Trever Keith von Face To Face im Interview

Face To Face 2021
Foto: Derek Bahn

Face To Face stehen seit mittlerweile 30 Jahren wie kaum eine andere Band für hochmelodischen Punkrock kalifornischer Prägung. Kurz vor der Veröffentlichung ihres zehnten Albums „No Way Out But Through“ (Albumreview) sprachen wir mit Frontmann Trever Keith über die Bandhistorie, Zukunftspläne und weshalb die Entstehungsgeschichte des neuen Albums eine völlig neue Erfahrung war.

Diese Arbeitsweise war komplett neu für uns. Wir waren es gewohnt, ein paar Tage Studiozeit zu buchen und uns dann gemeinsam absolut fokussiert auf die Arbeit zu konzentrieren – früh aufstehen und dann 12 bis 14 Stunden durcharbeiten. Und das jeden Tag, bis das Album fertiggestellt ist. Für uns war das jetzt also eine völlig neue Erfahrung.<span class="su-quote-cite">Trever Keith</span>

„Was definitiv gleichgeblieben ist, ist unsere absolute Leidenschaft für die Musik, die wir zusammen machen“

Hi Trever! Wie geht es Dir? Wo hältst Du Dich gerade auf?

Sehr gut, danke! Tatsächlich bin ich gerade in Portugal! Wir sind also beinahe in derselben Zeitzone, haha!

Was treibt Dich dort hin?

Meine Frau und ich haben Familie hier und wir verbringen hier einfach ein paar schöne Wochen. Außerdem spiele ich hier diese Woche eine Akustikshow!

War das im Vorfeld geplant?

Nein, total spontan! Ich habe einfach meinen Agenten angerufen und gesagt „Hey, kannst Du mir eine Show in Lissabon organisieren?“ Ich dachte, wenn ich schon so lange hier bin, kann ich auch eine Show spielen. Außerdem ist das eine gute Aufwärmübungen, denn sobald wir wieder in Kalifornien sind, gehe ich mit Russ Rankin von Good Riddance auf eine kleine Akustiktour.

Auch für Face To Face stehen weitere Shows an – dabei ist auch die Neuauflage des legendären Furnace Fest in Brimingham, Alabama.

Darauf freuen wir uns sehr! Das ist ein bombastisches Line-Up. Allein der Tag unseres Auftritts ist vollgepackt mit großartigen Bands! Das wird unglaublich.

Lass uns etwas über die Geschichte von Face To Face sprechen. Ihr feiert dieses Jahr Euer 30-jähriges Bestehen und mit „No Way Out But Through“ erscheint nächsten Monat das zehnte Studioalbum. Wie viel haben die Face To Face von 2021 noch mit der Band von 1991 gemeinsam?

Puh, ok. Ich denke, wir sind im Grunde immer noch dieselben Typen. Ich spiele immer noch Gitarre und singe, haha. Aber 30 Jahre sind wirklich eine verdammt lange Zeit. Wir haben alle unsere 20er, 30er und 40er durchgemacht und nun ist keiner in der Band mehr unter 50! Was definitiv gleichgeblieben ist, ist unsere absolute Leidenschaft für die Musik, die wir zusammen machen. Wir lieben es noch immer mehr als alles andere, Songs zu schreiben, aufzunehmen und besonders rauszugehen und sie zu spielen! Das hat uns die letzten 30 Jahre angetrieben und hält die Flamme am Brennen.

„Es kann nun mal nicht jede Band kann so sein wie U2“

Einige Eurer Weggefährten aus den frühen 90ern sind inzwischen nicht mehr aktiv, viele haben sich aber auch nach einer Auszeit wieder zusammengefunden. Auch Face To Face hatten schon eine Pause, zudem sind nach dem Ausstieg von Chad (Yaro, Gitarre) mit Scott (Shiflett, Bass) und Dir nur noch zwei Leute aus der „Big Choice“-Ära an Bord. Der Trademerksound ist aber immer noch unverkennbar da. Was ist das Geheimnis?

