Turbostaat zelebrieren mit ihrem Livealbum „Nachtbrot“ ihr 20-jähriges Bandjubiläum. Mit einer ordentlichen Portion Skepsis, gegenüber Livealben im Allgemeinen, widmen sich Archi und Maria der Platte. Ob der elektrisierende Funke der Shows der Flensburger auf die beiden überspringt, erfahrt Ihr in unserem KreuzverHör.
„Ein Sammlerstück, dass sicher nicht nur den Besuchern der Leipzig-Shows, sondern allen Fans nahe geht.“
Von überwältigend bis „alles versaut“ gibt es meist nichts, was nicht möglich ist
Maria: Livealben sind ja immer so eine Sache – von überwältigend bis „alles versaut“ gibt es meist nichts, was nicht möglich ist. Pünktlich zu ihrem 20-jährigen Bandjubiläum liefern Turbostaat nun mit “Nachtbrot” das erste Livealbum und ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich im Vorfeld eine Weile gebraucht habe mich ranzutrauen. Wie ging es dir denn mit der Ankündigung der Liveplatte?
Archi: Die Frage müssen wir etwas früher ansetzen und sie muss lauten „Wie geht es dir mit Turbostaat?“ Die Antwort darauf ist, dass ich immer gesagt habe, dass das eine Band ist, um die sich mein „Zukunfts-Ich“ kümmern soll – also brauche ich schon eine Weile, um mich generell an die Band ranzutrauen. Aber Turbostaat haben mich immer irgendwie interessiert und ich hab’s verfolgt, aber hab mich nie bereit dafür gefühlt. Dann kam die letzte Platte „Abalonia“ und ich habe sie ein paar Mal live gesehen und nun also, als Krönung, das Livealbum „Nachtbrot“.
Maria: Ui, das wird spannend.
Archi: Mitschnitte von Livekonzerten sind ja oft in erster Linie „Best-Of´s mit Mehrwert“ würde ich sagen. Aber ich sehe das Konzept selbst auch kritisch – da kann man als Band echt viel falsch machen, denn ein Album spiegelt selbst im allerbesten Fall nur die Hälfte eines Konzerts wieder (und die andere Hälfte ist bei Turbostaat definitiv nicht zu unterschätzen).
Eine Band, die ich bisher nicht „einfach nur gut finden“ konnte
Maria: Da bin ich, wenn auch mit einer kleinen Korrektur, ganz bei Dir. Ich finde ja, dass die Dynamik zwischen den Flensburgern und ihrem Publikum einfach unfassbar packend ist, was tatsächlich auch direkt mein Manko an der Platte beschreibt – das Ohr sieht nicht, was das Auge hört. Ich weiß gar nicht genau, wie oft ich Turbostaat mittlerweile gesehen habe und ich war jedes Mal von dieser -ab der wirklich ersten Sekunde- überspringenden Energie überwältigt. Mit solchen Erinnerungen im Rucksack hat mir der Opener “Rupert Grün” allerdings direkt Gänsehaut spendiert und die Vorfreude auf die Show am 16. März im Kulturzentrum Faust geweckt. Wenn man bedenkt, dass wir hier eine Live-Zusammenfassung der letzten 20 Bandjahre vor uns haben, ist es ja auch tatsächlich am Ende ein Best-Of-Album. Was heißt eigentlich „…nie bereit dafür gefühlt“?
Archi: Nunja, Turbostaat ist für mich eine Band, die ich bisher nicht „einfach nur gut finden“ konnte, sondern es mir immer vorgenommen habe, mich eingehender mit ihnen zu beschäftigen, um sie dann vermutlich gut zu finden. Schwer zu beschreiben. Habe ich auch bei wenigen Bands. Und das, was du als Manko beschreibst (und was ich definitiv unterschreibe), zieht für mich ein weiteres Manko einher, was andere evtl. auch als positiv auslegen könnten: Die Tonspur mit dem Publikum ist schon sehr, sehr markant auf dieser Platte – sicher um einerseits die Stimmung und Energie einzufangen, aber für mich ist dieser Mix ein bisschen „over the top“.
