Rogers, Marathonmann und Engst in Bremen

Rogers am 19.04.2019 live im Schlachthof in Bremen
Foto: Sarah Fass

Diesen Karfreitag wird in Bremen dem Tanzverbot getrotzt. Aber mal ehrlich, ist ‚tanzen‘ nicht auch ein bisschen Definitionssache? Einen feierlichen Anlass gibt es jedenfalls: Rogers laden im ausverkauften Schlachthof zu ihrer bisher größten Headliner-Show ein. Marathonmann aus München und Engst aus Berlin als Support, versprechen einen spannenden Abend. Und der kann in der Kesselhalle gebührend zelebriert werden, das Bremer Publikum scheint immerhin gespannt. Wer nämlich um 19.00 Uhr, zu Einlass-Beginn, das Schlachthof-Gelände betritt, der sieht vor dem Eingang bereits eine ordentliche Schlange, wie sie für dieses Venue nicht unbedingt üblich ist. Nebenbei holen sich andere Besucher noch ein Bierchen von der Bar, die auch vor dem Schlachthof Dank des guten Wetters heute Abend geöffnet hat.
Während also die einen draußen noch warten, gemütlich etwas trinken und sich unterhalten zieht es die ersten Schaulustigen bereits nach drinnen, um sich noch einen guten Platz zu sichern, bevor es um 20.00 Uhr losgehen soll. Auch Viva con Agua sind schon zugegen, die heute wieder Becherpfand für den guten Zweck sammeln.

„Das war wirklich der Wahnsinn, das wird in die Bandgeschichte eingehen!“

Zuschauerchöre und Pits von Anfang an

Im Hintergrund sind leise die Klänge von Halestorm und Rise Against zu hören, die teils von regen Gesprächen übertönt werden. Schnell sind alle Sitzplätze in der Kesselhalle vergeben und auch vor der Bühnebildet sich eine klare Linie, die gespannt auf den ersten Act des Abends wartet. Hier und da sieht man zwischen Rogers und Marathonmann auch Shirts mit dem Logo von Engst, die den Abend heute eröffnen sollen. Etwa 20 Minuten später als angesetzt geht es dann auch los. Nachdem sich der Saal kurz verdunkelt, treten die vier Musiker der Band Engst auf die golden beleuchtete Bühne. Eine kurze Vorstellung, dann geht es mit dem ersten Song „Fremdes Elend“, gefolgt von „Morgen geht die Welt unter“ los. Beide auf dem 2018er erschienen „Flächenbrand“, dem Debütalbum der Band. Spätestens beim zweiten Titel gibt es für das Bremer Publikum kein Halten mehr. Es wird lautstark mitgesungen und ab der dritten Reihe bildet sich mittig ein kleiner Pit, der sich im Laufe des Sets immer weiter ausbreiten wird. Dabei wird ganz selbstverständlich aufgehoben wer fällt und in den meisten Fällen auch mal über die Schulter geschaut, wenn man versehentlich irgendwo gegen stolpert.

„Ihr seid jetzt schon krasser, als der ganze Rest der Tour!“

„Es ist so geil, dass Ihr bei der ersten Band schon so abgeht!“ freut sich Sänger Matthias und auch dem Rest der Band sieht man den Spaß deutlich an. Nebenbei wird hier und da ein Witz erzählt und die Stimmung im Saal ist ausgelassen. Immer wieder werden die Podeste auf der Bühne erklommen und das Mikrofon findet seinen Weg bei nahezu jedem Refrain Richtung Publikum. Die werden von Anfang bis Ende zuverlässig von einem Zuschauerchor unterstützt. Der Pit, der sich zu Anfang noch auf die Mitte beschränkte nimmt zum Ende hin nahezu die gesamte Fläche vor der Bühne ein. Engst zeigen sich begeistert und dankbar für die rege Beteiligung und bringen das auch immer wieder zum Ausdruck. „Ihr seid jetzt schon krasser, als der ganze Rest der Tour!“ wird das Bremer Publikum gelobt. Zu „König“ finden sich dann sogar die ersten Crowdsurfer. Die bekommen kurz darauf noch eine kleine Verschnaufpause, als Engst um 21.00 Uhr unter tosendem Applaus ihr Set beenden.

