Kaum ein Album wurde im Vorfeld – vor allem auch durch die Veröffentlichung diverser Singles – so kontrovers diskutiert wie das neue Bring Me The Horizon-Werk „amo„. Es gibt wohl auch kaum eine zweite Band, die die Szene so sehr spaltet, wie die Band aus Sheffield. So haben die ersten Vorboten der Band natürlichfür ordentlich Furore gesorgt und die Fanszene gespalten. Besonders interessant also, die rund 13 Songs in Gänze als Gesamtwerk zu hören.
Man darf nicht vergessen,wo Bring Me The Horizon stehen und letztlich auch hinwollen
Deal with it: Bring Me The Horizon spielen schon seit Jahren keinen Deathcore mehr
Es ist und bleibt es verwunderlich, dass auch noch heute immer wieder der Begriff „Deathcore“ im Zusammenhang mit Oliver Sykes und Co. fällt – immerhin haben sich Bring Me The Horizon bereits vor rund elf Jahren von diesem Genre immer weiter und weiter entfernt: Erst in eine deutlich metalcorelastige Richtung („Suicide Season“, „There Is A Hell Believe Me I’ve Seen It. There Is A Heaven Let’s Keep It A Secret“), dann in rockigere, deutlich melodischere und auch mal softere Gefilde gewagt („Sempiternal“, „That’s The Spirit“). Heute mit „amo“ zelebrieren Bring Me The Horizon den radiotauglichen Pop – vereint mit sowohl alternative rockigen, als auch sehr technolastigen Elementen.
Dennoch muss man Bring Me The Horizon zugute halten, dass sie dabei immer ihren unverwechselbaren Stil bewahren und ein Song der Band stets ganz klar als jener identifiziert werden kann. Dass die Band also immer noch mit Deathcore in Zusammenhang gebracht wird, hält sich ebenso hartnäckig wie unbegründet. Dass die Band ebene jene Fans des Genres nicht mehr bedienen möchte, ist nicht zu übersehen und wird auch im Song „heavy metal“ deutlich: „I’m afraid you don’t love me anymore, cause a kid on the ‚gram in a Black Dahlia tank says it ain’t heavy metal.“ Natürlich heißt das nicht, dass man diese musikalische Entwicklung gut finden muss. Dennoch sollte man jeder Band eingestehen, ihren eigenen Weg zu gehen. Den man schließlich mitgeht oder eben wieder verlässt.
Lieber skippen, wenn man sich nicht in einer abgeranzten Disco in Berlin wiederfinden will
Zugegeben, der erste Vorbote „Mantra“ ließ vermuten, dass Bring Me The Horizon eher an dem Vorgänger „That’s The Spirit“ anknüpfen. Ein Song, der definitiv ins Ohr geht und hängen bleibt. Radiotauglich, aber dennoch rockig. Davon hätte ich mir wesentlich mehr gewünscht. Da habe ich (und wohl viele andere) aber natürlich die Rechnung ohne Bring Me The Horizon gemacht. Denn diese erste Euphorie legte sich mit den Folgesingles „wonderful world“ und „medicine“ etwas, denn von rockigen Klängen fehlt hier tatsächlich jede Spur. Schließlich kriegt man eigentlich nur noch zusätzlich „why you gotta kick me when I’m down?“, „heavy metal“ und „sugar honey ice & tea“ serviert. Dennoch – die Genreschublade mal etwas außen vor gelassen: Songs wie „medicine“ und „in the dark“ sind starke Popsongs. Nur eben nicht unbedingt das, was man von Bring Me The Horizon erwartet hat. Ein Highlight ist definitiv der balladeske Abschluss „I don’t know what to say“, in dem Akustikgitarre, sanfte Streicher und ein emotionaler Oli Sykes zum Vorschein kommen.
Mit „nihilist blues“ – bei dem Bring Me The Horizon Unterstützung von der kanadischen Sängerin Grimes bekommen – überrascht die Band durch sphärischen Synthieklänge und Discobeats. Fans der früheren Stunde sollten diesen Song definitiv lieber skippen, wenn sie sich musikalisch nicht in irgendeiner abgeranzten Disco in Berlin wiederfinden möchten. Lyrisch behandelt Frontmann Oliver Sykes alle Facetten der Liebe – sowohl die schönen als auch die bitterbösen. So wird natürlich auch seine Scheidung thematisiert, wie beispielsweise im Song „Ouch“, in dem er sich textlich sogar auf den Song „Follow You“ vom Vorgängeralbum „That’s The Spirit“ bezieht: „And I know I said you could drag me through hell, but I hoped you wouldn’t fuck the devil“.
Über die Grenzen und noch viel weiter
Eines ist klar: Bring Me The Horizon interessiert es nicht, was andere über sie sagen. Sie machen das, wonach ihnen ist und scheuen sich nicht davor, sich vermeintlichen Grenzen zu widersetzen und bunte Stilmixe zu erzeugen, die letztlich aber doch irgendwie wieder zueinander finden. Nie war es passender zu sagen: „Diese Band lässt sich nicht in eine Schublade stecken“. Denn Bring Me The Horizon verbinden rockige Elemente mit dem heutigen Zeitgeist und schaffen es, in den einzelnen Liedern zu wechseln, aber dennoch eine stimmige Symbiose zu kreieren. So ist kein Song auf „amo“ wirklich repräsentativ für die neue Platte und eine knallige, konfettigeladene Wundertüte, bei der man nicht vergessen darf, wo Bring Me The Horizon stehen und letztlich hinwollen.