Ingo Donot von den Donots im Interview

Ingo Donots, Donots
Foto: Dennis Dirksen

Ihr habt Euch spontan dazu entschieden, die Veröffentlichung von „Lauter Als Bomben“ (KreuzverHör) auf dem Gelände des ehemaligen Undergrounds in Köln zu feiern. Was verbindet Ihr mit dem Laden und welche Emotionen entstehen, wenn so eine Spontanidee im wahrsten Sinne des Wortes einschlägt, wie eine Bombe?

Ingo Donot: Genau, wir hatten uns am Tag vor dem Release für ein paar Radiointerviews in Köln getroffen und vier Stunden vor Mitternacht festgestellt, dass wir gar keine wirkliche Release-Party zur Platte geplant hatten. Dann haben wir einfach über den Äther und die sozialen Netzwerke rausgehauen, dass wir uns auf dem Heliosgelände in Ehrenfeld für ein letztes, letztes Underground-Konzert treffen würden, bewaffnet mit Akustikgitarren und ein paar Kisten Bier. Wir hatten mit 20 oder 30 versprengten Gestalten gerechnet. Dass dann am Ende mehrere hundert Leute, ein Großaufgebot des Ordnungsamts und die Bullen eher vor Ort waren als wir, ist schon unfassbar. Das sind dann so Momente, in denen man weiß, warum man das Ganze jetzt schon so lange macht und machen darf… Mit dem Underground selbst verbinden wir unzählige tolle Abende als Konzertgänger und auf eigenen Shows. Ich glaube, Ende der 90er haben wir das erste Mal dort gespielt, auf Tour mit den Beatsteaks. Schon schade, wenn so ein legendärer Club abgerissen wird. Wobei in diesem Fall zumindest sinnvollerweise für eine Schule Platz gemacht wurde.

„Die klassische Donots Schnapsidee, die sich in der Kürze der Planung realistisch eigentlich überhaupt nicht umsetzen lässt“

Müsstet Ihr den Abend mit einem Songtitel zitieren, welcher wäre das?

Ingo Donot: Dann wäre der Abend wohl am besten mit dem letzten Song unseres neuen Albums, nämlich „Heute Pläne, Morgen Konfetti“ zu beschreiben. Die klassische Donots Schnapsidee, die sich in der Kürze der Planung realistisch eigentlich überhaupt nicht umsetzen lässt, dann aber trotzdem einfach durchgezogen wird – mit dem Ergebnis, dass mehrere hundert Leute auf einmal auf den Trümmern des Underground stehen, eine großartige gemeinsame Zeit haben und jeder einzelne dazu beiträgt, dass das Ganze dann doch eine runde Sache wird, inklusive Bengalos und Konfettikanonen!

Wie entstand die Idee des Namens „Lauter als Bomben“ und wie kamt Ihr auf das unfassbar viele Gelb?

Ingo Donot: Ich finde seit jeher den Albumtitel „Louder Than Bombs“ von den Smiths genial und hatte davon so oft einen Ohrwurm, dass ich es irgendwie charmant fand, das Ganze zu übersetzen und in die heutige Zeit zu beamen. Der Titel mag plakativ sein, aber Zeiten wie diese rechtfertigen solche Slogans, die Menschen in positiver Wut einen sollen. Und eine Signalfarbe wie Gelb tut dann ihr Übriges.

„Louder than bombs“? Werdet Ihr „Lauter als Bomben“ wie „Karacho“ ins Englische transportieren?

Ingo Donot: Ich habe die Texte in der Tat beim Schreiben schon simultan ins Englische übersetzt, aber seit dem Sommer 2017 nicht mehr angeschaut. Wir wollen die Platte gerne für weitere Touren in USA, Japan und Co gerne nochmal re-recorden in unserem eigenen Studio, haben aber einfach noch keine Zeit gefunden, das zu tun. Die Labelarbeit nimmt von den Lebenden, hehe…

Donots Lauter als Bomben Artwork

Donots
Lauter als Bomben

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Gibt es einen Song auf „Lauter Als Bomben“ der Euch so richtig fesselt oder ist das als hätte man einen großen Haufen Kinder – man mag sie alle gleich gern?

