Die britische Pop Punk Band Boston Manor präsentiert mit „Welcome To The Neighbourhood“ ihr zweites Studioalbum. Bereits die ersten beiden Singleauskopplungen ließen vermuten, dass sich der Sound der Band rund um Frontmann Henry Cox verändert hat und deutlich düsterer daher kommt, als noch auf dem Vorgänger „Be Nothing“. Als die Veröffentlichung des neuen Werks angekündigt wurde, dauerte es nicht lange, bis Hanna und Sash sich für ein KreuzverHör verabredeten und als das Album endlich in der Redaktion eingetrudelt ist, steckten beide sofort ihre Köpfe zusammen, um sich über die neuen Songs auszutauschen. Willkommen in einem neuen KreuzverHör!
„Das neue musikalische Gesicht steht Boston Manor sehr, sehr gut, nur darf man definitiv keine Vergleiche zum alten Material ziehen. Das klappt zu, ich sag mal, 95 % überhaupt nicht“
Hanna: Das neue Boston Manor Album “Welcome To The Neighbourhood” ist definitiv eines der Alben, auf das ich mich in diesem Jahr am meisten gefreut habe. Entsprechend war ich durchaus etwas aufgeregt, als es schließlich in meinem Postfach lag. Mit “Halo” und “Bad Machine” haben Boston Manor ja bereits zwei Songs im Vorfeld veröffentlicht und ich finde, dass die Beiden ziemlich repräsentativ für das ganze Album sind: Es kommt deutlich düsterer daher, Vergleiche zu “Be Nothing” lassen sich kaum ziehen. Wir beide sind musikalisch ja durchaus auf einer Wellenlänge, Sash, deswegen interessieren mich Deine Meinung und Deine Eindrücke brennend: Was ging Dir nach dem ersten Durchlauf durch den Kopf?
Sash: Puh, um das zu beantworten, Hanna, muss ich tatsächlich mal kurz ausholen: Reisen wir doch kurz mal zurück in der Zeit. Die wundervollen Crooks UK waren gerade auf Europa-Tournee und hatten ein junge, aufstrebende Band namens Boston Manor mit im Gepäck. Die Briten spielten sich mit ihrem (damaligen) Pop-Punk und den überaus catchy Melodien (Peach State? Anyone?) direkt in mein Herz. Umso verwunderter war ich, als ich dann einige Zeit später das Nachfolger-Album “Be Nothing” in meinen Player legen durfte. Das war alles viel melancholischer, man hatte sich stark vom Pop-Punk abgewandt, nur ab und zu blitzte die Vergangenheit von Boston Manor auf. Aber das Album war nichtsdestotrotz saugut und drehte so einige Runden in meinem CD-Spieler. So, und nu genug des Exkurses, kommen wir zum neuen Werk. Schon mit “Halo” und “Bad Machine” habe ich stark vermutet, dass die Jungs hier den auf “Be Nothing” eingeschlagenen Weg nicht konsequent weitergegangen sind und meine Vermutung hat sich bestätigt. Das soll jetzt aber keinesfalls negativ klingen, denn das neue musikalische Gesicht steht Boston Manor sehr, sehr gut. Nur darf man definitiv, wie Du auch schon sagtest, keine Vergleiche zum alten Material ziehen. Das klappt zu, ich sag mal, 95 % überhaupt nicht.
Video: Boston Manor – Halo
„Dass es auch hier emotional wird, muss wohl kaum erwähnt werden. Aber genau dafür sind Boston Manor schließlich bekannt“
Hanna: Hach, um diese Show beneide ich Dich ja auch nach wie vor sehr. Was für ein Line-Up! Ich habe Boston Manor zum ersten Mal vor Four Year Strong in Hannover gesehen. Ich bin gerade angekommen, das Konzert ist just gestartet, ich hab mir ein Kaltgetränk geholt und plötzlich schoss mir durch den Kopf: “Was ist denn das für eine großartige Band?” Also ab vor die Bühne, voller Begeisterung. Ab da war es auch sofort um mich geschehen und “Be Nothing” lief – und läuft – regelmäßig rauf und runter. Ein bisschen hatte ich ja gehofft, dass sie in dieser Schiene bleiben. Aber schon zwischen der 2015er EP “Saudade” und “Be Nothing” liegt ja ein gewaltiger Unterschied. Außerdem kann man es eh niemandem recht machen: Verändert sich die Band, ist das Album nicht so wie erwartet, verändert sich die Band nicht, stagniert sie. Ich liebe “Be Nothing” sehr, wenn man aber ganz unvoreingenommen an “Welcome To The Neighbourhood” geht, ist dies wirklich ein großartiges Album geworden. Die düstere Stimmung zieht sich durch die gesamte Platte. Thematisch behandeln Boston Manor die Zukunftsangst ihrer Generation in der Heimatstadt Blackpool. Damals war die Stadt im absoluten Aufbruch, heute gibt es große Drogenprobleme und hohe Arbeitslosigkeit. Dass es auch hier emotional wird, muss wohl kaum erwähnt werden. Aber genau dafür sind Boston Manor schließlich bekannt. Hast Du Favoriten auf dem Album?
