Christoph Wieczorek von Annisokay im Interview

Annisokay 2018
Foto: Felix Fröhlich

Annisokay aus Halle an der Saale setzen neue Maßstäbe für melodischen Post-Hardcore. Nach zahlreichen Shows in Europa, Großbritannien und Russland ist die Band aktuell mit I Set My Friends On Fire auf großer USA-Tour. Auf der Strecke von Orlando nach New Orleans legte Sänger und Gitarrist Christoph Wieczorek einen kurzen Halt ein, um mit uns über das neue Album zu sprechen.

Die Freude der Fans ist für uns das Beste!

Ihr seid gerade auf Eurer ersten Tour durch die USA. Wie aufgeregt ist man da?

Die ersten Tage waren komplett surreal und wir hatten zu tun, dass wir überhaupt unsere Flüge kriegen. Der Busfahrer hat dann noch abgesagt und es war ein richtiges Chaos. Jetzt realisiert man erst alles und es ist geil! Zwar anstrengend, weil wir jeden Abend eine Show gespielt haben, aber auch toll, so viel zu sehen. Diese ganzen Eindrücke kann man gar nicht verarbeiten. Vor ein paar Tagen waren wir noch in Manhattan und jetzt sind wir am südlichsten Punkt Amerikas – das ist schon verrückt!

Wie überstehst Du die Zeit im Tourbus?

Wir haben richtigen Luxus mit unserem so genannten Band-Waggon. Da hat man acht Betten drin, eine Küche, ein Bad mit Dusche und einen Fernseher. Also alles, was man so braucht! Wir haben unsere Wohnung praktisch immer dabei. Das macht dadurch natürlich Spaß. Und trotzdem sind die Fahrten aus irgendeinem Grund für den Körper anstrengend.

Hast Du eine Angewohnheit, die die anderen Bandmitglieder in den Wahnsinn treibt?

Jetzt, nach elf Tagen zusammen, kommt man langsam an den Punkt, wo man auch mal etwas aneinandergerät. Aber es ist alles cool! Wir wissen ja, worauf wir uns einlassen. Es ist fast wie ein Sozial-Experiment.

„Es ist eigentlich so, dass wir uns nicht gegenseitig nerven, sondern eher uns selber“

Gibt es denn etwas, das Dich auf die Palme bringt?

Ja, Dave macht immer ein bisschen sein eigenes Ding. Er haut dann ab und sagt nicht Bescheid, wo er hingeht. Das ist manchmal etwas schwierig. Und gestern hatten wir kein Wasser mehr zum Duschen im Bus, weil niemand den Wassertank aufgefüllt hat. Dementsprechend waren alle etwas angenervt. Aber es ist eigentlich so, dass wir uns nicht gegenseitig nerven, sondern eher uns selber.

Was vermisst Du auf Tour am meisten?

Meinen Hund! Den habe ich jetzt nicht bei mir und das ist echt traurig. Aber man hat viel Ablenkung, dadurch geht es. Ich freue mich schon sehr auf ihn, wenn wir wieder zurück sind.

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Hast Du ein Geheimrezept, um bei Stimme zu bleiben?

Mein Geheimrezept ist, sich möglichst wenig Gedanken darüber zu machen. Dave hat zum Beispiel immer einen ganzen Sack Medikamente dabei, einen Schal um – obwohl 30 Grad sind – und schläft lange. Ich bin eher das Gegenteil und mache einfach alles wie immer. Wenn wir feiern gehen, gehen wir halt feiern. Und das funktioniert aus irgendeinem Grund gut.

„Ich glaube, das wird die krasseste Tour, die wir jemals gespielt haben“

Am 17. August erscheint Euer viertes Studioalbum „Arms“. Die ersten Single-Auskopplungen „Unaware“ und „Coma Blue“ geben schon mal einen Vorgeschmack. Warum habt Ihr gerade diese Songs ausgewählt?

Das war eine lange Geschichte, wir haben uns damit sehr schwer getan. Beim Durchhören des Albums haben wir gedacht, dass alles als Single funktionieren würde. Deshalb haben wir einfach gesagt, das Label soll entscheiden. Und jetzt haben wir die drei Songs (Anm. d. Red.: Ein dritter wird bald veröffentlicht), aber sind uns immer noch nicht sicher, ob es die richtigen sind. Obwohl die so gut ankommen, dass wir uns nicht beschweren können.

Im Herbst seid Ihr für einige Shows in Deutschland. Worauf können sich Eure Fans freuen?

Ich glaube, das wird die krasseste Tour, die wir jemals gespielt haben. Die Clubs sind größer und die Ticketverkäufe jetzt schon besser als sonst. Also wird es sicherlich kuschelig und die Stimmung gut! Und diesmal haben wir außer uns auch noch Extras für die Show im Gepäck, aber mehr kann ich jetzt noch nicht verraten. Und wir spielen die neuen Songs! Natürlich werden auch Klassiker dabei sein. Ich finde es immer traurig, wenn man eine Band sehen will und die spielen nur neues Zeug.

Wenn Ihr einen der neuen Songs live spielt, wie sind die Reaktionen darauf?

