Jera on Air in Ysselsteyn

Foto: Peter Detje

Einmal im Jahr lädt das Jera On Air die internationale Hardcore, Punk Rock und Metal(core) Szene ins beschauliche Ysselsteyn in den Niederlanden ein. Drei Tage lang kommen Fans der genannten Genres voll auf ihre Kosten. In diesem Jahr fand das Festival vom 22. bis 24. Juni statt.

Das Jera On Air hat ein übersichtliches Gelände. Im Vergleich zu vielen großen internationalen Festivals bietet das Jera On Air kurze Wege. Sowohl zwischen Campingplatz und Festivalgelände als auch zwischen den einzelnen Bühnen. In diesem Jahr gab es fünf Zeltbühnen. Eine Open Air Bühne, ohne Dach, ist hier nicht zu finden. Das bietet gleich mehrere Vorteile: Die Konzerte haben immer eine gewisse Club- bzw. Hallenatmosphäre, auch wenn von den Seiten tagsüber etwas Tageslicht in die Zelte strahlt. Ein weiterer Vorteil sind die dadurch entstehenden Schattenplätze, die man auch zwischen den Shows nutzen kann, um der Sonneneinstrahlung zu entgehen. Vor allem am Freitag und Samstag in diesem Jahr war das ein Segen. Bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius fehlten aber leider kostenlose Trinkwasser-Stellen auf dem Festivalgelände. Bei Preisen von mehr als 3 Euro für eine kleine Flasche Wasser kann das über drei Tage durchaus teuer werden.

Weniger erfreulich hingegen ist das Token-System zum Bezahlen von Speisen und Getränken sowie die umständliche Pfand-Regelung. Und obwohl es ein Pfandsystem gibt, werden trotzdem Einweg-Plastikbecher zum Getränkeausschank genutzt. Das erschließt sich nicht. Hier kann im nächsten Jahr definitiv noch nachgebessert werden. Was das Pfandsystem allerdings bewirkt, ist das verhältnismäßig geringe Müllaufkommen auf dem Infield. Ebenso findet man ausreichend große Mülltonnen, um anfallenden Müll zu entsorgen. Dafür ein großes Lob, denn es war größtenteils die ganzen Tage über sehr sauber auf dem Infield.

Donnerstag

Auch in diesem Jahr startete das Festival wieder an einem Donnerstag. Leider wurde der erste Tag überschattet von starken Regenfällen, die den Zeltaufbau störten und auch die Stimmung unter den Festivalgästen abkühlen ließ. Hinzu kamen lange Wartezeiten am Einlass, wodurch einige Festivalbesucher*innen 1-2 Stunden im Regen warten mussten.

Gerade noch rechtzeitig schafften wir es am Donnerstag zum Auftakt auf der “Eagle” Hauptbühne. Paleface Swiss sprang kurzfristig für Polaris ein, die leider aufgrund eines familiären Notfalls ihre aktuelle Europa-Tour vorzeitig beenden mussten. Im Anschluss folgten für uns Malevolence und Code Orange. Nach diesen drei Brettern ging es bei etwas entspannteren Tönen mit Wrong Man auf der kleinen “Hawk”-Bühne weiter. Der Regen prasselte unermüdlich weiter und beim Wechseln der Bühnen wurde immer deutlicher, dass das Festivalgelände das ganze Regenwasser nicht aufnehmen kann. Es bildeten sich erste Pfützen und der Boden wurde immer weicher. Die Stimmung vor den Bühnen war aber trotzdem überwiegend positiv, auch wenn die äußeren Umstände ziemlich suboptimal waren. Mit Sick Of It All gab es im Anschluss einen wahren Klassiker auf der “Vulture” Stage.

Die beiden Hauptbühnen “Eagle” und “Vulture” stehen beim Jera On Air nebeneinander und werden abwechselnd bespielt, wodurch es zumindest bei diesen beiden Bühnen keine Überschneidungen gibt. Daher war auch der Weg nach Sick Of It All zu The Amity Affliction auf der “Eagle” Stage kurz. Die Metalcore-Band fungierte hier vor Parkway Drive quasi als Co-Headliner. Wahrscheinlich einer der höchsten Spots bei einem europäischen Festival für die Australier bisher. Mit toller Lichtshow und Flammenwerfern wurde die Band diesem Spot durchaus gerecht. Zum Abschluss des ersten Festivaltages gab es dann noch Billy Talent und Parkway Drive auf die Ohren und der Regen hatte sich inzwischen auch verzogen. Trotz der widrigen Umstände aufgrund des Wetters gab es keine Probleme im Ablauf auf den Bühnen. Im Verlauf des Nachmittags und Abends gewohnten sich alle Beteiligten an die Situation und konzentrierten sich mehr und mehr auf das Geschehen auf den Bühnen, wodurch die Stimmung merklich stieg. Dieser Trend sollte sich an den beiden kommenden Tagen bestätigen. Das Gelände konnte im Laufe der beiden folgenden Tage immer weiter abtrocknen. Der Matsch und die Pfützen verabschiedeten sich und das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite.