Sash: Ich hab tatsächlich so einige Favoriten auf dem Album. “Halo” fand ich schon ab Release extrem stark und “If I Can’t Have It, No One Can” find ich auch saustark. Aber am meisten hat es mir der letzte Track des Albums angetan, “The Day I Ruined Your Life”. Kein Song spiegelt die Hoffnungslosigkeit und Melancholie besser wider, als dieser Track. Boston Manor haben mit “Welcome To Our Neighbourhood” einen echten Volltreffer gelandet und ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass sie nun ihren Sound endgültig gefunden haben. Das Album wirkt wie aus einem Guss und alles passt einfach perfekt zusammen. Hanna, Du hast Dich ja wirklich seeeeehr auf das Album gefreut. Was meinst Du? Album Of The Year oder zumindest ein Anwärter oder bist Du doch ein wenig enttäuscht über die neue musikalische Ausrichtung der Jungs aus Blackpool?
„Boston Manor präsentieren sich auf ihrem neuen Werk einfach wunderbar authentisch. Man merkt klar, dass sie auf “Be Nothing” musikalisch scheinbar nicht da waren, wo sie hin wollen“
Hanna: “Halo” ist auch einer meiner absoluten Favoriten, den fand ich auch als erste Single schon sehr stark, auch wenn ich ihn mehrmals hören musste. Wusstest Du, dass es der Song beinahe nicht auf das Album geschafft hat? In der ersten Version war der Song eher schleppend und langsam, im Studio haben Boston Manor ihn noch mal überarbeitet und voilà: Ein Meisterwerk, wage ich zu behaupten! “Flowers In The Dustbin” finde ich auch großartig. Ich finde in diesem Song findet man noch einen Hauch vom alten Sound und er hebt sich durch das schnelle Tempo neben “Stick Up” noch mal von den anderen Song ab. Insgesamt ist das Album für mich definitiv eines der Alben Of The Year. Enttäuscht vom neuen Sound bin ich nicht, anfangs eher überrascht. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn “Be Nothing” weitergeführt worden wäre, aber “Welcome To The Neighbourhood” muss man einfach als ganz eigenständiges Album sehen. Ich finde, Boston Manor präsentieren sich auf ihrem neuen Werk einfach wunderbar authentisch. Man merkt klar, dass sie auf “Be Nothing” musikalisch scheinbar nicht da waren, wo sie hin wollen. Zumindest nicht zu 100 %. In Songs wie dem bereits erwähnten “Flowers In The Dustbin” oder auch “The Day I Ruined My Life” findet man diese 5 %, von denen Du bereits geredet hast. Wie sieht es bei Dir aus? Schafft es das Album in Deine Top 5?
Sash: Authentisch ist hier wirklich mehr als treffend und sowas liebe ich ja. Bestimmt gibt es zwar einige Fans, die mit der neuen musikalischen Richtung nichts mehr anfangen können, weswegen ich Dich mal so frech gefragt habe, aber gerade diese Authentizität auf der neuen Platte von Boston Manor zieht einen echt massiv in seinen Bann und lässt einen mit eisernem Griff nicht mehr los. Die Story mit “Halo” kannte ich tatsächlich nicht und jetzt würde ich gern mal die Originalversion hören. Wäre bestimmt mal interessant, aber in der jetzigen Version kann “Halo” wohl kaum noch besser werden. Ich muss tatsächlich gestehen, dass ich ein wenig Bedenken hatte, dass sich die Band etwas zu sehr in ihrem neuen Stil verrennt und das Album eher durchwachsen wird, aber die Jungs haben hier ein verdammt gutes und vor allem emotionales Album kreiert, dass auch bei mir definitiv ein Anwärter für die Top 5 ist. Kann man nur hoffen, dass die Jungs mit ihrem Album schnell auf Tour gehen. Dann stehen wir beide in der ersten Reihe und schmettern “Halo” (schief und krumm zwar) aus voller Brust, oder Hanna?
Hanna: Hahaha ja, definitiv, ich sehe es schon vor meinem inneren Auge, das wird ganz super! Ich fiebere auch schon sehnsüchtig einer Show – oder gerne auch mehreren Shows – entgegen. Das neue Album wird mit Sicherheit live noch mal eine Spur großartiger sein, als es jetzt schon auf Platte ist. Ansonsten kann ich mich Dir nur anschließen: Die Songs auf “Welcome To The Neighbourhood” sind von vorne bis hinten aufeinander abgestimmt und passen trotz ihrer individuellen Ecken und Kanten ganz hervorragend zueinander. Da haben Boston Manor definitiv ein weiteres, großartiges Werk auf den Markt gebracht!