KreuzverHör: Pascow – Jade

Am 25. Januar 2019 veröffentlichen Pascow mit „Jade“ das sechste Album. Mit dieser Platte verabschieden sich die Musiker von Codierungen und „kryptischer Scheiße“, sagt die Presseinfo. Keine ihrer Platten war inhaltlich jemals so greifbar und fokussiert. Archi und Maria schauen sich an, ob die Gimbweiler hier wirklich ein Genre verlassen, das sie in den letzten Jahren selbst prägten.

„Das Rheinland-Pfälzer Quartett liefert ab, bleibt sich treu und galoppiert dabei in vollster Selbstsicherheit der eigenen Identität voran in neue Gefilde.“

Hier erhältlich

Pascow Jade 2018Pascow – Jade
Release: 25. Januar 2019
Label: Rookie Records

Ich bin voll und ganz mit dem Hören der Platte beschäftigt

Archi: Ein neues Album von Pascow mit P aus Gimbweiler mit G! Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet? Im Vorfeld habe ich keine Kommentarspalten zu den bisherigen Singles, keine anderen Reviews und noch nicht einmal den Pressetext gelesen, um mich vollkommen unvoreingenommen an “Jade” heranzutasten. Bist Du besser vorbereitet, beziehungsweise hast Du schon gespoilert?

Maria: Null. Ich bin voll und ganz mit dem Hören der Platte beschäftigt.

Archi: Als ich die Single “Silberblick & Scherenhände” das erste Mal gehört habe, war ich irgendwie auf Anhieb erst einmal enttäuscht. Das hat sich allerdings ein wenig gewandelt – wobei ich noch immer der Meinung bin, dass dieser “Wechselgesang” dem Song die Energie raubt, die ihm sonst aus allen Poren tropft. Perfekter Opener – was mich gleich zum nächsten Punkt bringt: Warum das (aus meiner Sicht unnötige) separate Klavier-Intro?

Maria: Fangen wir mal am Ende deiner Fragen an: Dieses aus Deiner Sicht unnötige Intro, welches Pascow „Prolog“ nennen, macht für mich schon allein in der reinsten Definition Sinn. Das starke männliche Verb bedeutet ja nichts anderes als „das Vorspiel eines dramatischen oder literarischen Werkes“ – beides trifft auf „Jade“ zu. Da könnte man sich jetzt aufhalten und interpretieren, dass ein Prolog keine festen Regeln oder Formen hat und dass er auch gern mal selbstironisch sein kann und würde all das vermutlich schnell in irgendeiner Zeile der Beschreibung, des neuen Silberlings, wiederfinden. Außerdem leitet das Intro für mich perfekt in den – von dir so treffend beschriebenen – Energie gefüllten Opener ein. Also ich bin Fan!

Jede Band erfindet sich, laut ihres Pressetextes, mit jedem Album neu

Archi: Na toll, nun zwingst Du uns beide doch, uns mit dem Pressetext auseinander zu setzen. Dieser sagt unter anderem: “Hier verlässt die Band ein Genre, das sie in den letzten Jahren selbst mitgeprägt hatte.” Das klingt ja immer erst einmal sehr großspurig, denn jede Band erfindet sich, laut ihres Pressetextes, mit jedem Album neu (ausser Schleimkeim vielleicht), aber ist in diesem Fall wohl etwas, worauf man sich bei „Jade“ tatsächlich einigen kann oder?

„Muss Deutschpunk innovativ sein oder verliert er durch die ganze Innovation irgendwann sein Gesicht?“

Maria: Da bin ich ganz bei Dir. “Mit dieser Platte verabschieden sich die Musiker von Codierung und kryptischer Scheiße“, sagt der Pressetext weiter. Während Du weißt, dass ich es liebe uns zu Dingen zu zwingen, gegen die Du Dich wehren möchtest, nehme ich Pascow als (ohne dass das eine ähnliche Plattitüde ist, wie sie in unzähligen Albumankündigungen vorkommt) offensiv, glasklar und – sicher genau deswegen – unfassbar authentisch wahr. “Jade” ist – wie sagt man so schön – innovativ. Zumindest für das benannte Genre. So kündigt der Prolog ja quasi einen Ausbruch an, welcher für mich aber trotzdem geprägt von klassischen Pascow-Elementen ist.

Archi: “Innovativ”, das stimmt. Aber daran schließen sich zwei Anknüpfungspunkte an: Pascow waren schon immer, vor allem textlich, innovativer als die meisten anderen deutschsprachigen Bands und die zweite Sache ist: Muss Deutschpunk innovativ sein oder verliert er durch die ganze Innovation irgendwann sein Gesicht? Diese Frage stelle ich auch in Hinblick auf die zweite Single-Auskopplung namens “Wunderkind” – das kommt mir dann zum Teil als “Fortschritt des Fortschritts wegen” vor – aber verbessere mich gerne, wenn Du es anders siehst.

Maria: Natürlich sehe ich das anders!

Archi: …war ja klar.