Teamwork! Scott und ich sind schon so lange zusammen – als er 1995 zu der Band stieß, war er noch so zurückhaltend, haha! Aber wir haben dann sehr schnell herausgefunden, was für eine Typ Band wir sind und wie wir klingen wollen. Das war spätestens zu unserem dritten Album der Fall. Übrigens ist Chad nicht offiziell ausgestiegen – in den letzten Jahren konnte er sich aus privaten Gründen aber nicht mehr voll einbringen. Aber wenn wir ihn heute fragen würden, ob er morgen mit uns spielen würde und er hätte Zeit, er würde sofort zusagen! Dennis (Hill, Gitarre) hilft uns also sozusagen, den Spot von Chad auszufüllen. Er nimmt aber nicht nur seinen Platz ein, er bringt uns auch nochmal ein Stück voran mit seinem Input. Das gilt auch für Danny (Thompson, Drums) zu – diese Typen sind mit unheimlicher Leidenschaft dabei und großartige Musiker. Sie leben dafür, Musik zu machen und sie haben die DNA von Face To Face verinnerlicht. Es kann nun mal nicht jede Band kann so sein wie U2, haha! Diese Band ist eben unsere Geschichte und trotz aller teils schweren Zeiten sind wir noch immer da, wir haben noch immer die gleiche Energie und daran wollen wir so lange wie möglich festhalten.

Und obwohl Face To Face damals wie heute eben für diesen melodischen So-Cal Punkrock stehen, gab es in der Diskographie durchaus Raum für Experimente, wie das sehr an Alternative-Rock orientierte „Ignorance Is Bliss“ oder „Three Chords & A Half Truth“, das deutlich vom britischen Punk und The Clash beeinflusst war. Haben diese Alben den Durst nach anderen Sounds befriedigt oder gab es noch weitere Ideen, die nicht umgesetzt worden sind?

Ich würde sagen, wir sind inzwischen absolut zufrieden mit unserem Sound. Wir sind in unserer Vergangenheit immer die Risiken eingegangen, die wir auch eingehen wollten. Es gibt tatsächlich Songs, die nochmal deutlich von unserem „Standardsound“ abweichen, es jedoch nie auf ein Album geschafft haben. Aber nicht aus Angst vor negativen Reaktionen oder weil wir uns damit zu sehr in andere Genres vorgewagt hätten, sondern schlicht, weil sie nicht gut genug waren. Ich bin bis heute auf jeden veröffentlichten Song stolz. Es mag Songs auf den angesprochenen Alben geben, die vielleicht nicht im klassischen Sinne „Punkrock“ sind, in denen aber dasselbe Level an Herzblut steckt, wie in all unseren Songs und ich denke, das hört man auch.

„Die Entstehungsgeschichte des Albums war dieses Mal absolut verrückt“

Dann lass uns direkt über Euer neues Album sprechen. In „No Way Out But Through“ sind viele Elemente zu hören, die Face To Face über die Jahre ausgezeichnet haben: Im Vordergrund stehen die hochmelodischen und eingängigen Refrains, manche Stellen erinnern aber auch an das noch recht rohe und rotzige Debüt. Zum Schluss finden sich dann noch Gitarren, die ein wenig an „Ignorance Is Bliss“ erinnern. Kannst Du uns etwas zum Entstehungsprozess des Albums erzählen? Gab es ein bestimmtes Ziel, welches Ihr beim Schreiben verfolgt habt?

Die Entstehungsgeschichte des Albums war dieses Mal absolut verrückt. Wir waren eigentlich schon bereit, dieses Album anzugehen, als wir eine Reihe kleiner Specialshows gespielt haben, bei denen unsere Fans mit uns im intimen Rahmen zusammensitzen konnten. Dabei haben wir ein paar spontane Akustiksets gespielt, woraus letztlich unsere Akustik-EP „Hold Fast entstanden ist. Das war im Vorfeld überhaupt nicht geplant. Nach der Veröffentlichung und einer dazugehörigen weiteren Tour haben wir uns dann erneut zusammengefunden und gesagt „Hey, wollen wir jetzt langsam mal das Album schreiben, von dem wir so lange reden?“, haha. Ich hatte zu dem Zeitpunkt Demos für acht oder zehn Songs, die schon um 2017 oder 2018 entstanden sind. Scott hatte ebenfalls einige Ideen. Wir haben uns dann gegenseitig unsere Songideen vorgespielt und gemeinsam in Form gebracht. Gleichzeitig haben wir in diesen Sessions aber auch völlig neue Songs gemeinsam geschrieben. Ein klares Ziel haben wir dabei aber nicht verfolgt. Anders als bei dem Vorgänger „Protection“, bei dem ich den Sound unserer ersten drei Alben und meiner Lieblingsbands aus den frühen 90ern einfangen wollte – Jawbreaker, Samiam und so weiter. Aber dieses Mal ist alles ganz natürlich entstanden. Als wir dann schließlich Anfang März letzten Jahres mit unserem Produzenten Siegfried Meier aus Kanada ins Studio in Kalifornien gingen, erreichten uns am zweiten Tag die Nachrichten, dass aufgrund der aufkommenden Pandemie die Grenzen geschlossen werden sollten. Damals wusste noch niemand, was kommen würde und wir entschlossen uns, die Aufnahmen abzubrechen und unser Produzent flog schnell zurück nach Toronto – nur wenige Tage später wurde die Grenze zu Kanada dann tatsächlich geschlossen, er hat es also gerade so nach Haus geschafft.