Ingo Donot: Man ist auf die Summe UND die einzelnen Teile stolz. Allein das Album-Entrée mit „Geschichten Vom Boden“, „Keiner Kommt Hier Lebend Raus“ und „Rauschen“(News) macht uns sehr, sehr stolz und lässt die Vorfreude auf die Clubtour im Februar und März ins Unermessliche steigen. Unser Lieblingssong beim Proben derzeit ist „Gegenwindsurfen“. Der knallt, ist knackig und kompakt und hat Jan Windmeier von Turbostaat als Gastsänger dabei (News). Geht kaum besser!

Wird man Euch live auch mal gemeinsam sehen können? Wie sieht eigentlich der Sommer der Donots aus?

Ingo Donot: Fänd‘ ich ja geil. Ich hoffe, dass wir den Sommer irgendwo mal mit Turbostaat zusammenspielen. Mal sehen. Das Sommer-Booking läuft noch auf Hochtouren und wir haben schon einige sehr schöne Festivals bestätigt bekommen. Freuen uns sehr auf Hurricane/Southside, Novarock und so!

„Gerade in schlechten Zeiten ist das Wissen um die guten Momente, um den Rückhalt, den Familie und Freunde einem geben, unbezahlbar“

Euer aktuelles Album wirkt im Vergleich zu seinen Vorgängern maximal optimistisch, aber auch politisch und gesellschaftskritisch sehr zielgerichtet auf den Punkt. Wie würdet Ihr diese Entwicklung beschreiben?

Ingo Donot: Wir wollten nach der Dauer-Entsage auf „Karacho“, nach dem „Nein-Album“, etwas positiver und optimistischer schreiben und ein Album abliefern, dass eher „Ja, aber…“ sagt. Es gibt weiterhin eine Menge Dinge, die beim Namen genannt werden müssen, egal, ob man das nun politisch oder sozialkritisch nennen mag. Aber wir sind natürlich trotzdem keine verbitterten Menschen und das merken die Leute ja auch hoffentlich, die zu unseren Shows kommen. Gerade in schlechten Zeiten ist das Wissen um die guten Momente, um den Rückhalt, den Familie und Freunde einem geben, unbezahlbar. Und auch das sagt „Lauter Als Bomben“.

Apropos „Karacho“: Es scheint eine Verknüpfung zwischen dem Video zu „Problem kein Problem“ und dem Titel „Whatever Forever“ – der auch auf dem Albumcover zu finden ist – zu geben. Erzähl mal.

Ingo Donot: Sehr gut beobachtet, Chapeau! Wir haben das „Problem Kein Problem“ Video in Barcelona gedreht und dabei auf einer Hauswand ein Graffiti entdeckt mit einer Sprechblase, die „Whatever Forever“ sagt. Das fand ich eine so gute Antitüde, dass ich mir das direkt aufgeschrieben habe, um daraus einen Song zu machen. Ich mag es total, wenn es solche kleine Gimmicks und „Selbstreferenzen“ im Portfolio einer Band gibt.

„Die Augenringe reichen plötzlich bis zur Brust, die Stirnfalten sind so tief, dass man sich die Mütze auf den Kopf schrauben könnte, das Blut wird gegen Kaffee ausgetauscht…“

 Was verändert sich, wenn man eine Platte selbst produziert und auf dem eigenen Label veröffentlicht?

