Warum sollen eigentlich nur die Erwachsenen Spaß auf Konzerten haben? Statt Mittagsschlaf und Spielplatzdate geht es an diesem Sonntagnachmittag ins Béi Ché Heinz, denn Dominik Scherer aka Jonny Karacho hat sich vorgenommen, den Kindern in Hannover zu zeigen, wie Punkrock (ab)geht. Der Name ist Programm und auch die Erwachsenen bekommen die Möglichkeit, die eingestaubten Punkrock Kenntnisse aufzufrischen.
Backstage Party
Als wir den Heinzkeller betreten, hat sich eine kleine Traube von Kindern vor der Bühne versammelt und ist mit einigen Leuten im Gespräch. Wir gesellen uns dazu und stellen fest, dass die Band eine kleine Einführung in den Aufbau und den Ablauf eines Konzerts gibt: Instrumente, Verstärker, Tontechnik – alles wird geduldig kindgerecht erklärt und schürt die Aufregung. Natürlich darf der Backstageraum nicht fehlen! Dort angekommen gibt Jonny die erste Strophe eines seiner Songs zur Einstimmung mit der Akustikgitarre wieder. Alle schnappen sich noch eine Waffel to go, denn in wenigen Minuten geht es los.
Wie ein Boomerang
Die Hälfte des erschienen Publikums läuft sich bereits warm, die andere wartet geduldig bei den Eltern und nippt an der Saftschorle. Plötzlich verstummen die im Hintergrund laufenden Kinderzimmerhits und die ersten Beats von „Boomerang“ ertönen. Ähm, wie bitte? Richtig gehört, denn zum großen Vergnügen aller (vor allem der Eltern) springen die Bandmitglieder auf die Bühne und legen eine Choreografie hin, die Jasmin Wagner neidisch machen sollte. Alle 3 sind mit Partyknallern bewaffnet, welche Sekunden später für einen Konfettiregen und den Sturm auf die vorderen Reihen sorgen. Nach einer kurzen Begrüßung starten wir mit den ska-lastigen Hits „Ein Tag im Zoo“ und dem Geschwisterkindern gewidmeten „Mein Brudi“, die es quasi unmöglich machen, sich nicht zu bewegen. Die anfangs schüchternen kleinen Zuschauer kommen langsam in Fahrt und beginnen zögerlich zu springen.
Bildergalerie: Jonny Karacho
Wie geht nochmal Punkrock?
Das Frankfurter Trio hat eine Mission: Sie wollen den Kindern den Punkrock nah bringen, was am Ende mit einer Urkunde belohnt wird. Wow, eine Urkunde! Diese Ansage sorgt für große Kinderaugen. Doch was gehört eigentlich zu einem guten Punkkonzert? Den ein oder anderen Bestandteil haben sicher auch die Erwachsenen inzwischen vergessen. Jonny und seine Band erklären wie das abläuft:
1. Stagediven. Es ist beinahe zu hören, wie den Eltern im Raum die Kinnlade runter fällt. Jonny belässt es aber lediglich bei einem Sprung von der Bühne. Aufatmen.
2. Pogo tanzen.
3. Laut mitsingen.
Die Disziplinen werden im nächsten Song „Mamamachma“ auf die Probe gestellt. Neben den witzigen Texten fällt vor allem auf, wie gut die Band ihre Instrumente beherrscht und miteinander agiert. Mehrstimmiger Gesang, komplexe Bassläufe, tolle Melodien – das Zuhören macht Spaß und die Beine bewegen sich von allein.
Stagediven und Demonstrieren
Das Stagediven wird doch noch ein Bestandteil des Nachmittags, denn es hat sich ein freiwilliger Unfreiwilliger gefunden: Ein großer Teddy im ZSK Shirt, welcher schon einige Runden auf Tour gedreht hat. Nach Erläuterung der Funktionsweise eines Stagedives geht es im Ramones-typischen „1-2-3-4!“ los und der Teddy begibt sich auf die Reise, unterstützt vom ausgelassenen Kreischen und Lachen der Kinder. Auf die Idee muss man erst mal kommen!
Die akustische Einlage „Keine Märchen“ fährt die Gemüter ein wenig runter und sorgt für eine willkommene Abwechslung zwischen den Songs. Von aufkommender Gemütlichkeit kann jedoch keine Rede sein, denn nun erfolgt ein Schnupperkurs zum Thema: Wie demonstriert man richtig? Ganz einfach: Grimmig gucken, die Faust in die Höhe strecken und laut schreien. Die Menge verwandelt sich umgehend in einen kleinen Demonstrationszug, schnappt sich die zur Verfügung gestellten Protestschilder und verkündet lautstark: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“. Der Fridays for Future Slogan wird direkt musikalisch von der Band begleitet, um den kleinen Protestmarsch zu unterstützen.
Gute Musik, klasse Show
Während der nächsten Songs steht wirklich niemand mehr still. Kleine sowie große Punkrockmenschen tanzen, lachen und singen gemeinsam Texte, welche liebevoll und frech zugleich auf die Kinder zugeschnitten sind. Dazu gehören zum Beispiel das (Nicht)Einladen zum Geburtstag oder: Warum dürfen alle anderen das und ich nicht?
Kleine Einlagen wie ein Stopptanz und die stetige Animation der Band garantieren, dass es nicht langweilig wird, bis sich die Show dem Ende zuneigt. Zum großen Finale dürfen alle Kinder auf die Bühne kommen, um gemeinsam den „Pipitanz“ abzufeiern und das Spektakel von der anderen Seite zu erleben. Plötzlich stehen nur noch vereinzelte Erwachsene im Raum. Jonny Karacho lassen sich davon nicht irritieren und spielen nach tosendem Applaus noch eine Zugabe.
Punkrock für alle
Mit dem abschließenden Sprung von der Bühne wurde jede Disziplin erfüllt und die begehrten Urkunden werden nebst Autogrammen verteilt. Es ist Zeit den Heimweg anzutreten und in mehreren Ecken wird kraftvoll protestiert, weil es noch nicht vorbei sein soll!
Wir wünschen uns, dass es zukünftig mehr solche Veranstaltungen gibt. Jonny Karacho stellen mit ihrer Musik nicht nur unter Beweis, dass sich Punkrock und Familie verbinden lassen, sondern verdeutlichen, wie viel Freude die Musik den Kindern gibt, vor allem wenn man sie gemeinsam erlebt.
Dementsprechend bleibt folgendes zu sagen: Punks Not Dead! Oder wie wir spätestens seit der Band North Alone wissen: Punk Is Dad (& Mum of course)!