Einige werden sich noch an die Zeit erinnern, in der Bands wie AFI, PANIC! AT THE DISCO oder vor allem auch MY CHEMICAL ROMANCE (auch kurz einfach nur MCR) in aller Munde waren und ein Genre erschufen, das weit über den Kern, die Musik, hinausging. Es wurden pompöse Bilder gemalt und Geschichten mit einer Intensität und einer Gefühlsdichte erzählt, wie man es so zumindest in dieser Form zuvor noch nie erleben durfte. Doch diese Art von Musik trat – vor allem aufgrund der Auflösung von MCR – doch immer mehr in den Hintergrund und verschwand zeitweise sogar gefühlt völlig von der Bildfläche.
Die in 2014 gegründete Band CREEPER aus Southampton hat es sich zum Ziel gemacht, einem schon fast tot geglaubtes Musikgenre wieder Leben einzuhauchen. Nach drei EPs veröffentlichen die Dame und die Herren nun ihr langersehntes Debütalbum „Eternity, In Your Arms“, das zumindest optisch schon einmal ordentlich auffährt: Eine schön gezeichnete, sehr in schwarz und lila gehaltene Stadtszenerie, vor der eine Person steht; darüber prangt in großen lila Buchstaben (die Schriftart erinnert an die Horror-Serie „Goosebumps“) der Bandname. Das kann sich schon einmal sehen lassen und lässt Großes erwarten. Doch kann das schicke und verheißungsvolle Äußere den Kern, die Musik, bestätigen oder verwandelt sich schon beim Hören der ersten Töne alles in heiße Luft?
Der Anfang macht der Song „Black Rain“ und tatsächlich hat man hier vom ersten Moment an das Gefühl, bei etwas ganz Großem dabei zu sein. Ein schön getragenes Piano macht zusammen mit einer kurzen Erzählung einer Frau den Anfang, bevor die gesamte Band einen fulminanten Start hinlegt. Eine starke Up-Tempo-Nummer, deren Refrain einfach so unglaublich schön und theatralisch – jedoch nie aufgesetzt oder überzogen – daher kommt, dass diese schmerzliche Leere, die vor allem MCR nach ihrer Auflösung hinterließen, wie weggeblasen ist.
In der Info der Band steht, dass sie Horror-Punk spielen und gerade das Wörtchen „Punk“ wird im nächsten Song „Poison Pens“ groß geschrieben: Jetzt nimmt der Sechser aus England noch einmal eine ganze Spur mehr Fahrt auf, ohne jedoch das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Hier treffen Double-Time-Rhythmen und Shouts auf hymnenhafte und melodiöse Gesänge, welche in der Mitte von einem unglaublich dichten und atmosphärischen Zwischenteil unterbrochen werden, was den Song zu einer wahren Achterbahnfahrt macht.
Die darauffolgenden Songs „Suzanne“ und „Hiding With Boys“ stehen dem in nichts nach, bis mit „Misery“ sanftere Töne angeschlagen werden. Und auch hier schaffen es CREEPER erneut, eine extrem dichte Stimmung zu erzeugen, die zu keiner Zeit unglaubwürdig erscheint. Dies liegt vor allem an dem unglaublichen Stimmtalent von Frontmann Will Gould, der sämtliche Stimmungen in den Songs so wahnsinnig gut transportieren kann, dass man des Öfteren Gänsehaut bekommt.
Dass aber auch die einzige Dame und Keyboarderin der Band, Hannah Greenwood, mehr kann, als nur auf ein paar Tasten rumzuklimpern, beweist sie im Song „Crickets“, den sie stimmlich zum Besten geben darf. Abwechslung ist immer gern gehört, vor allem wenn es so schön vorgetragen wird wie hier. Allgemein muss man feststellen, dass das Album unglaublich abwechslungsreich ist und dadurch auch nach dem zehnten Durchlauf nicht langweilig wird.
Um noch einmal kurz auf das Thema Gesamtkunstwerk zurückzukommen: Der Song „Black Rain“ ist übrigens auch optische eine ziemliche Augenweide und unterstreicht noch mal, dass es CREEPER um mehr geht, als nur um gute Musik. Schaut Euch einfach mal das jüngst veröffentliche Musik-Video hier an und macht Euch selbst ein Bild, was für Kaliber CREEPER sowohl musikalisch als auch visuell auffahren.
Kein Wunder also, dass CREEPER als die nächsten MY CHEMICAL ROMANCE gehandelt werden, ohne dabei als billiger Abklatsch zu wirken. Sie machen mit Ihrem Debüt-Album einfach alles richtig und haben mit „Eternity, In Your Arms“ ein Kunstwerk geschaffen, was man in dieser Form lange nicht mehr gesehen und vor allem gehört hat. Großes Kino in allen Belangen.