„Unaware“ ist jetzt schon fest im Programm und kommt super an – eigentlich einer der besten Songs des Sets. Und „Coma Blue“ müssen wir mal anfangen, auch live zu spielen, damit wir den Song bei unserer Tour durch Europa richtig drauf haben. Das dauert nämlich immer drei bis vier Shows, bis ein Song in Fleisch und Blut übergegangen ist.

„Wir können natürlich immer nur hoffen, dass andere die Songs genau so gut finden, wie wir“

Das neue Album hast Du wieder mitproduziert und aufgenommen. Hat sich dieses Vorgehen für Euch bewährt?

Natürlich macht es für mich Sinn, weil ich so einfach mehr in der Hand habe und dementsprechend kritisch wäre, wenn es jemand anderes machen würde. Worauf wir trotzdem nicht verzichten, ist, noch einen Produzenten mit ins Boot zu holen. Benny Richter, der auch die Platten von Emil Bulls und Caliban macht, ist ein begnadeter Pianist. Wir haben uns rund um die Uhr mit unseren Songs beschäftigt und dabei sind Sachen entstanden, auf die ich richtig stolz bin. Und auf die man einfach nicht kommt, wenn man alles alleine macht. Ansonsten hat es sich bewährt, alles alleine zu machen. Wobei es auch Stress ist, weil ich noch die Musikvideos mache. Mit den ganzen Deadlines habe ich ziemlichen Schlafmangel.

Apropos, die Videos zu den neuen Singles sind super geworden!

Wenn man bedenkt, unter welchen Umständen die teilweise entstanden sind, finde ich es eigentlich überraschend, wie gut sie geworden sind. Wir haben die zwei Videos innerhalb von drei Tagen gedreht – tagsüber in der Wüste das „Unaware“-Video und nachts in einer Halle das zu „Coma Blue“. Dementsprechend fertig waren wir irgendwann. Und in die Wüste kam man auch gar nicht mit dem Auto, deshalb mussten wir die ganze Technik total weit durch die Dünen tragen. Aber das Video ist dafür mega geworden und wir sind sehr stolz darauf.

Mit dem neuen Album setzt Ihr noch mal einen drauf und zeigt auf jeden Fall, dass Ihr Euch weiterentwickelt habt.

Wir haben diesmal versucht, uns nur auf eine Art Synthie zu beschränken und wollten mal ein bisschen in die 80s-Schiene. Bei „Unaware“ hört man das zum Beispiel ganz gut. Wir fanden es witzig, mit alten Synthies aus den Achtzigern zu experimentieren. Und auch das Schlagzeug ist diesmal komplett echt. Früher haben wir Samples dazu gebastelt, wie man das in dem Genre üblicherweise macht. Es ist eher ungewöhnlich, das Schlagzeug naturbelassen in die Aufnahme zu übernehmen. Aber wir können natürlich immer nur hoffen, dass andere die Songs genau so gut finden, wie wir. Man kann ja nur nach dem eigenen Maßstab gehen.

„Am Ende verdienen wir selber gar nichts daran“

Was hat sich für Euch seit der Veröffentlichung des Debütalbums verändert?

Es ist zwar so, dass wir mit der Band mehr Umsatz machen, aber gleichzeitig entstehen auch viel mehr Kosten. Am Ende verdienen wir selber gar nichts daran und deshalb gehen alle noch normal arbeiten. Ich hab das Studio (Sawdust Recordings, Anm. d. Red.), aber die anderen müssen sich mit Jobs über Wasser halten. Und das ist natürlich auch anstrengend als Angestellter, wenn wir jetzt fünf Wochen weg sind und im Herbst noch drei Wochen durch Europa und eine Woche durch Japan touren.

Sind Shows in Eurer Heimat trotzdem noch etwas besonderes für Dich?

Ja, definitiv! So cool und aufregend hier alles ist, die Shows haben noch nicht dasselbe Level, wie bei uns. Es kommen weniger Leute und die meisten sind erst mal ein bisschen misstrauisch, weil sie uns nicht kennen. Aber es macht Spaß, wenn man sieht, wie sie in unseren Bann gezogen werden – und nach ein paar Songs geht es dann ab. Wenn wir in Deutschland Shows spielen, sind die Leute nur wegen uns da und kennen die Songs. Da zahlt sich dann alles aus, wofür man gearbeitet hat. Die Freude der Fans ist für uns das Beste!

„Ich mag am liebsten die Songs, bei denen ich weniger singen muss“

Gibt es einen Song, den Du Besonders gerne live spielst?

„What`s Wrong“, das ist meistens der zweite Song im Set. Der ist super, um richtig reinzukommen. Da springen dann immer alle mit und es geht komplett nach vorne. Und dann mag ich am liebsten die Songs, bei denen ich weniger singen muss, weil ich dann einfach nur Gitarre spielen und abgehen kann.

Der berühmte letzte Satz gehört Dir.

Wer uns noch nicht kennt, sollte uns mal auschecken. Und wenn es demjenigen gefällt, sollte er das auch anderen erzählen. Nur so kommen wir voran. An alle, die uns schon kennen: Danke, dass Ihr uns supportet!

Video: Annisokay – Coma Blue

Hier erhältlich

Annisokay - Arms AlbumcoverAnnisokay – Arms
Release: 17. August 2018
Label: Arising Empire

Tickets für die Show von Annisokay am 1. November im MusikZentrum Hannover gibt es hier: Tickets