Freitag

Im Eingangsbereich wurden am Freitag zudem von den Veranstaltern mehrere Ladungen an Holzschnipseln verteilt, um dem Boden die Feuchtigkeit zu entziehen. Das funktionierte größtenteils sehr gut und ließ die Regenschlacht, Regenponchos sowie Gummistiefel vom Vortag vergessen. Musikalisch startete der Freitag für uns mit Touché Amoré, die eine gute Show boten, aber im kleinen Club und ohne Bühnengraben trotzdem nochmal besser zünden. Danach konnte man im Sonnenschein eine von sechs BMX-Freestyle-Shows genießen. Vor der Hauptbühne wurde drei Mal am Freitag und drei Mal am Samstag eine BMX-Freestyle-Show von “The Pump Factory” gezeigt. Ganz in der Nähe fanden auch an allen drei Tagen Impericon Signing Sessions statt. Und wiederum ein Stückchen weiter wurden im Biergarten auf der “American Socks Stage” am Freitag und Samstag einige kurze Acoustic-Sets gespielt. U.a. von Trash Boat und Frank Turner. Nach der BMX-Show ging es weiter mit The Interrupters, die einen tollen Empfang von den Besucher*innen der Hauptbühne bekamen. Stray From The Path ging es nebenan im Anschluss ähnlich. Generell bekam man an diesem zweiten Festivaltag den Eindruck, dass der Sonnenschein und der ausbleibende Regen allen Beteiligten richtig gut tat und das Festival jetzt erst so richtig Fahrt aufnahm. Die Begeisterung vor der Bühne war bei Bands wie Stray From The Path, Fever 333 und Papa Roach wirklich überragend. Zwischendurch konnte man beim Sonnenuntergang noch eine kleine Runde auf dem Riesenrad drehen, um wieder etwas runterzukommen und sich für den heutigen Endspurt neu auszurichten. Trash Boat, die am Nachmittag bereits akustisch spielten, durften den Abend auf der “Buzzard” Stage (die drittgrößte Bühne des Festivals) beschließen. Großartige Stimmung! Auf der Hauptbühne war es Rancid, die den zweiten Festivaltag beendeten. Für viele Besucher*innen war das kein Grund bis in die Nacht auf dem Festivalgelände zu bleiben. Das “Eagle”-Zelt war hier leider nur etwas über die Hälfte gefüllt.

Samstag

Der dritte und letzte Festivaltag endete wie der zweite aufgehört hatte. Mit klarem Himmel und ohne Regen. Das Festivalgelände war jetzt endgültig wieder getrocknet und man konnte es sich zwischenzeitlich auch entspannt auf dem Fußboden gemütlich machen. Für uns startete der Festivalsamstag am Nachmittag mit Casey. Die britische Band hat sich erst vor kurzem wieder zusammengefunden und spielt in diesem Sommer nur einige ausgewählte Shows. Darunter auch der Auftritt beim Jera On Air. Bei Landmvrks im Anschluss war das Zelt bereits am frühen Nachmittag prall gefüllt und die Stimmung erreichte erstmals ihren Höhepunkt an diesem Samstag. Ähnlich war das auch bei den Lokalmatadoren John Coffey, die frenetisch von den Fans empfangen wurden. Enter Shikari hatten für ihren Auftritt mehrere Highlights mitgebracht, um den Show-Aspekt ihres Auftritts zu unterstreichen. Mehrer Flammenwerfer und unterschiedliche Konfetti-Kanonen wurden über das ganze Set verteilt und machten den Auftritt visuell noch ansprechender, als dies bei Enter Shikari ohnehin häufig der Fall ist. Im benachbarten “Buzzard”-Zelt gab es danach mit Defeater ein starkes Kontrastprogramm. Bei einer Defeater-Show wird man Konfetti vergeblich suchen, wäre aber auch komplett unpassend.. Auch Defeater spielen, ähnlich wie Casey, nur einige ausgewählte Festivalshows in diesem Sommer. Generell hat sich Band in den letzten Jahren eher rar gemacht. Kein Wunder also, dass das “Buzzard”-Zelt bis zum letzten Platz (und darüber hinaus) gefüllt war. Was folgte war eine 45-minütige Hardcore-Show der Extraklasse. Zwei Stunden später spielten an gleicher Stelle No Pressure und wollten das Energielevel der Defeater-Show nochmal toppen. Mit Erfolg. Bereits bei den ersten Tönen war das ganze Zelt in Bewegung. Selten habe ich eine solche Energieentladung ab dem ersten Ton miterlebt. Moshpit, Stagediven, Bierduschen, das volle Programm wurde hier abgerufen. Von Müdigkeit nach drei langen Festivaltagen keine Spur. Ähnlich war das im Anschluss auch bei The Ghost Inside, die komplett abgefeiert wurden. Die Security (die das ganze Wochenende einen super Job machte) wurde hier nochmal vor eine echte Herausforderung gestellt. So viele Crowdsurfer*innen habe ich, bei einer Show, selten erlebt. Komplett irre (im positiven Sinne). Jetzt fehlte nur noch der dritte Headliner: Flogging Molly durften die “Eagle” Hauptbühne beschließen und brachten eine gehörige Portion gute Laune mit ins Zelt. Bei Sichel-Mondschein und immer noch warmen Temperaturen ging das Jera On Air 2023 zu Ende.

Ysselsteyn erlebte ein friedliches Jera On Air 2023 mit vielen Highlights und einigen wenigen Lowlights.

Die Highlights:
● Das Festivalgelände und die kurzen Wege zwischen den Bühnen.
● Das Food-Angebot (mit vielen vegangen und vegetarischen Optionen).
● Das überwiegend gut gelaunte Personal.
● Die entspannte Stimmung am Freitag und Samstag.
● Das abwechslungsreiche und breit gefächerte Lineup.
● Die Nebenschauplätze (Signing Sessions, BMX Show, Akustik-Konzerte).
● Viele Schattenplätze durch die Zeltbühnen.

Die Lowlights:
● Das Wetter am Donnerstag war eine Katastrophe und drückte auf die Stimmung aller Beteiligten.
● Das Token- und Pfandsystem sollte überarbeitet werden.
● Die Preise für die Speisen (Bsp.: 10 € für eine vegane Kebap-Pita).

Danke, Jera On Air, wir kommen gerne wieder!