Turbostaat ist eben mehr als eine Band, die aus fünf Musikern besteht – das spürt man bei allem, was sie machen.
Maria: Besonders direkt zu Beginn ist mir das auch aufgefallen und ich komme einfach nicht drauf, an was genau mich dieser Applaus erinnert. Ich frage mich auch bei jeder Runde hören, ob das an meiner Anlage liegt und verfälscht wird, oder ob es wirklich so klingt, wie es klingt. Aber bleiben wir doch gleich mal beim Publikum. Hier gibt es nämlich auch definitiv was hervorzuheben. Die Band hat jeden einzelnen Besucher der drei Shows im Conne Island in Leipzig in ihrem 60-seitigem Booklet festgehalten – was nun meine eingangs erwähnte Wahrnehmung voll und ganz bestätigt. Das muss man nicht nur erst mal machen, daran muss man Denken und es vor allem auch wollen. Macht die Turbostaaten für mich noch sympathischer und die Herren stammen eben – genau, wie es die Presseinfo sagt – aus einer Szene, in der das Agieren auf Augenhöhe Teil der Definition von Punk ist. Punkt!
Archi: Turbostaat ist eben mehr als eine Band, die aus fünf Musikern besteht – das spürt man bei allem, was sie machen. So ist “Nachtbrot” auch mehr als ein Livealbum – es kommt als eine Platte mit liebevoll gestalteten Booklet und einem phantastischen Artwork daher und fasst die mittlerweile 20 Jahre Turbostaat mit vielen neuen und alten Fotos, Tourplakaten und anderen Erinnerungen zusammen. Dazu gehört auch ein Querschnitt durch all die ganzen Jahre der Band – angefangen bei „18:09 Uhr. Mist, verlaufen“ von 1999 bis zum 2018er Dellow Cover „Kriechkotze“. Ein Sammlerstück, dass sicher nicht nur den Besuchern der Leipzig-Shows, sondern allen Fans nahe geht.
Auf 20 Jahre Turbostaat!
Maria: Da bleibt mir fast nichts mehr zu sagen, außer dass Turbostaat am 16. März 2019 im Kulturzentrum Faust zu Gast sind. Zuletzt habe ich die Flensburger in der Glocksee gesehen, das wird jetzt eine Nummer größer werden, spiegelt aber auch deutlich die von der Band eigens beschriebene Entwicklung seit den Anfängen: „Wir wollten gemeinsam etwas erleben, ein paar Shows spielen und mit etwas Glück würde uns jemand dabei zuhören – und verdammt, wir hatten Glück. Es wurde ein x-beliebiges Konzert abgemacht, das Auto beladen und auf der Fahrt irgendein geiles Tape gehört. Und wenn zum Beispiel in Oerlinghausen nur sechs Zahlende waren, dann hat das für uns gar keine Rolle gespielt. Genauso wenig war es wichtig, sein Instrument vernünftig zu beherrschen. Jeder hat so gut gemacht, wie er konnte und wenn es nicht gereicht hat, wurde eben stillschweigend entschieden, dass es sehr wohl reicht.“ Am 19. Februar kommt der Fünfer übrigens ins Gloria nach Köln. Gehst du hin – konnte das Livealbum dazu etwas beitragen beziehungsweise hörst du die Band jetzt „anders“?
Archi: Auch ohne das Livealbum hätte ich überlegt hinzugehen; ich mag Turbostaat und ich mag ihre Liveshows (und ich mag das Gloria). Vielleicht kann „Nachtbrot“ bis dahin dazu beitragen, dass ich bei mehr Songs, als denen von „Abalonia“, mitsingen kann. Ich werde es noch ein paar mal auflegen, dann entscheiden und es dich natürlich wissen lassen.
Maria: Auf großartige Abende und das wir Jan noch viele Male „Danke euch, dass wir das hier machen dürfen“ sagen hören – auf 20 Jahre Turbostaat!