Eine unverschämt ehrliche Beobachtung eines nicht so untypischen menschlichen Verhaltens

Maria: Wir gehen bis dahin konform, dass Pascow schon immer innovativer als viele andere waren. Bei deinem nächsten Punkt (und sei Dir sicher, dass ich weiß, dass ich hier bewusst provoziert werde) möchte ich schreiend flüchten. Was wäre denn dieser so called Punk oder nennen wir es einfach generell Musik, wenn sie nicht immer und immer irgendwie innovativ wäre. Auch das ist ja letztlich eine Definitionssache. Es ist ja auch irgendwie innovativ, wenn Pennywise 2018 wieder klingen wie 1998. Würden wir es “Fortschritt des Fortschritts wegen” nennen, müsste wir eine Lüge unterstellen und da möchte ich mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln wehren. „Doch niemand wird je glücklicher, als du es gerade bist“ ist vermutlich nicht nur eine der persönlichsten Botschaften, sondern auch eine allgegenwärtig zutreffende Aussage. Haben wir uns nicht letztens noch über den Verfall der Gesellschaft und Jugend im Bezug auf die mediale Entwicklungen diverser Plattformen unterhalten?

Archi: Ja, das haben wir und es bringt es auf den Punkt. Und Deine Aussage bezüglich der Botschaften unterstreicht ja nur, wie Pascow es immer wieder schaffen, den meisten anderen textlich eine Nasenlänge voraus zu sein. Da braucht es für mich auch keine „innovativen“ Songs mit Zirkusmusik-Untermalung wie zum Beispiel „Marie“ (und auch das ist wieder eine bewusste Provokation). Ich glaube, ich lege mir hier die Schablone des Ewig-Gestrigen auf, weil ich so ein unglaublicher Fan von „Diene der Party“ war und fünf Jahre später einfach etwas anderes erwartet habe.

„Gefühlt herrscht da draußen ja die Angst vor ehrlichen Emotionen. Ich habe gegen so eine catchy Punk Polka nichts und die passt sicher auch für den einen oder anderen ganz gut, wenn das olle Gefühl schunkelnd im Schnäpschen überspielt werden kann.“

Maria: Und vielleicht auch ein bisschen, weil Du mittlerweile meine Favoriten einschätzen kannst (oder kennst) und nach einer Gegenrede schreist?

Archi: Ich stänkere einfach gerne.

Maria: Damit kann ich um. „Marie“ zeigt für mich jedenfalls eine ebenfalls unverschämt ehrliche Beobachtung eines nicht so untypischen menschlichen Verhaltensmusters. Gefühlt herrscht da draußen ja die Angst vor ehrlichen Emotionen. Ich habe gegen so eine catchy Punk Polka nichts und die passt sicher auch für den einen oder anderen ganz gut, wenn das olle Gefühl schunkelnd im Schnäpschen überspielt werden kann. Tatsächlich finde ich den Minimalismus der Melodie ziemlich spannend in der Kombination der Schwere des Textes. Und ja, Du hängst hinterher, obgleich ich Dein Argument voll und ganz verstehe finde ich, es ist an der Zeit die alten Dogmen zu modernisieren oder am besten gleich über Bord zu schmeißen. “Diene Der Party” ist unbestritten ein großartiges Album. „Jade“ aber auch – nur anders. Und ganz ehrlich, erinnern wir uns zurück, wollte die Journaille mit “Diene Der Party” auch nicht so richtig warm werden. Innovativ ist halt oft nicht so wirklich angepasst.

Eine Weiterentwicklung, mit der ich durchaus leben kann

Archi: Mist und nun bin ich Teil eben jener Journaille. Ich will aber auch nicht sagen, dass ich mit “Jade” nicht warm werde. Der Titeltrack zum Beispiel zieht mich in seinen Bann und ist wundervoll, auch wenn mir zum perfekten Erlebnis ein catchy Pascow-Refrain fehlt. Allerdings reicht mir ein catchy Pascow-Riff unter den vorher genannten Umständen und „Sturm der durch Erlen zieht“ ist in dem Fall eine Weiterentwicklung, mit der ich durchaus leben kann. Ein Lied, das an alte Hits wie „Mathilda und der Blues“ oder andere Songs der “Nächster Halt gefliester Boden”-Ära erinnert.

Maria: „Für circa eine Stunde wird dieses Rattenloch zum besten Platz der Stadt. Himmel auf für das Geballer“ zeigt ziemlich deutlich, was live auf das Publikum der Pascows warten wird. 30 Minuten sind verdammt sportlich und wegen mir hätte es gern noch mehr Hits aus der Gimbweiler Musikschmiede geben können. Das Rheinland-Pfälzer Quartett liefert ab, bleibt sich treu und galoppiert dabei in vollster Selbstsicherheit der eigenen Identität voran in neue Gefilde. Ich frag Dich in zwei Wochen erneut, wie Du zu „Jade“ stehst!

Archi: Deal!

Video: Pascow – Silberblick und Scherenhände