Ingo Donot: Die Augenringe reichen plötzlich bis zur Brust, die Stirnfalten sind so tief, dass man sich die Mütze auf den Kopf schrauben könnte, das Blut wird gegen Kaffee ausgetauscht, aber man steht so dermaßen gerade und stolz dabei, wenn man was aus dem eigenen Stand erreicht. Will sagen: Der Workload ist natürlich viel mehr, aber es macht so unendlich glücklich, wenn Du mit Deinen eigenen kleinen Mitteln, ohne großes finanzielles Backing beziehungsweise mit großem finanziellen privaten Risiko und einfach nur viel Liebe zum Detail in so einen Release reinstolperst und dann von 0 auf 4 in die Albumcharts knallst – dem höchsten Chart Entry für uns in der Geschichte der Donots. Man hat viel mehr Verantwortung, aber eben auch viel mehr Freiheiten, die Veröffentlichung so zu gestalten und zu lenken, dass es die Band bestmöglich widerspiegelt.

Bevor Ihr die Songs aufgenommen habt, habt Ihr Euch Titel der Künstler gegenseitig vorgespielt, die Euch stark beeinflussten. Welche Veränderung bringt das für den Aufnahmeprozess?

Ingo Donot: Genau, das ist mittlerweile ein veritables Mittel, um einen Recording-Tag perfekt zu starten. Man ist im besten Falle sehr inspiriert und hat etwas, worüber man direkt diskutieren kann, um am Ende bestenfalls etwas davon zu lernen und auf das eigene Songwriting anzuwenden. Überhaupt analysieren wir gerne, was andere Bands machen, um damit wiederum unsere eigenen Trademarks nochmal weiter nach vorne zu bringen. Das kann in endlosen Listening-Sessions enden, aber auch das macht riesigen Spaß – man nimmt sich viel zu wenig Zeit, um in der Musikhistorie rumzuwilder.

Welche Musik läuft bei Dir denn aktuell rauf und runter und welche war die erste Platte, die Du je gekauft hast?

Ingo Donot: Ich steh derzeit immer noch hart auf die aktuelle Kreator, die neue Fjort, das Album von Leoniden, die wir ja neben ZSK und Matze Rossi auch mit auf unserer Clubtour im Frühjahr als Support dabei haben, Shame aus England, die neue Cannibal Corpse und auch auf Wiedervorlage voll geil: „Situationist Comedy“ von Dillinger Four! Was eine geile Punkrock-Scheibe! Meine erste selbstgekaufte Platte: Helloween – Keeper Of The Seven Keys, Part 1. Geht definitiv schlechter!

„Ich mag die Vielschichtigkeit der Szene derzeit. Lediglich das klassische „Ich bin mehr Punk als Du“-Spielchen geht mir seit jeher und immer noch auf den Sack“

Was bedeutet Punk: Was darf er und was darf er nicht und wie beobachtet Ihr die Veränderung in der Szene?

Ingo Donot: Das Schöne am Punk: Punk darf alles, kann unendlich viel und muss dabei aber nichts. Ich liebe es, dass ein jeder mit kleinsten Mitteln einen guten Beitrag für ein positives und doch auch wütendes Miteinander leisten kann, dass Dinge in Frage gestellt werden und dass einfach sinnvolle Akzente und Gegenentwürfe geliefert werden. Das ist genau so sehr ein Zuhause neben dem Mainstream wie auch ein rastloses Immer-Auf-Dem-Weg-Sein. Ich mag die Vielschichtigkeit der Szene derzeit. Lediglich das klassische „Ich bin mehr Punk als Du“-Spielchen geht mir seit jeher und immer noch auf den Sack. Wenn sich Leute eher über Szene-Etikette echauffieren als über den Ist-Zustand da draußen und die Feindbilder lieber in den eigenen Reihen etablieren, dann halte ich das für ziemlich eitel, elitär und schlicht und ergreifend blödsinnig.

Stichwort Politik: Was fällt Dir dazu spontan ein?

Ingo Donot: Kann man wohl am besten mit einer aktuellen Fjort-Textzeile beschreiben: „Ich habe 1933 Gründe, schwarz zu sehen“. Aber hey: Reagan and Thatcher years = great punk years!

Das letzte Wort hast Du!

Ingo Donot: Nee nee, das sollten immer die Ramones haben. In diesem Sinne: I believe in miracles! Danke für das Interview!

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