Johanna Bauhus vom Ladies & Ladys Label im Interview

Johanna-Bauhus
Foto: Mareen Meyer

Pünktlich zur After-Lockdown-Ausgabe von Rock am Ring veröffentlichen Kochkraft durch KMA gemeinsam mit dem Ladies & Ladys Label den Sampler Cock am Ring und machen damit einmal mehr deutlich, dass es im Booking vieler Festivals und auch gerade „der Großen“ ein immenses Ungleichgewicht der Geschlechter gibt. Über die Richtung, in die man das Haifischbecken Musikindustrie möglichst gut umrühren kann, den Sampler und das Label habe ich mit Johanna in einem Interview gesprochen.

Es ist immer wichtig ein starkes Zeichen zu setzen, ich glaube aktuell stehen die Zeichen für starke Zeichen hinsichtlich Diversität, Awareness und Inklusion aber unter guten Sternen.<span class="su-quote-cite">Johanna</span>

Du betreibst das erste offiziell sexistische Musiklabel der Welt, erzähl und was darüber und über Dich. Mit dem Claim streuen wir Salz auf den Spiegel „Männerdomäne Musikindustrie“. Wir hatten damals nämlich beobachtet, dass immer die gleichen Menschen die Zügel in der Hand haben und damit immer nur in die gleiche Richtung lenken. Wir wollten einfach in eine andere Richtung, eine viel buntere. Ich bin nämlich auch n bunter Typ, die andere Johanna hat auf meinen Kleiderschrank einen Bob Ross gemalt, ich habe meistens Neonfarbenen Nagellack und wollte mir schonmal Glitzer auf den Bizeps tätowieren lassen. Ich denke, das ist das Relevanteste, ansonsten habe ich eine Reihe an tollen technischen Titeln (M.Sc., Dipl.Ing. und B.Eng.) und irgendwann beschlossen ins Musikbiz zu wechseln. Ich hatte da auch einen echt urguten Start und habe Erasmus for Young Entrepreneurs bei SBÄM Records in Linz (AT) gemacht. Ich saß jeden Tag grinsend im Büro, hatte den Spaß meines Lebens und wusste sofort: Ja, ich will (lieber schlecht bezahlt ein Label führen, als gut bezahlt Bohrmaschinen designen).

Mit welchen Bands arbeitet Ihr zusammen und wie kommt man auf Ladies & Ladys? Wir haben aktuell 11 Bands oder Solokünstler*innen im Roster und die sind menschlich und musikalisch alle tippi toppi, ernsthafte Superstars oder glitzernde Virtuos*innen. Wie man ins Label kommt? Die andere Johanna würde sagen: „Man muss ultracool sein und ein Studium an der Popakademie Mannheim absolviert haben. Außerdem am besten bereits drei Alben veröffentlicht. Manchmal nehmen wir aber auch einfach, was bei Universal abfällt.“

Mit Cock Am Ring ist am ersten Tag der 22er-Ausgabe Rock am Ringe schon eine kleine Bombe geplatzt. Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben, was und wer steckt hinter CAR? Erstmal freut mich, dass Du auch diese einschlagende Wirkung gefühlt hast. Das ist nämlich genau das, worum es uns ging: Aufmerksamkeit! Aufmerksamkeit dafür, dass kulturelle Großevents wie Rock am Ring seit 20 Jahren eine Frauenquote solide im einstelligen Bereich droppen. Wir wollen das Haifischbecken Musikindustrie ja eh ständig umrühren und als Kochkraft durch KMA mit der Sampler Idee auf uns zukamen, war uns sofort klar: Das ist eine richtig geile Zutat dafür. Wir sind aktuell bestimmt 10-15 richtig tolle Menschen, Tendenz steigend.

Und wie kam es dazu?
Momentemalis, hast Du uns nicht als Label für das Projekt empfohlen? Erzähl doch mal selbst 🙂 (Anm.d.Red.: Ist richtig. Mirko von Uncle M fragte mich stellvertretend für Kochkraft durch KMA, ob ich nicht eine Idee hätte, welches Label für so ein Projekt infrage kommen könnte. Meine erste spontane Idee waren Bakraufarfita Records, weil das einfach gute Menschen sind. Aber eben auch Männers und dann gab es nur eine ernsthaft logische Konsequenz – das erste offiziell sexistische Musiklabel der Welt.

Hi! an die Marek Lieberbergs dieser Welt, ich würde gern mal in den Austausch gehen.<span class="su-quote-cite">Johanna</span>

Warum ist es aktuell wichtig, so ein starkes Zeichen zu setzen?
Es ist immer wichtig ein starkes Zeichen zu setzen, ich glaube aktuell stehen die Zeichen für starke Zeichen hinsichtlich Diversität, Awareness und Inklusion aber unter guten Sternen.