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Der Pit macht genau dort weiter, wo er bei Engst aufgehört hat

Etwa zehn Minuten später wird es schon wieder Dunkel in der Kesselhalle. Ein letzter Song, während sich die Bühne in blaues Licht hüllt und das Marathonmann-Banner im Hintergrund durch den Nebel hinweg beleuchtet wird. Kurz darauf erscheinen dann eben diese auf dem Parkett. „Bremen, macht mal Lärm!“, grüßt der Sänger Michi Lettner die Besucher, die dieser Aufforderung prompt nachkommen. Lauter Jubel für Marathonmann, dann wird in die Saiten gehauen und mit „Die Stadt gehört den Besten“ der erste Titel des Sets zum Besten gegeben. Auch hier ist das Publikum wieder von Beginn an mit dabei und singt fleißig mit, der Pit macht genau dort weiter, wo er bei Engst aufgehört hat. Auch die Münchner laden immer wieder zum Mitmachen ein und loben fleißig die motivierten Zuschauer. Der Bühnenaufbau wird ausgiebig genutzt, sodass nicht nur davor ordentlich getobt wird. „Schachmatt“, der neuste Streich des Quartetts, wird ebenso sicher mitgesungen, wie die älteren Songs und von Applaus begrüßt.

„Gute Freunde, ganz viel Vertrauen, keine Idioten. Leute, die ihren Kopf benutzen, die ihr Herz benutzen… das ist wichtig.“

Insgesamt ist die Stimmung im Saal gut und scheint stetig weiter hochzukochen. Das Publikum wird von der Band dirigiert und macht jeden Spaß mit, der vorgeschlagen wird. Dazu gehört natürlich auch das obligatorische Springen aus der Hocke, woran sich die gesamte Halle beteiligt, einschließlich der Bänke – die heute ohnehin nur zum Stehen benutzt werden. „Bremen, seid ihr bereit komplett auszurasten?! Dann tut es jetzt!“ fordert der Frontmann und bekommt seinen Wunsch erfüllt. Schließlich neigt sich jedoch auch für Marathonmann die Zeit dem Ende zu. Nach Song-Widmungen für die Tour-Kollegen geht nun noch ein Song an das Publikum, oder viel mehr den gesamten Abend, wie der Sänger verkündet: „Wir verabschieden uns mit einem Song, der genau zu dem hier passt, was hier stattfindet. Gute Freunde, ganz viel Vertrauen, keine Idioten. Leute, die ihren Kopf benutzen, die ihr Herz benutzen… das ist wichtig. Bleibt wie Ihr seid, kommt weiterhin auf Konzerte, unterstützt alle und ganz wichtig, Viva Con Aqua, schmeißt Eure Becher rein! Wir sind Marathonmann, werden wir auch immer bleiben und das nächste und letzte Lied heißt Holzschwert! Bis bald, Bremen!“ Danach verabschiedet sich die Band letztlich von der Bühne, ebenso begleitet von einer jubelnden Menge.

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Bis in die Ränge steht niemand mehr still

Um 22.10 Uhr ist es dann Zeit für den Headliner des Abends. Während sich zu „Kickstart My Heart“ von Mötley Crüe langsam die Lichter verdunkeln ertönt anschließend die „Bro Hymn“ von Pennywise, die von den Konzertbesuchern lautstark mitgegrölt wird. Darauf betreten Rogers die Bühne, die ohne große Umschweife mit „Mittelfinger für immer“ ihr Set eröffnen. Irgendwie schafft es das Bremer Publikum immer noch eine Schippe draufzulegen und nun steht bis ganz oben auf den Rängen niemand mehr still. Manche wippen bloß im Takt mit, andere sind am Tanzen, während der Pit unten mit Ausnahme der ersten Reihe nunmehr die gesamte Fläche vor der Bühne einnimmt. „Leck mich am Arsch, was ist das für eine geile Kulisse?!“ staunt Frontmann Chri zwischen den Songs, ehe es mit „Einen Scheiß muss ich“ auch schon weitergeht. Es folgt „Zu spät“, ebenfalls vom aktuellen Album „Mittelfinger für immer“, das auch der Tour ihren Namen gegeben hat.

