Tomte-Song „New York“ steht der erste Abschied vor der Tür.

Abschied ist ein bisschen, wie sterben, aber ich liebe das Leben!Thees Uhlmann

…das ist so schön!

Da hat hier natürlich niemand Lust drauf und so holt das textsichere Publikum seine Stimme heraus und bittet zur Zugabe. „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ wird angespielt und Hannover stimmt ein um nach und nach immer mehr zum schönsten Chor der Stadt zu werden. Es ist schwierig an diesem Abend durch den Begriff „Klassiker“ zu differenzieren, da einfach jeder dieser Songs ein verdammter Hit ist und dennoch muss einfach gesagt werden, dass das folgende „Schönste Zeit“ ein absoluter Bosse Klassiker ist. Dieser erzählt ein bisschen über den Ursprung des Songs und dass er ganz in der Nähe aufwuchs, seine Kindheit ziemlich gut, aber die Jugend eher trist war und dass es diese eine verbündete aus dem Bus gab. Er erzählt, dass er, da er mit seiner langen Frise schon früh Musik machte, erst den Spitznamen Mozart und dann Student bekam und dass dieses Mädchen Haare, wie Courtney Love hatte; vielleicht der perfekte Moment einen Song durch ein „und das geht so“ zu beginnen.

„Boys, Girls, what a ride – das war’s“, bemerkt Wiebusch, der sich heute eher zurückhaltend zeigte. Nun wird es doch so ernsthaft emotional. Gut, dass es Philosophen, wie Thees Uhlmann gibt, die dem, aus der hohlen Hand, ein „Abschied ist ein bisschen, wie sterben, aber ich liebe das Leben“, entgegensetzen können. Denn wie wir wissen, macht ja das, was erstmal nicht zu passen schein, am Ende am allermeisten Sinn! Axel Bosse macht’s rund und stimmt nach einem „Ey Brüder, danke dafür“ mit „Landungsbrücken Raus“ einen der schönsten Songs dieser Welt an!

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