Ihr hattet also weniger als zwei Tage Zeit im Studio?

Ganz genau. Wir konnten aber glücklicherweise schon einen Großteil der Drums und Bass-Parts einspielen. Siegfried hat mir diese Aufnahmen zugeschickt, ich habe dann meine Gitarrenparts bei mir zu Haus eingespielt und wieder an ihn zurückgesendet. Siegfried hat daraus dann wiederum neue Rohmixe erstellt und an alle verteilt. Ende Mai war es dann wieder möglich, unter bestimmten Maßnahmen zusammenzukommen. Scott und ich sind also zu Davey Warsop in seine Strong Studios in Long Beach gegangen, um den Gesang aufzunehmen. Wir waren nur zu Dritt und haben die gesamte Zeit Masken getragen, was ich wirklich gehasst habe, aber es ging natürlich nicht anders. Ich war jedes Mal froh, wenn ich die Gesangskabine durfte.

Nach dem Motto „Lass mich nochmal in die Kabine gehen, das geht noch besser“!

Haha, genau! In den zehn Tagen dort haben wir also meine Gesangsspuren und zusätzlich ein paar Gitarrenoverdubs fertiggestellt. Scott ist dann noch länger dort geblieben, um die Backgroundvocals einzusingen. Das Ergebnis haben wir dann erneut zu Siegfried nach Toronto geschickt. Als ich die neuen Rohmixe und besonders Scotts Vocals gehört habe, hat mich das wiederum motiviert, weitere Gesangsspuren einzusingen. So ging das eine ganze Zeit hin und her, es war ein sehr dynamischer Prozess. Diese Arbeitsweise war komplett neu für uns. Wir waren es gewohnt, ein paar Tage Studiozeit zu buchen und uns dann gemeinsam absolut fokussiert auf die Arbeit zu konzentrieren – früh aufstehen und dann 12 bis 14 Stunden durcharbeiten. Und das jeden Tag, bis das Album fertiggestellt ist. Für uns war das jetzt also eine völlig neue Erfahrung, wobei das für jüngere schon beinahe Standard ist. Aber wir sind eben oldschool.

Wie ging es mit den Aufnahmen weiter?

Wir haben die von Siegfried in Toronto erstellten Mixe zu Jason Livermoore in die Blasting Room Studios geschickt, um dort das Mastering vornehmen zu lassen. Aber Jason sagte „Wisst Ihr was? Die Mixe sind gut, aber ich würde gern noch ein paar Dinge probieren.“ Nachdem er dann ein paar Songs bearbeitet hat und alle Beteiligten begeistert waren, hat er also am Ende das gesamte Album gemixt und anschließend das Mastering vorgenommen. Das Ergebnis ist grandios! Wir haben schon früher mit Jason gearbeitet, er ist wahnsinnig talentiert und weiß absolut, was er tut.

„No Way Out But Through“ ist also definitiv kein „Covid-Album“

Wenn die Entstehung des Albums aus handwerklicher Sicht schon anders war, schlägt sich das auch in den Texten nieder?

Tatsächlich waren die Songs samt Lyrics spätestens Mitte März letzten Jahres fertig. Die Pandemie spielte also in unseren Köpfen noch keine wirkliche Rolle. „No Way Out But Through“ ist also definitiv kein „Covid-Album“, zumindest nicht aus kreativer Sicht. Ich finde sogar, die Songs sind sehr positiv und optimistisch geraten.

Eine letzte Frage: Der abschließende Song trägt den Namen „Farewell Song“ und Du wiederholst die Zeile „I guess this is goodbye“ – ist das ein kleiner Hinweis darauf, dass dies möglicherweise das letzte Album von Face To Face sein könnte?

Ich halte es mit „sag niemals nie“. Denn immer, wenn ich mich auf eine Aussage zu der Zukunft der Band habe hinreißen lassen, haben sich die Umstände geändert. Der Song behandelt wirklich nur eine persönliche Trennung und hat nichts mit der Zukunft von Face To Face zu tun. Wir freuen uns riesig darauf, das neue Album auf die Bühne zu bringen und die Reaktionen zu sehen! Wenn das alles irgendwann dazu führt, dass wir Lust darauf bekommen ein weiteres Album zu schreiben – umso besser.

Face To Face – No Way Out But Through