„Davon erzähl‘ ich erstmal meiner Mutter, wenn ich wieder zuhause bin!“

Ein paar ausschweifend gefeierte Lieder später wendet sich Chri wieder an das Publikum, bei dem er sich ausgiebig bedankt. Wobei er auch erwähnt, dass es Tage gibt, an denen man sich als Künstler eben nicht so bestätigt fühlt und daraus resultieren Songs wie „Wo gehör‘ ich hin“, welcher nach dieser Überleitung angespielt wird. Anschließend sind „Ganz nach Oben“ und nach einer weiteren kleinen Anekdote „Geh mir nicht mehr auf die Eier“ an der Reihe. Für vereinzelte Songs werden dann auch noch die Sänger der Supports auf die Bühne geholt, um gesangliche Unterstützung zu bieten. Immer wieder sieht man die Band begeistert von der Menge und der Beteiligung, die ihnen entgegen kommt. „Leck mich am Arsch, davon erzähl‘ ich erstmal meiner Mutter, wenn ich wieder zuhause bin!“ versucht der Sänger seinen Eindruck in Worte zu fassen.

Kleine Pannen und große Chöre

Zwischendurch gibt es dann noch kleinere technische Pannen – wie es eben auch irgendwie sein muss, wenn man die größte Show der bisherigen Bandkarriere spielt. Passend zum Akustik-Song des Abends fällt ein Teil der Elektronik aus. Die Band nimmt es mit Humor und das Bremer Publikum gelassen. Nach allgemeiner Aufforderung aus der Menge, setzt sich diese schließlich hin und lauscht gebannt der Stimme von Chri, der im Einklang mit seiner Gitarre ein paar ruhigere Töne anstimmt, ehe es genauso energiegeladen wie zuvor weitergeht. „Die Nachbarn von Oben“ laden, ebenfalls von einer kleinen Geschichte zur Ankündigung begleitet, zum Feiern und Mitsingen ein.

„Ausziehen!“

„Bremen! Behaltet dieses wahnsinnige Konzert in Erinnerung, wir behalten es auch in Erinnerung, ok?!“ ruft der Sänger, während schon die ersten Töne von „Vergiss nie“ angespielt werden. Danach folgt eine zwangsläufig längere Pause. „Liebe Freunde, Ihr habt’s geschafft! Ihr habt unseren Laptop kaputt bekommen.“ scherzt der Frontmann, während im Hintergrund daran gewerkelt wird, eben diesen wieder zum Laufen zu bekommen. „Ausziehen!“ verlangt das Publikum und bringt die Band damit zum Lachen. „Ja, der Laptop soll sich ausziehen, finde ich auch! So ist das, wenn man nur Playback spielt, schon scheiße.“ kontert Chri, während die Elektronik sich nun doch entscheidet, wieder mitzuspielen.

Ein unvergesslicher Abend

Nun geht es weiter mit „Augen auf“, ein paar weitere Lieder später ist dann auch das Set von Rogers langsam vorbei. „Bremen, vielen vielen Dank für diesen unvergesslichen Abend, Dankeschön!“ kommt es ein letztes Mal, bevor sich die Musiker von der Bühne verabschieden. Nicht für lang, denn es wird deutlich nach einer Zugabe gefordert, die Rogers dem Schlachthof natürlich gerne bieten.

„Wir waren, sind und werden für immer sein.“

„Nie euer Land“ wird noch einmal ausgiebig gefeiert und auf beiden Seiten werden die letzten Energiereserven verbraucht. „Habt ihr noch Kraft in euren Lungen?!“ fragt der Sänger und bekommt zu „Allein“ als Antwort einen Chor geschenkt. „Das war wirklich der Wahnsinn, das wird in die Bandgeschichte eingehen!“ strahlt er. „Das werden wir so schnell nicht vergessen. Wir waren, sind und werden für immer sein: Rogers aus Düsseldorf!“ bedankt und verabschiedet sich die Band ein letztes Mal und entlässt das Bremer Publikum mit „Einen letzten Abend“ in eine milde Freitag Nacht.

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