Was meinst Du, warum buchen Männer, Männer?
Ich habe das zwar so gesagt bei Deutschlandfunkkultur letztes Jahr, ich möchte das aber nicht so sehr reproduzieren, denn Stereotype gehören abgeschafft. In dem Fall ist es aber oft Realität: Männer haben öfter die Entscheidungsgewalt über Line-ups und entscheiden sich für die Bands, die sie kennen, welche wiederum öfter männlich gelesene Bands sind. Hi Teufelskreis. Und Hi! an die Marek Lieberbergs dieser Welt, ich würde gern mal in den Austausch gehen.

Wie war das Feedback und die Stimmen zum Sampler?
Zunächst haben Süddeutsche und FAZ am Tag vor der Veröffentlichung quasi geleakt und dann waren wir plötzlich in allen Medien, also sowohl in den großen Tageszeitungen, als auch in der Musikfachpresse wie Diffus, Musikexpress, Visions und OX und überall im Radio. Wir haben dann sowohl mit dem Bundestag als auch El Hotzo telefoniert. Krass fand ich den Zeit-Artikel, bei dem der Reporter erwähnte, dass unsere Lana und unser Matze bei Rock Am Ring vor dem Lidl Rockshop zwischen Nackensteaks und Würstchen, in unter einer Minute das Problem mit dem Patriarchat erklären und der Artikel mit seiner Beobachtung endet, dass Wölfi von den Kassieren bei seinem Rock am Ring Auftritt die Menge angeheizt hat mit sowas wie „Sexismus ist scheiße“ und danach den Song „Mach die Titten frei, ich will ficken“ zockt. Das war eine thematisch sehr gut sitzende Spitze des Eisbergs.

Wie stellen wir uns den „Castingprozess“ der Bands für die Compilation vor? Haben alle sofort zugesagt oder musstet Ihr auch Bands überzeugen.
Der Castingprozess war: Wir haben alle Bands, die uns eingefallen sind, in eine Excel geschrieben und dann angefragt. Da waren bestimmt 100 Bands dabei. Also falls ich noch einmal höre, dass es ja nicht genug andere Bands außer Männerbands in Deutschland gibt, dann frag mich nach Gewitter. Richtig viele haben sofort zugesagt, die meisten, die abgesagt haben, haben es zeitlich nicht geschafft. Das kann ich gut verstehen: Als Musiker:in machst Du die ganze Zeit so viele unbezahlte Jobs, und gönnst Dir für Deinen Vermieter und Rewe nebenbei noch Lohnarbeit, da kannst Du nicht unbedingt innerhalb weniger Wochen noch ein Cover produzieren. Und an dem Punkt versuche ich nicht mehr zu überzeugen, wir müssen eh mehr darauf achten, nicht auszubrennen. Schön war aber, dass ein paar Bands oder Solokünstler:innen auch selbst auf uns zugekommen sind und mitmachen wollten.

Wir arbeiten grade am Cock Am Ring Festival!<span class="su-quote-cite">Johanna</span>

Wie erfolgte die Songauswahl oder -zuteilung?
Ich als Labelbossin des ersten offiziell sexistischen Musiklabels habe knallhart alle Entscheidungen getroffen. Kochkraft haben erst noch bisschen über „Mein schöner Hodensack“ gejammert, aber es gibt möglicherweise keine bessere Waffe gegen das Patriarchat. Kleiner Scherz. Alle durften das covern, was sie wollten, die einzige Regel war, dass jeder Song nur einmal gecovert wird. Wobei das auch ein witziger Sampler wäre, alle covern „Welcome to Paradise“ von Green Day.

Wird es weitere Projekte in solche Richtungen geben bzw. sind aus dem Sampler Kooperationen oder weitere Projekte entstanden und kannst Du uns was darüber erzählt. Wir arbeiten grade am Cock Am Ring Festival! Das findet am 10.und 11. September auf allen drei Bühnen der Sputnikhalle in Münster statt und wird fett! Mit ganz viel buntem Beiwerk (@Linus Volkmann, wir schreiben Dich auf die Gästeliste!) wie Talks, Workshops, Rüschenplüsch Kostümverleih, Glitzer, Schischipupu, Awarnessinsel und eben ganz tollen Acts vom Sampler!

Was wird es in der kommenden Zeit neues bei Ladies & Ladys geben?
Das ist auch für mich immer eine Überraschung! Aktuell suchen wir aber (ehrenamtliche) Unterstützung für die ganze direkte und indirekte Labelarbeit. Also meldet Euch gern bei uns.

Wenn Du drei Wünsche freihättest, was würdest Du Dir wünsche bzw. was sollte sich verändern? Ich wünsche mir nur Gesundheit, das ist das allerwichtigste. Wenn ich etwas ändern dürfte, dann würde ich ändern, dass das Geld der Musikindustrie bei denen ankommt, die gute Musik machen. Das Gleiche sagt auch die andere Johanna nur mit folgenden Worten: Instagram entmachten, musikalische Umerziehung der Welt, 70 % der Radiomoderatoren entlassen und Neue einstellen + mehr Geld generell —> wir nehmen also ab sofort Spenden via Paypal an.